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Kapitel 1 – Max und Sophie
ОглавлениеDer Mensch denkt, Paul lenkt
Max freut schon auf den Feierabend, als sein Freund und Chef Eddie ihn an die Theke des Fitnessstudios heranwinkt. Eddie hat Frau von Wernherr am Telefon, die schon auf dem Weg ins Fitnessstudio ist und auf einer Einzelstunde Bauch-Beine-Po mit Max besteht.
„Ja selbstverständlich“ und „er freut sich schon sehr auf Sie“, hört Max Eddie sagen und ahnt schon, mit wem dieser telefoniert. Ausgerechnet heute noch eine Stunde mit Frau von Wernherr, die aufgetakelte Mitsechzigerin, die ihm während der des Trainings Kussmünder, verführerische Blicke und Augenzwinkerer zuwirft.
Das habe ich heute noch gebraucht! Aber was tut man nicht alles für den besten Freund.
Ein paar Minuten später kommt sie auch schon durch die Eingangstür und begrüßt ihn mit einer überschwänglichen Umarmung und einem besitzergreifenden Kuss auf die Wange.
Nach mehrmaligem Hinternkneifen und vielen anzüglichen Bemerkungen hat Max endlich die Stunde hinter sich gebracht und verabschiedet Frau von Wernherr mit einem Handkuss und einer übertriebenen huldvollen Verbeugung. Sie klimpert verführerisch mit den Wimpern und verfügt sofort über die nächste Trainingsstunde mit Max – natürlich wieder eine Einzelstunde - am nächsten Tag.
„Ich freu mich schon auf morgen“ sagt er bemüht freundlich.
Sie hingegen haucht stattdessen nur mit einem Kussmund „Ciao, Süßer!“
„Später in „Jimmys Bar“ gibst du mir aber einen Drink aus!“
„Klar, das bin ich dir schuldig“, antwortet Eddie und sie verabschieden sich, um sich wenige Zeit später in der Bar wieder zu treffen.
„Fräulein Lehmann, überarbeiten Sie Ihr Marketing-Konzept für das Haarshampoo noch heute, das Layout benötigt einen weiteren Feinschliff. Sie wissen, ich dulde keine Gewöhnlichkeit! Morgen um 8 Uhr muss es auf meinem Schreibtisch liegen!“
Sophie zuckt zusammen und fährt hoch. Ob ihr Chef wohl bemerkt hat, dass in ihren Gedanken vor ihren Augen ein dunkelhaariger Mann mit rehbraunen Augen gekniet hat?
„Ja klar“ stammelt sie „das kann ich sicher noch machen.“
„Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet“
„Ja, natürlich … ich habe heute nichts mehr vor …“
Sophie seufzt.
„Schönen Abend, Herr Schmitt.“
Aber er ist schon längst durch die Tür verschwunden und kurz darauf fällt die schwere Eingangstüre aus Holz ins Schloss.
„Zum dritten Mal schon verlangt er für die Shampoo-Sache den „letzten“ Feinschliff! Gewöhnlichkeit?! Hm, der wird wohl nie zufrieden sein!“
Nach einer Überstunde macht sich Sophie auf den Weg zu ihrer besten Freundin Lena, der der Coffee Shop am Schubertplatz gehört. Vor sieben Jahren hat Lena den Coffee Shop eröffnet. Damals war in dem Gebäude eine Näherei, die aber schon viele Jahre nicht mehr betrieben wurde. Die Neugier der Leute während des Umbaus war groß und es war auch die Eröffnungswoche ein voller Erfolg. Schnell konnte sich Lena Stammkundschaft aufbauen, für die der Coffee Shop so etwas wie ein zweites Zuhause geworden war.
