Читать книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker - Страница 13
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Das Essen war hervorragend gewesen, die Unterhaltung unverbindlich und freundlich – für ein erstes Rendezvous hätte man von einem gelungenen Abend sprechen können. Aber natürlich hatten wir hier kein Rendezvous, und ich musste ganz schön aufpassen, dass Gordon McBride mir an Informationen nicht mehr entlockte, als ich zu geben bereit war.
Der angehende Wissenschaftler hatte das Pergament aufmerksam gemustert, seine Lippen bewegten sich dabei lautlos, und er schüttelte mehrmals den Kopf. Dann warf er einen Blick zurück in den Raum und schob mich aus der Tür.
„Der Professor hat noch viel zu tun, und sollte es ihm gelingen, diesen Schnipsel da auszuwerten, wäre das ein großer Fortschritt für die Wissenschaft“, erklärte er.
„Kann schon sein. Das ist trotzdem kein Grund andere Menschen wie – wie ein Ding, etwas Wertloses oder noch Schlimmeres zu behandeln. Ist der auch zu Ihnen immer so?“
Gordon grinste mich an. „Meistens. Aber man gewöhnt sich an alles. Und ich musste zugeben, bei keinem anderen Gelehrten kann man so viel an Wissen erfahren. Professor Hagen ist auf seine Weise ein Genie, und ich muss dankbar sein, dass ich bei ihm etwas lernen darf. Da nimmt man dann schon einiges hin.“
Er strahlte mich auch weiterhin an, und ich musste zugeben, dass ein heißes seltsames Gefühl in mir aufstieg. Bisher hatte mich noch kein Mann besonders interessiert. Die meisten waren mir einfach zu langweilig oder zu sehr auf sich selbst bezogen. Die wenigen, denen ich Freundschaft und Zuneigung entgegenbrachte, waren ältere Männer, so wie mein Vater oder auch mein Kollege Louis Johnson. Hier hatte ich nun auf einen Schlag gleich zwei Männer kennengelernt, die jeder auf seine Art bemerkenswert waren. Denn auch Professor Hagen war ein besonders interessantes Exemplar der Gattung Mann. Es war sicher nicht seine Grobheit, die mich beeindruckt hatte, eher schon die Selbstverständlichkeit, mit der er davon ausging, dass sich die ganze Welt nach seinen Launen richtete – denn diese Launen beruhten ja letztlich nur darauf, dass er ein Genie auf seinem Gebiet war und sich nicht dem normalen Standard unterwerfen musste.
Na egal, ich dachte auch nur am Rande daran, denn aller Voraussicht nach würde ich den Wissenschaftler nie wieder sehen. Es gefiel mir auch eigentlich besser, mit Gordon zu reden als mit dem alten Brummbär. Der junge Historiker verlor jedenfalls nicht viel Zeit.
„Wir können weiter hier im Flur stehenbleiben und die Sache zwischen Tür und Angel abhaken – wir könnten aber statt dessen auch zum Essen gehen und wie zivilisierte Menschen bei Kerzenschein und sanfter Musik darüber reden“, schlug er unverblümt vor.
„Würde es denn ein ganzes Abendessen dauern, den kurzen Text zu übersetzen?“, fragte ich ironisch.
McBride lachte, rieb sich über die Stirn und machte ein wichtiges Gesicht. „Mindestens. Ich denke, das wurde sogar noch eine weitere Verabredung rechtfertigen. Danach bräuchte ich dann sicher auch keinen Vorwand mehr.“
Das war dreist, aber auf eine liebenswerte Art. Warum also eigentlich nicht?
Ich sagte zu, und wir gingen zu Billys Taverne, wo nach Auskunft von Gordon McBride viele Wissenschaftler und Studenten zu finden waren, und wo vor allem die Preise nicht in den Himmel stiegen. Unsere Gespräche drehten sich zunächst um alles Mögliche, doch ich war natürlich viel zu neugierig, um noch länger zu warten. Außerdem stieg mir von irgendwo her wieder der Duft einer schwarzen Rose in die Nase. So ein Unsinn, hier gab es für die Geister doch nun wirklich keine Möglichkeit eine Rose abzulegen. Außerdem konnten sie Rosemont Hall nur unter Schwierigkeiten verlassen.
Ich sah noch einen Augenblick zu, wie Gordon seine Mahlzeit beendete, dann aber hatte ich genug von der unverbindlichen Höflichkeit.
„Mr. McBride, Sie nannten das Pergament, oder vielmehr das, was darauf geschrieben steht, ein dickes Ding. Wie soll ich das verstehen?“
Er schaute mich mit einem treuherzigen Augenaufschlag an. „Zurück zum Geschäft? Na gut. Ich habe es ja noch nicht komplett gelesen, doch es scheint, als handelt es sich hier um eine Art Lageplan. Könnte sich vielleicht eine Schatzkarte sein? Jedenfalls macht es auch den ersten Blick diesen Eindruck.“
Natürlich, dachte ich, nur ist der Schatz nicht unbedingt das, was Mr. McBride sich darunter vorstellte.
