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Eddies Flucht von Alfred Bekker

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Schon als Eddie Kostner die Bank betrat, hatte er ein schlechtes Gefühl. Es war sein erster Coup und er war alles andere als ein erfahrener Profi. Einen breiten Schal hatte er um den Mund gelegt, eine Mütze tief ins Gesicht gezo-gen. Jetzt oder nie! dachte er, als er vor der Frau am Schalter stand und den Revolver herausriß. "Überfall! Keine falsche Bewegung!" Aber sie machte eine falsche Bewegung und betätigte den Alarmknopf. Die anderen Kunden wollten sich indessen aus dem Staub machen, irgendjemand kreischte hysterisch. Eddie schoß in die Luft und alles erstarrte. Die Frau hinterm Schalter zitterte und Eddie wünschte sie zum Teufel. Aber der Alarmknopf war nun mal gedrückt worden und nichts konnte das mehr rückgängig machen. Auch eine Revolverkugel nicht. Eine Sekunde überlegte Eddie. Sollte er zu fliehen versuchen, solange die Polizei noch nicht angerückt war? Viel Zeit hatte er nicht, daß konnte er sich an zwei Fingern abzählen. Nein, dachte er. Jetzt bin ich so weit gegangen, jetzt werde ich die Sache auch durchziehen! Er warf der Frau hinterm Schalter eine Tasche zu. "Einpacken!" befahl Eddie fast tonlos. Die Frau hielt die Tasche in den Händen und stand wie erstarrt da. Eddie feuerte einmal über ihren Kopf hinweg und dann endlich bewegte sie sich, ging dorthin, wo die Bündel von Geldscheinen lagen und packte sie mit provozierender Langsamkeit in die Tasche.

"Schneller!" zischte Eddie. Ein Bündel nach dem anderen wanderte hinein. Und dann hörte Eddie auf einmal die Polizeisirenen. "Geben Sie her!" fauchte er die Frau am Schalter an und sie reichte ihm zitternd die Tasche. Er riß sie ihr aus der Hand, feuerte nocheinmal in die Luft und stürmte dann zur Tür. Eddie rannte nach draußen und sah die Polizeiwagen, aus denen schwerbewaffnete Beamte sprangen. Passanten blieben neugierig stehen, andere wiederum sahen zu, daß sie davonkamen. Eddie zögerte nicht einen Augenblick. Noch bevor ihn irgendein Megafon dazu aufgefordert hätte, sich zu ergeben, feuerte er wild drauflos. Und gleichzeitig bog er zur Seite und rannte so schnell er konnte.

Eddie feuerte wild umher und rannte, aber inzwischen schoß die Polizei zurück.

Im nächsten Moment spürte er einen Schmerz in der linken Seite. Eddie keuchte.

Er taumelte, konnte sich aber doch noch auf den Beinen halten. Er feuerte sei-nen Revolver nocheinmal in Richtung der Polizisten ab und stolperte dann in eine schmale Seitengasse. Das ist das Ende! schoß es ihm durch den Kopf. Die Gasse war wie eine Mausefalle und er war prompt hineingetappt. Er blickte sich um. Noch waren sie nicht um die Ecke gekommen. Wenn er Pech hatte, waren einige von ihnen um den Häuserblock gelaufen. Dann würden sie von beiden Seiten kommen... Eddie stand einen elendig langen Augenblick wie angewurzelt da, fühlte den Schmerz in seiner Seite und schluckte. Noch bevor die ersten Polizisten in die Gasse stürmten, hatte er sich dann in einen Hauseingang geflüchtet. Er preßte die Hand mit der Geldtasche gegen die Wunde, aber so ging es nicht weiter. Dann hob er den Blick und sah ein Schild, daß ihm wie ein Tor zur Rettung schien: DR. RONALD LANSKY, PRAKTISCHER ARZT. Mein Gott! dachte Eddie. Den schickt der Himmel!

*

Der Mann, der Eddie öffnete war hochgewachsen und hager. Eddie hielt ihm die Waffe unter die Nase und der Mann wich zurück. "Dr.Lansky?" "Ja, der bin ich, aber die Praxis..." "Gehen wir rein!" Eddie schloß die Tür hinter sich und at-mete tief durch. Draußen hörte er Geräusche und Stimmen. Eddie hatte es gerade noch einmal geschafft. Dr. Lansky blickte an ihm hinab und sah das Blut an der Seite. "Sie sind verletzt!" Eddie nickte. "Und Sie werden mir helfen!" "Meine Praxis ist geschlossen!" Eddie hielt seine Waffe höher, so daß Dr. Lansky di-rekt in die Mündung blickte. "Dann werden Sie sie jetzt für mich öffnen", zischte er. "Sie verstehen mich falsch", erwiderte Lansky ruhig. "Ich war gez-wungen, die Praxis aufzugeben. Das meiste Inventar ist schon weg. Ich war nur hier, um noch ein paar Sachen zusammenzusuchen." "Die Schußwunde werden Sie mir noch behandeln können!" "Ich habe so gut wie nichts mehr an Medikamentem hier. Wohl ein chirurgisches Besteck, aber so etwas ohne Betäubung zu machen..." Dr. Lansky schüttelte den Kopf. "Sie werden schreien, daß man Sie bis ins Polizeipräsidium hört!" In diesem Moment klingelte es an der Tür. Eddie erstarrte und warf Lansky einen nervösen Blick zu. "Wer kann das sein?" "Keine Ahnung ich erwarte niemanden." "Ich werde mich da drüben in der Ecke postie-ren. Da habe ich Sie die ganze Zeit über im Visier, Doktor! Wenn Sie auch nur ein falsches Wort sagen, sind sie tot, bevor Sie es zu Ende ausgesprochen haben." Lansky nickte. Es klingelte zum zweiten Mal. "Keine Sorge", meinte er.