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee, die milchkaffeebraunen Wände, die dunkelrote Wand hinter der Theke in Verbindung mit dem dunkelbraunen Holzboden verbreiten eine stressfreie Atmosphäre. Sophie konnte Lena zu dunkelrote bequeme Ledersessel auf der rechten Seite des Lokals überreden. Auf der anderen Seite setzte Lena ihre Vorstellungen um und ordnete braune, dick gepolsterte Bänke Rücken an Rücken an. Im hinteren Teil - gegenüber dem Eingang - befindet sich die Theke, an der Sophies Stammplatz ist. Lena kann von hier aus die Gäste bedienen und gleichzeitig auch mit Sophie schon die Neuigkeiten des Tages besprechen.
Durch die großen Fenster, die fast bis zum Boden reichen, sieht Lena Sophie schon über den Schubertplatz kommen und bereitet sogleich einen Cappuccino für sie zu. Sophie läuft heute aber erstmal an der Theke vorbei Richtung WC.
Während sich hinter Sophie die Tür zu den WC-Räumen schließt, öffnet sich die Eingangstür zum Coffeeshop und Max betritt den Laden. Er blickt sich kurz um und wundert sich gerade, warum er hier hereingekommen ist.
„Egal, ein schöner heißer Kaffee ist genau das richtige nach der Stunde mit Frau von Wernherr!“
Er geht zur Theke und bestellt einen doppelten Espresso to go. Eigentlich war er auf dem Weg nach Hause, die Lindengasse war wegen Straßenarbeiten gesperrt, so musste er über den Schubertplatz gehen und stand auch schon im Coffee Shop.
„Wow, ein richtiger Leckerbissen – und Sophie kommt nicht!“
Lena lässt sich viel Zeit, damit Sophie ihn auch noch sehen kann, aber als sie fertig ist, legt er das Geld auf den Tresen und geht auch schon zur Tür.
Jetzt erst kommt Sophie zurück, bleibt aber vor der Tür zu den WC-Räumen stehen, weil Lena wie eine Wilde mit den Armen gestikuliert.
Als Sophie endlich kapiert, was Lena von ihr will, kann sie den fremden Mann nur mehr von weitem sehen. Aber eigentlich ist er ihr auch egal.
Wann kapiert Lena endlich, dass ich keine Beziehung will? Ich habe nicht vor, die Männerpause zu beenden!
Vor einem Jahr hat Sophie ihre Beziehung mit Giovanni beendet. Dieser hatte sie mit seiner Ex-Freundin Arianna mehrmals betrogen, ist aber dann auf den Knien rutschend zu ihr zurückgekehrt. Blind vor Liebe hat ihm Sophie vergeben, er war ja auch die große Liebe ihres Lebens und als sie sich zum zweiten Mal für die Beziehung mit ihm entschied, sollte es für immer sein.
Wenige Wochen danach - Giovanni hatte sich das Bein bei einem Motorradunfall gebrochen - da war es ihr klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ihre Liebe war so groß wie nie zuvor. Aufopfernd besuchte sie ihn jeden Tag nach der Arbeit im Krankenhaus. Oft besuchte sie ihn auch schon am Morgen, bevor sie ins Büro ging, weil ihm das Frühstück im Krankenhaus nicht schmeckte und sie ihm frischen Cappuccino und Croissants vorbeibrachte. Giovannis Bein wurde operiert und Sophie bedauerte ihn sehr, weil die Schmerzen lange andauerten. Nach zwei Wochen fieberte sie dem Tag entgegen, an dem sie ihn mit nach Hause nehmen durfte. In ihrer Wohnung hatte sie aus dem Wohnzimmer ein richtiges Krankenlager gemacht, damit er es vor dem Fernseher gemütlich haben würde. Mittagessen für die nächsten Tage hatte sie ihm vorgekocht, damit er nicht zu viel aufstehen musste, wenn er schon alleine zu Hause war. Neue Pantoffel hatte Sophie ihm auch noch schnell gekauft, weil Giovanni doch immer kalte Zehen hatte und er mit dem geschwollenen Fuß in seine eigenen Hausschuhe nicht reinpassen würde. Sophie war zufrieden mit sich - an alles hatte sie gedacht, bis spät in die Nacht hatte sie die Wohnung noch geputzt, weil dies für ihn wichtig war. Diesmal störte sie seine Pingeligkeit aber gar nicht. Giovanni war krank und er sollte sich bei ihr zu Hause so richtig wohlfühlen.
