Читать книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker - Страница 23

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„Ich bin entzückt Sie wiederzusehen, Lady Jessica, auch wenn die Umstände mir etwas ungewöhnlich erscheinen“, erklärte der Professor, kam auf mich zu und küsste mir die Hand, ohne meinen Aufzug mit einem weiteren Wort zu würdigen. „Ich bin in erster Linie hier, um mich für mein unmögliches Benehmen im Institut zu entschuldigen.“

Mein Vater runzelte die Stirn und schaute mich von oben bis unten an, bevor er schmunzelte. „Eigentlich hatte ich ja gedacht, die Zeiten wären vorbei, in denen du draußen im Park auf Entdeckungstour gehst. Aber offenbar hast du erneut Freude daran gefunden. Nun, wenn es dir Spaß macht, wird dich niemand daran hindern. Allerdings wäre ich dir dankbar, wenn du das nächstemal umgezogen hier zu mir kommst.“

Ich schüttelte wild den Kopf. „Ganz so ist es nicht, Dad, und ich würde gern dringend mit dir reden.“

„Ganz wie du willst, mein Kind. Wo hast du übrigens den jungen Mann gelassen? Er wird dir doch nicht verloren gegangen sein?“

„Willst du mich nicht verstehen?“, fragte ich traurig. „Professor Hagen, ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich diese sicherlich wichtige Besprechung stören musste. Wenn Sie gestatten, würde ich jedoch gern kurz allein mit meinem Vater reden.“

Er schaute mich prüfend an, streifte dabei das Buch mit einem interessierten Blick und schüttelte dann zu meiner Verwunderung den Kopf.

„Ich bin untröstlich, kann das aber nicht gestatten, denn ich fürchte, es geht auch mich etwas an, was Sie zu sagen haben. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass Ihre Geschichte etwas mit diesen Buch und mit Mr. McBride zu tun hat?“

Jetzt war ich verblüfft. „Eigentlich ja. Aber woher wissen Sie...?“

Er nahm mir vorsichtig das schwere Buch aus den Armen und legte es ehrfurchtsvoll auf einen Tisch. Ich hatte nichts dagegen, irgendwie wusste ich, dass er nicht wild darauf war, diesen Schatz in seinen Besitz zu bringen. Hoch aufgerichtet stand ich da und ließ meine Blicke von einem Mann zum anderen wandern. Was ging hier zwischen den beiden vor?

„Ich glaube, dass ich in diesem Fall zuvor eine Erklärung verlangen sollte, Professor. Mit welchen Recht mischen Sie sich in eine Privatangelegenheit?“

„Beruhige dich bitte, mein Kind“, versuchte mein Vater mich zu beschwichtigen. „Der Professor hat tatsächlich gute Gründe für seine Anwesenheit und seine Einmischung, wie du es nennst. Setz dich bitte, du wirst sofort eine Erklärung bekommen.“

Widerstrebend ließ ich mich in einen Sessel sinken.

„Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Ihnen zugemutet habe, mit einem nicht sehr zuverlässigen jungen Mann zurechtzukommen“, erklärte Professor Hagen. „Leider habe ich zu dem Zeitpunkt, da Sie im Institut waren, nicht genügend darüber nachgedacht, dass Gordon McBride in erster Linie daran interessiert ist, andere Menschen für seine Zwecke zu nutzen. Allerdings hielt ich es für relativ unwichtig, den Text auf einem einfachen Pergament zu übersetzen, ich habe die Dringlichkeit der Angelegenheit einfach unterschätzt. Wie hätte auch jemand wissen können, dass sich daraus eine Angelegenheit von übergeordneten Bedeutung entwickeln könnte?“

„Woher wollen Sie überhaupt wissen, um was es geht?“, fragte ich einigermaßen verwirrt. „Nicht einmal mein Vater weiß bis jetzt, was geschehen ist.“

„Da irrst du dich, mein Kind. Ich habe dich aufmerksam beobachtet, und mir war recht schnell klar, dass du ein besonderes Erlebnis hattest, wie auch ich es schon hinter mich gebracht habe. Allerdings ist meine Begegnung offenbar etwas anders verlaufen als die deine. Ich besitze nun einmal nicht die Unternehmungslust, die dich auszeichnet, und der du offenbar nachgegeben hast. Ich kann doch wohl davon ausgehen, dass du Besuch von drei Gentleman hattest, die etwas – nun, sagen wir, ungewöhnlich sind?“

Ich nickte unwillkürlich mit dem Kopf. Woher wusste er davon?

