Читать книгу Hund-Nase-Mensch - Alexandra Horowitz - Страница 19
ОглавлениеUpton ist immer auf Sendung, was Geruch betrifft. Minutenlang steht er im leichten Wind und schnüffelt mit stolz erhobenem Kopf; sein Blick wirkt weit weg und seine Lefzen blähen sich bei jedem Ausatmen leicht auf. Ich meine fast zu sehen, wie seine leicht mit Schleim befeuchtete Nase die Geruchsworte von weit entfernten Rufern einfängt.
Um zu verstehen, wie der Hund tun kann, was er tut, müssen Sie seiner Nase folgen. Was ein Hund erlebt, wird daraus geformt, was er riecht: Wir sehen Bilder in unserem Kopf, er dagegen fängt Gerüche ein; wir sprechen in Worten, er dagegen kommuniziert mit Düften.
Haben Sie schon eine Erkundungstour durch die Hundenase unternommen? Sind Sie auf einem Korkenzieherwirbel aus Luft in die dunkle Höhle hineingeritten, gegen deren Windungen geprallt und haben schließlich einen Luftstrom erwischt, der Sie nach oben in die Kammer trug, wo sich ein Molekül im Feuchtgebiet niederließ und die zum Gehirn führenden Nerven zu kitzeln begann?
Ich habe es getan – jedenfalls bin ich der Sache für meinen Geschmack ziemlich nahe gekommen. Ich habe mich in einer Simulation aus der Perspektive eines eingeatmeten Geruchsmoleküls in die Nase hinein begeben. Dieses unwahrscheinliche Video entstand unter Zuhilfenahme von Luftströmungsmodellen, die Dr. Brent Craven im Rahmen computergesteuerter Flüssigkeitsdynamik entwickelt hat. Craven hat sich bisher nicht mit dem Geruchssinn von Hunden als solchem befasst. Seine wissenschaftliche Arbeit dazu, wie Flüssigkeiten und Luft sich bewegen, ist eher Grundlagenforschung, die darauf zielt, zu verstehen, wie biologische Systeme funktionieren. Bei ihrer Anwendung (und bei der Vergabe von Forschungsgeldern) geht es häufig darum, besondere gute Nasen ingenieurtechnisch nachzuahmen und Luftstrommodelle zur Schaffung künstlicher Nasen zum Beispiel für Militärzwecke zu nutzen.
Den Nasengang, den Craven und sein Team nachgebildet haben, gehört eigentlich zu einem Grauhörnchen, das nach seinen Worten ein absolut guter, aber „viel leichter nachzubauender“ Schnüffler ist. Er wurde im Video mit MRT-Aufnahmen des komplexeren Naseninneren eines Hundes hinterlegt, sodass man beim Anschauen eine Ahnung davon bekommt, wie die holprige, tumultartige und komplexe Reise sich aus der Perspektive eines eingeatmeten Duftmoleküls wohl anfühlen mag.
Sie reiten also auf einem Geruchsmolekül. Auf einer Mini-Seifenblase, die mit Leichtigkeit selbst auf der sanftesten Brise noch klein, leicht und flüchtig schwebt und segelt. Sie befinden sich in der Nähe einer Hundenase und plötzlich, ganz abrupt, noch viel dichter. Die Nasenöffnungen weiten und nähern sich. Die Luftblase wird eingesaugt. Das Tempo, das sie nun draufhat, ist atemberaubend. Nach dem Modell des Eingangsbereichs der Nasenhöhle eines langschnäuzigen Tieres könnte man die spektakulärsten Achterbahnen überhaupt bauen: Nach einem schnellen Aufstieg, der sich mit dem Steilerwerden der Bahn etwas verlangsamt, eröffnet die Ankunft oben auf dem Gipfel dem Geruchsmolekül einen Ausblick, der das Herz stillstehen lässt: Nichts als Nichts voraus. Es folgt ein Sturzfahrt in die Tiefe, hier und da um enge Kurven, manchmal eine Sekunde lang etwas langsamer, dann wieder Tempo aufnehmend. Immer neue Vorsprünge treten aus den Seitenwänden hervor, auf die das Geruchsmolekül zurast und die Sie dazu zwingen, sich zur Seite zu ducken, sich den Kopf an der Decke zu stoßen und schließlich mit dem Gefühl eines hochgehobenen Magens wieder nach unten zu fallen. Es gibt gewundene Kurven und gefährliche Kanten, und die ganze Zeit werden Sie von einer der Schwerkraft trotzenden Kraft immer tiefer hinein getrieben. Eine Zehntelsekunde später (in der Simulation zweihundertfach verlangsamt) werden Sie letztlich auf einer feuchten Wiese abgesetzt, wo Gräser wie aufrechte Soldaten stehen und Ihre Ankunft erwarten.
Und das alles, noch bevor Sie das Gehirn erreichen.