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Wie ein Ei dem anderen Alfred Bekker
ОглавлениеKurz-Krimi
Thomas Deming hatte eine Unmenge von Skulpturen und Gemälden geschaffen, von denen er in letzter Zeit auch einiges hatte verkaufen können.
Er war ein Künstler, aber es würde keine neuen Werke von seiner Hand mehr geben, denn jetzt lag er mit einer Kugel im Kopf ausgestreckt auf dem Teppichboden seines Apartments.
Inzwischen war der Raum voll von Kriminalbeamten, die alles nach Spuren absuchten.
"Wer hat uns gerufen? Waren Sie das?" Kommissar Gores wandte sich an einen Mann, der mit dem Toten eine verblüffende Ähnlichkeit hatte.
"Ja."
"Wer sind Sie?"
"Mein Name ist Felix Deming."
"Sind Sie ein Bruder des Toten?"
"Ja, sein Zwillingsbruder."
Gores nickte. "Ja, das ist unverkennbar. Aber ich nehme nicht an, daß Sie auch Maler sind, so wie Ihr Bruder..."
"Ich habe eine kleine Werbeagentur. Wenn Sie also so wollen, dann habe ich auch etwas mit Bildern zu tun.
Allerdings auf etwas andere Weise, als das bei meinem Bruder der Fall gewesen ist."
"Hm...", machte Gores. "Ich will Sie jetzt nicht unnötig lange belästigen, schließlich ist die Sache so schon schwer genug für Sie... Nur eine Frage: Gibt es noch irgendwelche Angehörigen?"
"Nein, keine."
"Und Freunde, Bekannte?"
"Das weiß ich nicht. Er hat eine Zeitlang mit einer Frau zusammengelebt, aber ich glaube, daß ist irgendwie auseinandergegangen... Ich kann Ihnen die Adresse aufschreiben, wenn Sie wollen..."
"Gut, tun Sie das, Herr Deming. Wenn Sie so gut sein würden und in den nächsten Tagen zu uns aufs Revier kommen, damit wir ihre Aussage zu Protokoll nehmen können, ja?"
"Selbstverständlich."
"Gut."
"Können Sie schon etwas sagen, was passiert ist?"
"Tja, es sieht nach Selbstmord aus, Herr Deming. Hier, wir haben einen Abschiedsbrief gefunden. Schauen Sie mal, ist das die Schrift Ihres Bruders?"
"Ich weiß nicht genau, aber... Doch, ich denke schon!"
"Naja, wir werden das noch genau überprüfen."
*
Einen Tag später kam Deming zu Gores auf das Polizeirevier und machte seine Aussage. Deming dachte, die Angelegenheit sei für ihn damit mehr oder weniger erledigt. Doch da sollte er sich getäuscht haben.
Es dauerte fast eine Wochen, bis Kommissar Gores wieder bei ihm auftauchte.
"Ah, Sie sind es, Kommissar. Haben Sie Ihre Ermittlungen abgeschlossen?"
"Ja, annähernd."
Deming führte den Kriminalbeamten in sein Wohnzimmer und fragte sich insgeheim, was dieser wohl noch von ihm wollte.
Der Fall lag doch klar auf der Hand.
Sie setzten sich.
Deming machte eine hilflose Geste.
"Ich verstehe nicht, wie mein Bruder sich umbringen konnte.
Gerade jetzt, wo er den künsterischen Durchbruch endlich geschafft hatte und er mit seinen Bildern Geld machen konnte.
Es lief in letzter Zeit doch alles so hervorragend für ihn...
In der Kunstszene war er bereits soetwas wie ein Star während ihm noch vor ein paar Jahren mniemand seine Sachen abnehmen wollte."
"Es war kein Selbstmord!" erklärte Gores sachlich.
"Aber... Sie haben mir doch den Abschiedsbrief gezeigt!"
"Richtig. Und das Merkwürdige ist, daß er auch von Ihrem Bruder geschrieben wurde!"
"Na, also!"
"Aber ebenso fest steht auch, daß er aus mehreren Metern Entfernung erschossen wurde! An der Wunde waren keinerlei Pulverspuren. Ihr Bruder müßte schon sehr lange Arme gehabt haben, wenn wir dabei bleiben wollten, daß er sich die Waffe selbst an den Kopf gesetzt hat..."
Deming zuckte mit den Schultern.
"Das hieße...Mord! Es fällt mir schwer, das zu glauben!"
"Sagen Sie, Sie sind doch der Erbe Ihres Bruders, nicht wahr? Ich meine, als einziger Angehöriger... "
"Ja, das stimmt."
"Das bedeutet, daß Sie ein reicher Mann sein werden, Herr Deming. Die Bilder Ihres Bruders werden im Wert um ein Vielfaches steigen. Das ist meistens so, wenn ein Künstler stirbt..."
Deming nickte.
"Ja, das ist wahr! Sie sind bereits gestiegen." Er zuckte mit den Schultern. "So ist das leider: Die Künstler kommen meistens erst in den vollen Genuß ihres Ruhmes, wenn Sie bereits tot sind..."
"Thomas Deming hatte hohe Schulden, nicht wahr? Trotz der Tatsache, daß er seine Bilder in letzter Zeit einigermaßen verkaufen konnte."
"Ja, das ist leider richtig. Er konnte nicht mit Geld umgehen..."
"Aber Sie können das, ja?"
Da war ein Unterton in der Stimme des Kommissars, der Deming nicht gefiel.
"Wie war übrigens Ihr Verhältnis zu Ihrem Bruder, Herr Deming?"
"Nun, wir hatten nicht viel miteinander zu tun..."
"Sie und Ihr Bruder sind eineiige Zwillinge, nicht war?"
"Ja, das ist richtig."
"Das heißt, Sie beide gleichen sich, gewissermaßen wie ein Ei dem anderen."
"Worauf wollen Sie hinaus, Kommissar?"
Gores holte zwei Papierbögen hervor.
"Sehen Sie sich dies an, Herr Deming: Das eine ist Ihre Aussage, die Sie bei uns auf dem Präsidium gemacht haben, das andere eine Kopie des Abschiedsbriefes von Thomas Deming."
Felix Deming sah auf die Papiere und zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe nicht!"
"Sehen Sie sich die Unterschrift an! Richten Sie Ihr Augenmerk auf den Nachnamen: Deming. Die Unterschriften gleichen sich ebenfalls wie ein Ei dem anderen!
Bei Zwillingen ist vieles gleich, aber ich habe noch nicht gehört, daß das auch für die Handschrift gilt."
Deming schluckte und Gores fuhr fort: "Sie sind Thomas Deming, der Künstler, nicht wahr? Sie haben Ihren Bruder umgebracht, und versucht, seine Identität anzunehmen. Auf diese Weise wollten Sie durch die Wertsteigerung Ihrer Bilder ein Vermögen machen..."