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Wer gräbt schon nachts in seinem Garten Reiner Frank Hornig

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Hätte ich vorauszuahnen vermocht, was so alles dazwischen kommen kann, während man den Liebhaber seiner Ehefrau nachts im Garten vergräbt, dann hätte ich mir doch lieber die Mühe gemacht, den Verblichenen im Kofferraum meines Wagens zum Fluss hinunterzuschaffen.

So aber hatte ich mir gedacht, dass der naheliegendste Platz gleich auch die naheliegendste Lösung sei. Und hier wiederum schien mir, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen, eine Grube tief unter unserem Komposthaufen der richtige Ort, um die Leiche für immer verschwinden zu lassen.

Der Schweiß brach mir aus, während ich schaufelte, denn die Sache ließ mich trotz allem nicht kalt.

Und von Zeit zu Zeit musste ich eine Verschnaufpause einlegen, um mir das Wasser von der Stirn zu wischen.

Es war gut, dass ich für diese nächtliche Arbeit die Kleidung gewechselt hatte, und meine alten Gartenstiefel trieben den Spaten doch mit mehr Wucht in den Boden als meine Halbschuhe.

Merkwürdig, ich musste beim Graben daran denken, wie friedlich es in unserem Garten immer gewesen war wie ein kleines Paradies, mit Singvögeln, Eichhörnchen, Mäusen und Schwärmen von Insekten, ja, bis eben dieser Schuft in mein Revier eindrang, das Paradies zerstörte und die Unerfahrenheit meiner armen Annie ebenso schamlos ausgenutzt hat wie meine häufige Abwesenheit als Handelsvertreter. Ingrimmig stieß ich den Spaten erneut in die Erde.

Wenn dieser Ehebrecher, dessen Namen ich nicht einmal wusste, endlich tief und für immer unter der Erde liegen würde, dann war alles gut und hatte endlich seine Ordnung wieder zurückgefunden.

Gleich morgen, so sagte ich mir, werde ich mir einen anderen Job suchen, eine Arbeit, wo ich abends und an den Wochenenden zu Hause sein kann, eine Tätigkeit, wo ich und die arme reizende Annie wieder mehr Zeit füreinander haben werden. Dies schwor ich mir bei meiner Liebe zu ihr und den achtzig Zentimetern, die ich schon gegraben hatte.

Zufrieden trieb ich den Spaten immer tiefer und tiefer..

„Sie haben ihn also umgebracht, Mr. Hornig!“ sagte da plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich fuhr zusammen, von einem riesigen Schreck eiskalt gepackt. Der Spaten polterte dumpf in die dunkle Grube hinab, und mir war, als wollte mein Herz zu schlagen aufhören. Endlich hatte ich mich gefasst und drehte mich in der Grube herum.

„Sie haben ihn also umgebracht!“ wiederholte sie. „Und jetzt wollen Sie ihn auch noch vor der Polizei verbergen.“

Die dürre Gestalt meiner Nachbarin trat jetzt ganz aus der Zypressen-Hecke und ließ die Zweige wieder hinter sich zusammenschlagen. Böse funkelte das Mondlicht in ihren Brillengläsern.“Miss Mackleworth!“ entfuhr es mir, als ich sie erkannte. „Was machen Sie denn um diese nächtliche Zeit in meinem Garten?“

„Bestimmt komme ich nicht, um mit Ihnen über harmlose Nichtigkeiten zu plaudern“ zischelte sie aus ihrem zahnlosen Mund. Bestimmt hatte sie ihre Beißerchen in der Aufregung oben im Wasserglas ihres Nachttischchens liegen lassen. Ohne näherzutreten und damit leichtfertig ihren Sicherheitsabstand aufzugeben, blickte sie triumphierend auf mein nächtliches Werk. „Ich wusste es, Mr. Hornig, eines Tages würden Sie es tun – Sie Mörder!“ Voller Abscheu spie sie das letzte Wort regelrecht aus. „Der arme Mr. Gordon!“

So, Gordon hieß er also, dieser Ehebrecher. Jetzt kannte ich wenigstens seinen Namen. Aber einen Grabstein samt Inschrift bekam er von mir deshalb noch lange nicht.

„Wo Ihre Frau ihn doch so mochte“, fuhr sie unbeirrt fort. „Und wo er doch immer nur in Ihr Haus kam, wenn Annie allein war und Sie wieder einmal unterwegs gewesen sind.“

Das schlug dem Fass doch den Boden aus! Die alte Vogelscheuche hatte von dem niederträchtigen Verhältnis gewusst und es stillschweigend gutgeheißen.

Einen Moment lang beschäftigte mich die Frage, wie unbeliebt ich hier eigentlich sein mochte, wo man mich doch nur selten zu Gesicht bekam. Ich musterte die alte Dame finster. Miss Mackleworth zog fröstelnd ihr Nachthemd fester um den ausgedörrten Leib.

„Diesen Streuner wird sicherlich niemand vermissen, Miss Mackleworth. Und Leute, die ihm nachtrauern und sich mit ihm solidarisch erklären, könnte leicht ein ähnliches Schicksal treffen – was meinen Sie?“ Ich sah die alte Lady lauernd an.

Doch entweder hielt sie von meiner Drohung nichts, oder sie war schon dermaßen verkalkt, dass sie sie gar nicht verstand.

