Читать книгу Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek - Alexandra Fischer-Hunold - Страница 6
ОглавлениеIm Theatersaal der Bilton Boarding School herrschte fast absolute Dunkelheit. Nur auf der Bühne brannte eine altmodische Stehlampe. Sie warf ihr Unheil verkündendes Licht auf den Kamin, das Ölgemälde darüber und den leicht schräg vor dem Kamin angeordneten Ohrensessel. Dem aufmerksamen Beobachter entgingen natürlich die übereinandergeschlagenen Beine nicht, die aus dem Sessel hervorragten.
Alles war bereit für die Mordszene in Olivia Hartcastles Theaterstück Mord in der Bibliothek. Genauso wie es das Skript in den Händen meiner im Notfall soufflierenden Freundin Willow vorsah, huschte ein gebückter Schatten auf den Kaminsims zu und öffnete die längliche Schatulle, um ihr das Testament von Lord Willsborough zu entnehmen. Scheinbar unbemerkt, schob sich ein Pistolenlauf hinter der Rückenlehne des Sessels hervor, dann eine Hand, die zu einem Arm wurde, und schließlich die ganze Silhouette des Mörders. Seine Stimme triefte vor Verachtung, als er langsam auf sein Opfer zuschritt und skriptgemäß flüsterte: »Hast du wirklich gedacht, du könntest damit einfach so davonkommen? Danke, dass du es mir so leicht machst!«
Ein Schuss zerriss die atemlose Stille. Ein, vielleicht zwei Sekunden vergingen. Das Opfer schwankte leicht, bevor es sich an die Brust griff. Es sackte auf die Knie und japste nach Luft. Theaterblut quoll zwischen den zusammengekrallten Fingern hervor. Die Augen des Opfers richteten sich auf den Schützen. Das perfekte Mienenspiel wechselte von fragend-erstaunt zu blankem Entsetzen. Ein tastender Griff nach der Kaminwand verfehlte sein Ziel. Das Opfer verdrehte die Augen und fiel auf die Bühne, wo es mit dem Gesicht nach unten regungslos liegen blieb.
Diesmal gab es aber wirklich nichts an der Darbietung zu meckern, fand ich. Doch der markerschütternde Schrei belehrte mich eines Besseren.
Denn der stand nicht im Skript!