"Ich bin kein Selbstmörder." Der Arzt öffnete, während Eddie die Pistole auf ihn gerichtet hielt. Draußen stand ein uniformierter Polizist. "Guten Tag. Sie sind Dr. Lansky?" "Ja." "Die Bank gleich um die Ecke ist überfallen worden und der Gangster muß sich hier irgendwo verkrochen haben." "Ach!" machte Dr. Lansky. "Er könnte verletzt sein und sich deshalb an einen Arzt wenden." Dr.

Lansky schüttelte entschieden den Kopf. "Bei mir ist er nicht aufgetaucht.

Aber ich werde die Augen aufhalten." "Tun Sie das, Dr. Lansky!" Dann war der Beamte wieder weg und Lansky schloß die Tür.

*

Eddie lag auf dem Behandlungstisch und schrie laut auf, als Lansky die Wunde untersuchte. "Das sieht böse aus", meinte der Arzt. "Ich werde meine Frau an-rufen. Sie kann einige Medikamente besorgen und mir assistieren." "Kommt nicht in Frage!"' Lansky zuckte die Schultern. "Es ist Ihr Leben, daß Sie riskie-ren!" Eddie überlegte kurz und meinte dann:"Na, gut." Lansky rief an. "Sie kommt gleich", meinte er dann. "Warum ist ihre Praxis eigentlich nicht mehr in Betrieb?" fragte Eddie. "Sieht doch alles ganz passabel hier aus. Gute Lage.

Ich verstehe das nicht." "Ich habe mich mit einigen Anlagegeschäften verspeku-liert", erklärte der Arzt kleinlaut. "Ich konnte meine Schulden nicht mehr be-dienen und wenn ich bis übermorgen nicht dreißigtausend aus dem Nichts hole, dann bin ich pleite." "Dreißigtausend? Sie bekommen das Geld von mir." Eddie deutete auf die Tasche mit der Beute. "Soviel ist da drin?" "Da ist noch viel mehr drin!" erwiderte Eddie. "Warum machen Sie das?" Eddie lächelte. "Weil Sie dann mein Komplize werden und nicht mehr zur Polizei gehen können. Und für mich bleibt immer noch genug." "Gut. Geben Sie mir das Geld!" "Erst die Ar-beit! Wenn Sie mich zusammengeflickt haben, bekommen Sie es." Lansky nickte zögernd. "Okay."

Eine halbe Stunde später kam Lanskys Frau. Der Arzt gab ihr ein paar Anweisungen, woraufhin sie eine Spritze aufzog. "Heh, unterhalten Sie sich gefälligst nicht in so einem Kauderwelsch!" schimpfte Eddie. "Medikamente haben nuneinmal meistens lateinische Namen", gab Lansky ruhig zurück. "Was ist in der Spritze?" "Wir werden Ihnen eine lokale Betäubung geben. Sonst halten Sie das nicht aus!" "Wenn Sie mich zu überlisten versuchen und ich in die Hände der Polizei gerate, werde ich behaupten, sie wären mein Auftraggeber gewesen." "Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen." Lansky nahm die Spritze und setzte sie an.

Vor Eddies Augen begann sich alles zu drehen. Er versuchte noch, seine Pistole zu heben, aber bevor er irgend etwas damit anstellen konnte, sank er schlaff in sich zusammen. "Das wäre geschafft", meinte Lansky und griff zum Telefon, um die Polizei zu verständigen. "Sie können sich ruhig Zeit lassen", meinte er zu dem Beamten, den er am Apparat hatte. "Der Kerl wird noch eine ganze Weile schlafen." "Was ist mit der Beute?" fragte der Beamte. "Ich weiß nicht", erwiderte Lansky mit Blick auf Eddies Tasche. "Außer seiner Pistole hatte er nichts bei sich. Er wird das Geld wohl versteckt haben, bevor er mich aufsuch-te, um sich seine Schußwunde behandeln zu lassen." "Ja, so wird sein. Trotz-dem, Sie sind ein großes Risiko eingegangen!" "Nicht der Rede wert!" Nachdem Lansky aufgelegt hatte, nahm er die Tasche und hielt sie seiner Frau entgegen.

"Unsere finanziellen Schwierigkeiten sind gelöst!" lachte er, öffnete den Verschluß und griff hinein. Er zog ein Bündel Geldscheine heraus und erschrak.

Die Scheine und sein Unterarm waren hellrot. "Nein!" murmelte Lansky blaß vor Entsetzen. Einem der Bankangestellten mußte es gelungen sein, beim Einpacken der Beute eine Farbgranate hineinzuschmuggeln. Die Farbe war nicht abzuwa-schen. Auch nicht von Lanskys Haut.

Kurze Morde, kurzer Prozess: Krimisammlung

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