„Mr. Gordon war in der ganzen Straße beliebt“, spann sie ihren Faden fort. „Und er war alles andere als ein Streuner oder was immer Sie von ihm denken mochten, Mr. Hornig. Er war sauber, gepflegt und führte ein geregeltes Leben.“

Geregelt nannte sie das, meiner armen Annie den Kopf zu verdrehen!° Was sollte ich bloß mit der hartnäckigen Alten machen? Wie konnte ich das Problem nur lösen? Vielleicht hatte sie schon zu viel gesehen, vielleicht konnte ich die Geschichte aber auch noch hinbiegen.

„Sie müssen mir glauben, Miss Mackleworth“, beschwor ich sie deshalb, „es war ein Unfall! Niemand wollte Mr. Gordon etwas antun. Es war lediglich eine Verkettung unglücklicher Umstände. Ich war früher als beabsichtigt nachhause gekommen.“ Weil ich seit einiger Zeit einen gewissen Verdacht hegte! „Meine liebe Annie hatte sich schon schlafen gelegt.“ Weil ich ihr nämlich ein kleines Schlafpülverchen in den Abendtrunk gemixt hatte! „Plötzlich hörte ich ein Geräusch vor dem Haus. Ich muss die Haustür wohl etwas zu heftig aufgestoßen haben, und da…“

Ach, sollte die Alte doch glauben, was sie wollte. Und man sah ihr an, dass sie meine Geschichte nicht glaubte. Ich setzte eine mitleiderregende Miene und fügte ganz unschuldsvoll hinzu: „Sie haben doch nicht etwa vor, die Sache der Polizei zu melden, Miss Mackleworth?“

Sie blickte grimmig drein und nickte mehrmals mit ihren dünnen Vogelkopf. „Und ob ich das tun werde, Sie haben ihn ja auf dem Gewissen. Eine Anzeige ist da nur recht und billig!“

Anzeige sagte sie, und lebenslänglich hörte ich heraus. Und auch sonst schien es bei uns mit der Kommunikation nicht so recht zu klappen. Meine Stirn war jetzt ebenso trocken wie meine Kehle. Und eiskalt noch dazu.

Irgendwas musste jetzt geschehen. Und ich wusste mit einem Male auch, was. Ich griff zu meinem Spaten und stieg ganz langsam aus der Grube…

Ich war gerade dabei, den Komposthaufen wieder über dem zugeschaufelten Doppelgrab aufzuschichten, in dem nun der Vorstadtcasanova neben der allzu neugierigen Lady seine letzte Ruhe gefunden hatte, als ich plötzlich ein Geräusch, so etwas wie ein Husten oder Krächzen hörte. Erschrocken fuhr ich herum und glaubte fast, dass mich der Schlag rühren müsste, denn: In ihr weißes Nachthemd gehüllt, mit Haarnetz und funkelnder Nickelbrille, stand die soeben beerdigte Miss Mackleworth erneut zwischen den Zypressensträuchern.

„Aber… Sie sind doch… ich habe Sie doch eben...Miss Mackleworth?!“ stammelte ich heiser und fühlte mich von Grauen und Wahnsinn gleichermaßen gepackt.

„Mrs. Walter, bitte!“ belehrte mich die geisterhafte Erscheinung kühl. „Ich bin Emilys… Miss Mackleworths Schwester!“

Mir war in der Aufregung ganz entfallen, dass Miss Mackleworth nebenan ja nicht alleine wohnte. Kraftlos fiel mir der Spaten aus der Hand. Noch eine?! Nein, das ging über meine Kräfte. Das war ja eine eben so fatale wie verworrene Situation. Mir wollte im Moment nichts einfallen, deshalb fragte ich sie fast automatisch: „Was… was treiben Sie denn um diese Zeit in meinem Garten?“

„Der Sergeant von der Polizeistation sagte, ich sollte Sie so lange beobachten, bis eine Streife hier eingetroffen sei… und das tat ich dann auch…“

„Ihre Schwester… dann haben Sie also gesehen, wie…“

Sie schien meine Bemerkung gar nicht wahrgenommen zu haben, denn sie fuhr fort: „Emily ging von uns beiden zuerst los, um Mr. Gordon zu suchen, der sonst immer spätestens um Mitternacht zurückkommt, weil er dann durstig ist und noch einmal seine Milch bekommt. Ich weiß nicht, wo Emily sich jetzt befindet, aber sie wird sicherlich wieder auftauchen. Mr. Gordon allerdings wird nicht mehr zurückkommen, denn Sie Scheusal von einem Nachbarn haben das arme Tier umgebracht und genau hier im Garten vergraben.“

„Mr. Gordon ist – Ihr Kater?“ Mir klappte der Unterkiefer herunter. Mir wurde schwindlig, und das das Blut sauste in meinen Ohren.

„Ganz recht, Mr. Hornig!“ hörte ich wie durch Watte.

„Mr. Gordon ist unser Kater. Die ganze Freude unseres Alters. Aber ich wusste schon immer, dass Sie ihn nicht leiden konnten!“

„Und Sie meinen, die Polizei wird hier graben, weil sie unter dem Komposthaufen Ihre Katze vermutet? - Aber hier liegt keine tote Katze, Mrs. Walter!“ schrie ich plötzlich laut durch die stille Nacht.

„Das wird sich ja zeigen“, meinte sie ungerührt. „Um so besser für Sie, wenn da keine liegt.“

Sie musste es ja wissen. In der Ferne heulte eine Polizeisirene. Mir war plötzlich hundeelend zumute.

„Diesmal sind Sie zu weit gegangen, Mr. Hornig, auch wenn es nur eine Katze war. Töten ist strafbar, und sie war unser Eigentum. Die Polizei wird sie als Beweisstück benötigen. Lassen Sie also den Spaten besser gleich hier…“

ENDE

Kurze Morde, kurzer Prozess: Krimisammlung

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