Am nächsten Morgen war es soweit – Giovanni durfte endlich nach Hause. Sophie hatte sich einen Tag Urlaub genommen, sie wollte ihn gleich am Vormittag vom Krankenhaus abholen. Sie betrat das Krankenzimmer, dann der Schock - Giovanni inflagranti mit der Krankenschwester. Klar hatte Sophie in den Tagen zuvor gesehen, wie er sie förmlich mit Blicken auszog. Sie hatte auch gesehen, dass diese ihm genüsslich ihren Po entgegenstreckte, als sie die Bettdecke für ihn aufschüttelte. Er machte auch keinen Hehl daraus, der vollbusigen Krankenschwester in Sophies Anwesenheit einen Klaps auf den Hintern zu geben.
Das war nun mal Giovannis Art, aber, dass er so weit gehen würde und sich die beiden nicht mal die Mühe gemacht haben, sich zu verstecken!“
Von da an wollte sie von Männern nichts mehr wissen. Die Beziehung mit Giovanni setzte jedoch allen vorangegangenen nur die Krone auf.
Bevor Sophie Giovanni kennenlernte, hatte sie eine Romanze mit Bernhard. Diese dauerte zwar fast zwei Jahre, funktioniere aber nicht, weil er zu knauserig war. Jeder Euro musste umgedreht werden. Wenn er sich doch mal dazu durchringen konnte, mit ihr in ein Restaurant zu gehen, wurde zumindest der Kaffee später zu Hause getrunken, um Geld zu sparen. Auf Kino wurde gänzlich verzichtet, um Kaffeehäuser wurde ein großer Bogen gemacht und Urlaub stand sowieso nicht zur Diskussion, nur, weil das alles zu viel Geld kostete. In Boutiquen ließ er sie nur gehen, wenn mal ein Kleidungsstück kaputt wurde. Eine Zeitlang gefiel Sophie das gar nicht schlecht, immerhin konnte sie selbst auch eine Menge Geld sparen – aber ein ganzes Leben ohne jegliche Vergnügungen, das war dann doch zu viel beziehungsweise zu wenig.
Im Nachhinein gesehen war das Verhältnis vor Bernhard – das mit Georg – noch das beste, außer, dass Georg ein Workaholic und somit nie zu Hause war. So beendete Sophie auch diese Beziehung, weil sie mit Georg genauso viel alleine war als ohne ihn.
„Wird Zeit, dass du mal wieder jemanden kennenlernst. Niemand ist gerne allein!“
„Was soll das heißen? Hänge ich zu lange bei dir herum? Bin ich dir zu viel Last?“
„Nein, überhaupt nicht, aber das weißt du ja. Nur würde ich auch dir schöne romantische Stunden zu zweit wünschen – abends nach der Arbeit auf dem Sofa ein bisschen kuscheln, wieder mal ein Wochenende auf dem Land oder in einem Wellnesshotel. Oder am nächsten Morgen in den Pullover des Freundes schlüpfen, der immer noch nach ihm duftet. Solche innigen Momente zu zweit müssen dir doch fehlen und ich würde es mir für dich von ganzem Herzen wünschen! Du bist meine beste Freundin und ich sehe dich jeden Tag. Meistens bist du fröhlich und ich glaube auch, dass du soweit mit deinem Leben auch zufrieden bist. Aber manchmal sehen deine Augen traurig und auch leer aus. Da denke ich mir, das sind vielleicht die Momente, in denen du dir einen Partner wünschst. Und da ich ein bisschen schlechtes Gewissen – weil ich Peter habe und du niemanden. Natürlich streiten Peter und ich auch manchmal, das weißt du. Aber das Gefühl, morgens neben dem Menschen aufzuwachen, den du liebst, ist einfach unbeschreiblich.“
„Ja, ich gebe zu, manchmal denke ich an einen großen dunkelhaarigen Mann mit rehbraunen Augen, der nach der Arbeit zu Hause sehnsüchtig auf mich wartet und am Wochenende lange Spaziergänge mit mir unternimmt.“
„Na siehst du, ich weiß doch, dass ich Recht habe.“
„Ich gebe aber auch zu, dass ich oft an Georg, Bernhard und vor allem an Giovanni denke und dann der schöne Mann mit den rehbraunen Augen genauso schnell verschwunden ist, wie er gekommen ist.“
„Dir ist einfach nicht zu helfen.“
Beide müssen lachen.
