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Nett, Sie kennenzuschnüffeln

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Wenn man sie tun lässt, was sie möchten, werden die meisten Hunde keine flüchtigen Geruchsspuren fremder Menschen verfolgen oder nacheinander Metallstangen abriechen. Hunde beschnüffeln gern andere Hunde. Menschen schauen gerne andere Menschen an – wenn man sie alleine in einem Raum lässt, werden sie sich Bilder, egal ob statische oder bewegte, anderer Menschen anschauen. Ich weiß, hündische Versionen von Pin-Ups erfreuen sich unter Hunden keiner Beliebtheit, aber wenn ich den Duft jener schlanken schwarz-weißen Hündin vom Straßenende in einer Flasche einfangen könnte, würde er sicher eine gute Ablenkung für unsere Hunde abgeben, wenn sie alleine sind und sich langweilen.

Mit Sicherheit hat jeder Hundebesitzer das schon beobachtet. Aber glauben Sie nicht, dass das gegenseitige Beschnüffeln so bedeutungslos ist wie ein Niesen. Wenn ein Hund niest, tut der andere es nicht ebenfalls. Aber wenn sich zwei Hunde begegnen, schnüffeln sie und lassen sich beschnüffeln, und das ist echte Kommunikation. Offensichtlich liegt in dem Beschnüffeln anderer Hunde auch ein Vergnügen, aber was wir nicht sehen können, ist die dabei übermittelte Information. Ihr Schnüffeln hat ein bestimmtes Maß: Entweder beschnüffeln sich beide sofort gleichzeitig oder sie wechseln sich höflich ab und stecken ihre Nase in das Fell des jeweils anderen. Das Fell beherbergt Gerüche aus Hautdrüsen, die an beschnüffelbaren Körperstellen liegen. Und diese Gerüche sind der Schlüssel: Sie beinhalten die neuesten Nachrichten über den Hund, von dem sie ausgehen.

Bei der Beobachtung von sich gegenseitig beschnüffelnden Rüden und Hündinnen fanden Wissenschaftler heraus, dass Rüden es gern zuerst auf den „Schwanzbereich“ (sprich: Rumpf) anlegen. Rund um den Anus liegen Hautdrüsen, die Geruch absondern. Zu beiden Seiten des Anus („auf vier und acht Uhr“, wie ein Autor hilfreich für die Zifferblattleser unter uns anmerkt) liegen die Analbeutel, die den kräftigen Geruch nach Hund absondern. Oder genauer gesagt, vermutlich nach gestresstem Hund. Wenn ein Hund Angst hat, sondern die Beutel einen stinktierartigen Geruch ab. Sekrete aus den Analbeuteln dienen außerdem als Topping auf jedem Häufchen. Manche Wissenschaftler betrachten diesen Geruch deshalb als die „Unterschrift“ jedes Hundes – seine Kennmarke, geschrieben für Nasen. Vor vierzig Jahren drückten Dr. George Preti vom Monell Chemical Senses Center und seine Kollegen die Analbeutel-Inhalte einiger mäßig kooperativer Beagle aus. „Ich war ein Pionier!“, erzählte er mir. „Ohne Nachfolger.“ Was sie nach Analyse der Bestandteile herausfanden, war: Obwohl die Gerüche sich für die meisten menschlichen Nasen zu ähneln schienen, variierten die Proben beträchtlich: genug, um als Marker für jedes Individuum zu dienen. Weil Hundeforscher (anscheinend) so gut wie alles tun, um mehr über ihre Forschungsobjekte zu erfahren, wissen wir nun, dass es sogar für Menschen wahrnehmbare Unterschiede zwischen den Sekreten einzelner Hunde gibt – sie reichen von einem „fast neutralen oder leicht angenehmen, hundeartigen“ einerseits bis zu einem „scharf beißenden“ Geruch andererseits. Danke, liebe Wissenschaftler, dass Sie das für uns erschnüffelt haben.