Dad seufzte. „Dann war es vollkommen richtig, den Professor einzuweihen, denn hier handelt es sich um eine Sache von einiger Bedeutung, und die kann eigentlich keiner von uns allein lösen.“

„Ich glaube, ich verstehe hier immer noch etwas nicht so ganz“, klagte ich.

„Lady Jessica, ich musste Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen, dass Mr. McBride grundsätzlich nur zu seinem eigenen Vorteil arbeitet. Er hat bereits einmal einen Zwischenfall verursacht, bei dem nur mit großer Überredungskunst und viel Glück vermieden werden konnte, dass es zu einem öffentlichen Skandal kam. Dennoch hielt ich das Ganze für einen bedauerlichen Fehltritt. Ich gab ihm eine erneute Chance, musste jedoch im Laufe der Zeit feststellen, dass er auch weiterhin von einem brennenden Ehrgeiz erfüllt ist, der es nicht zulässt, dass er sich anderen Menschen gegenüber loyal verhält. Ich will mich gerne persönlich der Sache annehmen, die Sie im Augenblick beschäftigt, bitte aber dringend darum, dass Mr. McBride von allem weiteren ausgeschlossen wird. In Ihrem eigenen Interesse.“

„Das ist eine schwerwiegende Behauptung, Professor. Können Sie Ihre Worte beweisen“, stieß ich hervor. Doch in meinem Innern wusste ich längst, dass er recht hatte, denn wenn ich das Verhalten von Gordon in Betracht zog, dann war er nur darauf aus gewesen, sich selbst in den Besitz des Buches zu bringen, um was auch immer damit anzustellen.

„Selbstverständlich kann ich meine Worte beweisen“, sagte James leise. „Allerdings würde ich es vorziehen, wenn Sie mir auch so glauben, um nicht noch einmal eine unangenehme Sache bei Lord Winterbottom anzusprechen.“

Halt, Moment mal, da war doch etwas gewesen. Ich konnte mich dunkel daran erinnern, dass es vor einiger Zeit einen Skandal gegeben hatte, der jedoch schnell unter den Tisch gekehrt worden war. Und Gordon war darin verwickelt gewesen? Dann sollte ich wirklich besser Abstand von ihm nehmen.

„Sehe ich das richtig...?“ Professor Hagen kam nicht dazu, seinen Satz weiter zu sprechen, denn nach einem kurzen Anklopfen kam Gordon herein, ohne eine Antwort abzuwarten. Er blieb dann aber wie angewurzelt stehen. Die verschiedensten Empfindungen zeigten sich auf seinem Gesicht, und auch der Professor blickte irritiert auf den jungen Mann. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass Gordon einfach so hier hereinplatzen würde.

„Oh, Professor, ich bin erstaunt. Sagten Sie nicht, dass diese Angelegenheit von untergeordneter Bedeutung sei?“ Spott klang aus der Stimme, und es hatte ganz und gar nicht den Anschein, als würde Gordon McBride seinem Vorgesetzten den notwendigen Respekt entgegenbringen. Eher so etwas wie Verachtung.

„Der Anschein trügt“, gab James Hagen kühl zurück. „Allerdings bin ich in der Lage, die Prioritäten entsprechend ihrer Wichtigkeit einzuordnen. Für das Erste war es genug, dass Sie sich darum gekümmert haben – wenn auch auf eine etwas unorthodoxe Weise, so wie ich den Zustand von Lady Jessica in Betracht ziehe. Nun habe ich aber die Zeit, um die Angelegenheit selbst zu übernehmen.“

Wut, Zorn, Enttäuschung und noch einiges mehr zeigten sich im Gesicht von Gordon, als er zwei Schritte voranging. Er ballte die Fäuste, und seine Augen funkelten.

„Ich habe es dir vorher gesagt“, erklärte er an mich gewandt mit rauer Stimme. „Als Assistent könnte ich die Existenz eines verschollenen Volkes beweisen, und Professor Hagen würde die Lorbeeren dafür einheimsen. Was habe ich jetzt davon, dass wir dieses Buch gefunden haben und dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen sind? Der feine Chef vom Ganzen kommt her, stellt sich einfach da hin und verkündet seine Weisheit, ohne auch nur einen Handschlag dafür getan zu haben. Willst du, dass ich mir das gefallen lasse?“

„Hast du nicht auch gesagt, dass es dir trotzdem nutzt?“, gab ich zu bedenken, etwas überrascht von der Heftigkeit seiner Anklage. „Bisher wissen wir doch alle noch gar nicht, was überhaupt in diesem Buch zu finden ist. Meinst du nicht auch, dass du jetzt reichlich viel Aufhebens machst? Im Übrigen ist dieses Buch in erste Linie nur für mich wichtig. Sollte ich es dir oder dem Professor überlassen, wäre es ein Entgegenkommen, keine Verpflichtung. Obwohl ich einsehen kann, dass die Wissenschaft ein großes Interesse daran hat. Sollte ich jedoch sehen müssen, dass darüber ein Streit entbrennt, werde ich mich leicht entschließen können, niemanden daran zu lassen.“