„Schön, dass du dich um mich sorgst, aber es ist immer noch gut so, wie es momentan ist.“
Lena stochert für heute nicht mehr nach. Sie spürt, dass es besser ist, nun nicht mehr nachzubohren. Indessen lächelt Sophie ihre Traurigkeit weg, die heute doch etwas höher gestiegen ist, als sie es wollte.
„Schon viertel nach acht, wo bleibt Peter? Er sollte doch schon seit einer Viertelstunde hier sein! In letzter Zeit kann man sich einfach nicht auf ihn verlassen!“
„Ich helfe dir, ich mache statt Peter die Espressomaschine sauber und du machst die Kassa.“
„Das ist total lieb von dir, aber es geht nicht ums Saubermachen an sich, sondern darum, dass sich Peter schon wieder davor drückt, obwohl es zu seinen Aufgaben gehört. Den ganzen Tag arbeite ich hier alleine und er braucht abends nur die Kaffeemaschine sauber zu machen und in den letzten Wochen schafft er nicht mal das!“
„Ach komm, du weißt doch, dass er zurzeit viele Überstunden machen muss. Er kann ja auch nichts dafür, dass es in seiner Firma so gut läuft, außerdem verdient er mit ein paar Überstunden momentan nicht so schlecht, das musst du auch zugeben“, versucht Sophie Lenas Laune zu heben, damit das Abendessen, das sie für heute geplant haben, doch noch vergnüglich wird.
Als sie alle Arbeiten erledigt haben und gerade den Coffee Shop zuschließen wollen, kommt Peter.
„Wieso hast du heute die Jeans an, die deine Hüften so dick machen?“
Lena schnaubt vor Wut und kriegt einen hochroten Kopf. Sophie versucht, das Thema zu wechseln, damit die beiden keinen Streit beginnen, wie so oft.
„Essen wir heute mexikanisch oder doch lieber chinesisch?“
Nach kurzer Diskussion entscheiden sie sich für den Mexikaner und gehen Richtung Stadtzentrum. Anfangs geht Sophie neben den beiden, bis Lena die Bemerkung mit ihren Jeans und den Hüften wieder einfällt und Sophie dann zwischen den beiden gehen muss, um den Streit zu dämpfen, was ihr aber heute nicht gelingt. Nachdem Lena und Peter nun mit streiten beschäftigt sind, versinkt Sophie in Gedanken und ist wieder einmal froh, dass sie momentan keine Beziehung hat.
So bemerkt sie auch nicht Max, der auf dem Weg in Jimmys Bar ist und den Dreien entgegen kommt. Dieser ist schon etwas in Eile, so bemerkt er sie nicht und rempelt Peter am Oberarm an. Er murmelt eine Entschuldigung und geht weiter. Peter, der schon schlechte Laune hat, weil er sich einen Vortrag über Lenas Hüften anhören musste, ist stinksauer und schreit wütend hinterher,
„Du Warmduscher, kannst du nicht aufpassen!“
Die beiden Frauen zerren Peter weiter, bevor der die Beherrschung verliert und einen gröberen Streit provoziert oder vielleicht sogar eine Schlägerei anzettelt. Nach ein paar Minuten hat sich Peter beruhigt und sie können in aller Ruhe, sogar ohne Streit, zum Mexikaner gehen.