„Haben Sie ein Problem damit?“, fragte ich etwas spöttisch, und er hob fragend die Augenbrauen. „Weil dieser sogenannte Schatz nicht aus Geld oder Gold besteht, soviel kann ich Ihnen schon versichern. Daran hätte ich allerdings auch kein Interesse.“
„Ach, braucht nicht jedermann ein Vermögen?“
„Ich habe mein Auskommen, auch ohne, dass ich von meinem Vater mit dem ererbten Vermögen unterstützt werde. Mehr will ich nicht, schließlich kann man nicht mehr, als sich täglich satt essen und gute Kleidung tragen. Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
„Was wird das hier? Ein Verhör? Aber nun gut, ich habe kein Problem damit, und falls der Schatz aus einem Haufen Pferdemist bestehen würde, könnte es mir schließlich auch egal sein. Ich soll nur den Text übersetzen, alles andere geht mich nichts an.“
Ich war mir nicht ganz sicher, ob er die Wahrheit sprach, ich entschied mich jedoch dafür ihm zu vertrauen – in einem begrenzten Rahmen natürlich.
„Dieser Schatz besteht vorerst aus einem Buch, wenn ich richtig informiert bin. Was darin zu lesen ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau, aber ich musste davon ausgehen, dass es sich um das gleiche Kauderwelsch handelt wie hier auf dem Pergament. Deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich auf dieser – nun ja – Schatzsuche begleiten würden.“
Jetzt hatte ich seine volle Aufmerksamkeit, und ich sah für einen Moment ein gieriges Funkeln in seinen Augen, was aber sofort wieder verschwand, so dass ich glaubte, mich getäuscht zu haben.
„Ein Buch? Aus der gleichen Zeit wie das Pergament?“
Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Gut möglich, vielleicht auch noch älter“, gab ich zurück und sah es nun deutlich in seinen Augen funkeln.
„Würden Sie, quasi als Gegenleistung, mir das Buch dann für einige Zeit zur Forschung überlassen?“, fragte er rasch.
Naja, damit hatte ich gerechnet, auf der Welt gab es eben nichts umsonst.
„Ich bin dazu bereit, selbstverständlich. Wird Sie das gegenüber Professor Hagen in ein besseres Licht setzen?“
Er lachte auf, und ich fühlte mich zu ihm hingezogen. „Nur dann, wenn es sich um eine Sensation handelt und es mir gelingt, ihn davon fern zu halten. Sonst heißt es nur wieder, seinen Ruhm zu mehren.“
„Aber das wäre doch Diebstahl“, empörte ich mich.
„So läuft es nun einmal in dieser Welt, wenn man sich selbst noch keinen Namen gemacht hat. Das ergeht allen Leuten so. Der Vorteil liegt nun einmal darin, dass man zum Beispiel bei einer Bewerbung auf eine Zusammenarbeit und Ausbildung mit dem Professor verweisen kann. Das öffnet schon manche Tür.“
Ich nickte. „Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Mein Dozent an der Universität besaß ebenfalls einen guten Ruf. Als ich mich im Zoo beworben habe, erklärte mein Kollege gleich, er würde Doktor Stanton kennen, und damit hatte ich den Job sicher, obwohl der Direktor mich eigentlich nicht nehmen wollte. Er hielt mich für unfähig, weil ich aus adligem Hause stamme. So ein Unsinn. Allerdings hätte Stanton niemals Forschungen für sich reklamiert, die ein anderer gemacht hat. Nun, mittlerweile habe ich bewiesen, dass ich fachlich nicht zu beanstanden bin.“
Ich sah Gordon an, dass er mir gerne noch tausend Fragen gestellt hätte, aber das konnte warten, befand ich. Mit einem auffordernden Lächeln reichte ich ihm das Pergament.
„Sie sind ganz schön hartnäckig, Mylady.“ Er las in aller Ruhe und schaute mich fragend an.
„Gibt es bei Ihnen ein Turmzimmer?“
Ich schüttelte den Kopf. „Der Turm existiert schon seit zweihundertacht Jahren nicht mehr. Ist das wichtig?“
„Ja, schon, denn dort ist der Ausgangspunkt. Tut mir leid, dann wird es wohl nichts mit der Schatzsuche“, erklärte er bedauernd.
„Na, kann man nichts machen. Wäre ja auch zu schön gewesen“, meinte ich schulterzuckend und versuchte meine Enttäuschung zu verbergen. „Würden Sie mir trotzdem den Text komplett übersetzen?“
„Nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Gehen Sie mit mir aus, bitte?“
Warum eigentlich nicht? Er war doch ganz sympathisch. „Ja, gerne.“
Gordon McBride grinste zufrieden, nahm ein Blatt Papier aus dem Jackett und schrieb mir die Übersetzungen darauf.