Caniden haben außerdem auch deutlich erkennbare Drüsen am Schwanzansatz. Sie können sie orten, indem Sie entweder einem Rüden beim Beschnüffeln eines fremden Hundes zusehen oder nach einer fettigeren Stelle im Fell Ausschau halten, dort, wo der Schwanz in den Rücken übergeht. Sie wird von den Drüsensekreten geölt. Beim Fuchs produziert diese sogenannte suprakaudale Drüse Düfte, die sogar für unsere Nasen wahrnehmbar sind: Ein Hauch von Veilchen beim Rotfuchs, Moschus beim Graufuchs. Insofern als diese Drüsen Unterschiede im Spiegel der Geschlechtshormone wiedergeben, liegt das Interesse von Rüden natürlich zum Teil darin, herauszufinden, wer eine neue Hündin ist, aber auch, ob sie paarungsbereit ist.

Hündinnen beschnüffeln öfter zuerst die Gesichter. Auch Wölfe sind besonders erpicht darauf, gegenseitig die Gerüche von Kopf und Schnauze zu untersuchen. Vielleicht haben Sie einen Hund, der die Nase in Ihre Ohren steckt oder Sie damit in Nasen- und Augengegend anstupst. Er behandelt Sie wie einen echten Hund: An den Ohren eines solchen befinden sich zahlreiche Sekret- und Talgdrüsen, während an der Hundeschnauze ekkrine Drüsen sitzen. Vielleicht geht es bei dieser Untersuchung weniger um Paarung als um die Feststellung von Gesundheitszustand und Ernährung. Speichel riecht, wo immer Speichel hinkommt, was bei Hunden heißt: Großzügig über Gesicht und Schnauze verteilt.

Wenn Sie nahe genug herangehen, nehmen Sie den einzigartigen Geruch Ihres Hundes wahr. Wie Ihr Hund für Sie riecht, liegt vermutlich an den Ausscheidungen der Sekretdrüsen (apokrine Drüsen), die über seinen ganzen Körper verteilt sind. Auch die Unterseiten seiner Pfoten haben einen ganz individuellen Geruch. Wenn Sie noch nie an den Pfoten Ihres Hundes gerochen haben, dann ist es jetzt wirklich Zeit dafür. (Sie können übrigens sicher sein, dass Ihr Hund den Geruch Ihrer Füße kennt). Bei Hunden zieren Drüsen die Pfotenballen an sich, zusätzlich sind noch welche zwischen den Zehen versteckt. Sie sondern einen Geruch ab, der so gut von anderen unterscheidbar ist – zumindest für andere Hunde –, dass dies eines der rätselhaftesten Hundeverhalten aller Zeiten erklären könnte: Das Scharren auf dem Boden nach dem Absetzen von Urin oder Kot. Ich kenne Hunde, die in Momenten großer Erregung jedweden Ursprungs – verlockend riechende andere Hunde laufen vorbei oder sie haben gerade wild und ausgiebig getobt – wie besessen lange, tiefe Furchen in den Boden kratzen, als ob sie ein Ausrufezeichen hinter die Szene setzen wollten. So! Wenn bei jedem Scharren ein Tröpfchen Geruch freigesetzt wird, dann dient dieses Verhalten vielleicht als Wegweiser für andere Hunde, wo sie das Mutterschiff des Geruchs finden können: den Kot oder Urin, den der Scharrer hinterlassen hat. Das Schnüffeln des einen Hundes deckt die Identität eines anderen auf, aber übermittelt auch Informationen, die sonst der nicht so raffinierte Sehsinn wahrnehmen würde. Hunde schauen sich nicht gegenseitig unter den Bauch, um zu sehen, ob der andere männlich oder weiblich ist. Sie riechen männlich oder weiblich. Außerdem riechen sie Paarungsbereitschaft, kürzlich überstandene Krankheiten oder was der andere kürzlich gefressen hat. Sie riechen auch das Alter: Alter ist nichts anderes als ein Stoffwechselprozess, als Chemie. Und Chemie riecht. Hunde riechen danach, ob sie gebadet haben oder nicht; ob sie kürzlich gepinkelt haben oder gerade sehr dringend müssen. Sie riechen nach sich selbst, nach ihrem Status, und vermutlich auch danach, ob sie Angst haben, glücklich oder nervös sind.

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