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VNO

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Er leckt. Er leckt mein Knie, mein Gesicht, meine Ohren. Er leckt die Luft, während er mir näher kommt und seine Zunge nach mir ausstreckt. Es fühlt sich nach Zuneigung an, und ich lächle. Aber er leckt auch die Hausecke, jenen besonders intensiv riechenden Flecken Gras und – seufz – das Hinterteil der Katze.

So viel Nase! Aber bei Hunden ist, genau wie bei vielen anderen Säugetieren auch, das olfaktorische System größer als nur die Nase. Hunde haben eine Art „zweite Nase“ direkt unter dem Knochen, der die beiden Nasenlöcher voneinander trennt und der über dem Gaumendach liegt. Zwei Knorpelschnecken beherbergen das, was man als vomeronasales Organ bezeichnet (von Wissenschaftlern, die sich vier Silben sparen wollten, kurz angebunden VNO genannt) und das ebenso sehr zum Riechen beiträgt wie die Nase selbst. Der Namensbestandteil vomer beschreibt die Form des Organs: Es ist wie eine Pflugschar, lateinisch vomer, geformt. Unter der Nase versteckt, kann das Organ durch einfaches Schnüffeln nicht erreicht werden, sondern die Gerüche müssen erst in der Schleimhaut gelöst und dann aufgesaugt werden. Dieser Pumpmechanismus entsteht entweder durch direkte Berührung des Geruchsmoleküls oder durch das Ziehen eines absolut albern aussehenden Gesichts, das man als Flehmen bezeichnet. Sollten Sie einmal ein Pferd dabei beobachten, wie es seine Oberlippe hochzieht und mit in sich gekehrtem Blick leicht zu erzittern scheint, dann sind Sie gerade Zeuge eines klassischen Flehmens: Der Geruch wird zurück zum Nasengewebe gesogen, um dort absorbiert zu werden. Das Schwein öffnet zum Flehmen sein Maul sperrangelweit, während die Katze es nur ein kleines bisschen öffnet und dabei irgendwie beunruhigend verwirrt aussieht. Bei der Schlange schnellt die gegabelte Zunge hervor, um Gerüche einzufangen und beidseits an das VMO zu senden.

Die meisten Hunde zeigen kein klassisches Flehmen mit Hochziehen der Lippe, sondern haben ihre eigenen Methoden. Manchmal kräuselt ein Hund, nachdem er an etwas geschnüffelt hat, seine Nase und klappert mit den Zähnen – das ist die hündische Version des Flehmens. Oder noch besser – sie lecken. Die extravagante, lange Hundezunge eignet sich prima, um auch die letzten Reste aus dem Erdnussbutter-Glas zu lecken und Ihnen nach dem Laufen den Schweiß von den Beinen zu lecken, ja, aber sie ist auch der perfekte Mechanismus, um Gerüche zwecks näherer Untersuchung zum VNO zu transportieren. Boden lecken, Nase lecken, riechen.

Das VNO ermöglicht es dem Hund, diejenigen Arten von Molekülen zu entschlüsseln, die auf dem normalen Geruchsweg oft nicht erkannt werden können, so zum Beispiel Pheromone. Ein Pheromon ist ursprünglich definiert als Signal, das zwischen den Mitgliedern zweier Spezies gesendet wird und das den Empfänger dieses Signals dazu bringt, sich auf eine ganz bestimmte Art zu verhalten oder zu entwickeln. So bringt das von einem Eber produzierte Androstenon zum Beispiel eine Sau dazu, mehr oder weniger roboterhaft eine Paarungshaltung einzunehmen oder das von einem weiblichen Seidenspinner produzierte Bombykol heftet sich an die Fühler des männlichen Seidenspinners und bringt diesen dazu, nach ihr zu suchen. Pheromone werden von einer unglaublichen Vielfalt von Organismen benutzt, von Hummern über Kaninchen und Ameisen bis hin zu Bakterien.

Was diese Pheromone für das VNO entschlüsselbar macht, ist, dass sie typische wasserlösliche, nicht-flüchtige Stoffe mit geringer Molekülmasse sind. Das gilt auch für viele andere Moleküle wie etwa Hormone oder „gemischte Signaturstoffe“, die Informationen zur Identität eines Lebewesens oder zur Familie beziehungsweise zum Rudel enthalten, zu dem es gehört. Die VNO-Rezeptoren sind im Gegensatz zu den eher allgemeineren Geruchsrezeptoren in der Nase darauf eingestellt, sehr spezifisch und sehr empfindlich zu reagieren. Der Nase-Hinterteil-Nase-Schnüffeltanz zwischen Ihrem und einem anderen Hund ist eine chemische Unterhaltung der beiden über ihr Geschlecht, ihre Paarungswilligkeit, ihre Gesundheit und auch darüber, wer jeder von ihnen eigentlich ist. Diese Informationen sind in Urin und Speichel jedes Lebewesens enthalten.

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