Nun lag auch unverhüllte Wut auf mich in seinem Blick. Sollte ich mich denn während unseres Abenteuers so in ihm getäuscht haben? Waren seine Hilfsbereitschaft und seine Rettung unten im Labyrinth nichts weiter als Eigennutz eines ehrgeizigen Assistenten? Eigentlich hatte ich gedacht – und wohl auch gehofft -, dass er der Mann wäre, mit dem ich den Versuch einer Beziehung wagen könnte. Es war jedoch erschreckend für mich mit anzusehen, wie schnell er sein wahres Gesicht zeigte. Offensichtlich war er tatsächlich nur daran interessiert eine Entdeckung in die Hand zu bekommen, mit der er sich selbst einen Namen machen konnte. Dazu wollte er mich benutzen. Ich war bestürzt, und es tat verdammt weh.

Gordon trat jetzt näher an mich heran, seine Stimme wurde bittend, und er streckte eine Hand aus. „Jessica, willst du das wirklich zulassen, dass dieser Mann da sich mit fremden Federn schmückt? Kannst du einfach zusehen, wie er der Fachwelt eine neue Entdeckung präsentiert, an der er weder einen Anteil noch ein Recht hat?“

Unwillkürlich wich ich in meinem Sessel zurück, obwohl das eigentlich nicht ging. „Ich sagte gerade schon, dass dieses Buch in erster Linie für mich wichtig ist, aus welchen Gründen, geht dich gar nichts an; jetzt schon gar nicht mehr. Aber ich glaube, ich habe einen großen Fehler gemacht, indem ich zuließ, dass du einen Anteil daran hattest. Es tut mir leid, aber unter diesen Umständen fühle ich mich nicht mehr an meine Zusage gebunden, dir das Buch für einige Zeit zu überlassen.“

Er starrte mich an. „Was habe ich getan, Jessica? Was hat der Professor dir erzählt, dass du plötzlich gegen mich eingestellt bist? Habe ich dir nicht das Leben gerettet?“

„Und ich das deine. Da besteht wohl keine Verpflichtung mehr. Nun wäre ich dir dankbar, wenn du gehst. Ich musste über alles nachdenken.“

Seine Miene verhärtete sich. „So sieht das also aus, wenn eine vornehme Lady ein Versprechen abgibt? Es handelt sich ja auch nur um einen normalen Menschen, da kann man schon mal darüber hinweggehen. Wen stört das auch? Eine feine Gesellschaft ist das.“

Professor Hagen stellte sich schützend vor mich. „Gordon, Sie vergessen sich und das bisschen Anstand, das Sie bisher bewiesen haben. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass die junge Lady nicht sehr lange ein schlechtes Gewissen haben wird, wenn ich ihr von dem Vorfall mit Lord Winterbottom erzähle. Die Voraussetzungen waren ähnlich, oder nicht? Ich habe Sie geschützt und Ihnen eine letzte Chance gegeben. Offenbar habe ich da ebenfalls einen Fehler gemacht. Gehen Sie jetzt bitte.“

Gordon wich zurück. Angst funkelte in seinen Augen. Ich wollte gar nicht mehr wissen, auf welchen Vorfall der Professor anspielte. Es schien jedoch eine Tatsache zu sein, dass Gordon schon vorher versucht hatte Ruhm zu ernten, der ihm in dieser Form nicht zustand.

„Das war noch nicht das letzte Wort“, stieß er hervor. „Ich habe meinem Anteil hier geleistet, und ich werde bekommen, was mir zusteht.“

„Bleibt nur noch die Frage, was Ihnen tatsächlich zusteht.“ Plötzlich stand mein Vater groß und respektheischend vor dem Mann. „Ich denke, Sie haben genug Unfrieden in mein Haus gebracht. Sie wollen also auf der Stelle meinen Grund und Boden verlassen. – Henson.“ Augenblicklich öffnete der Butler die Tür. „Der junge Mann möchte gehen. Sie überzeugen sich bitte, dass er das Anwesen auch wirklich verlässt.“

Der Butler nickte wortlos. Er war sicher, später eine ausführliche Erklärung zu bekommen. Wie ich wusste, bestand zwischen ihm und Dad seit langem eine Freundschaft der besonderen Art. Nur in der Abgeschiedenheit einer trauten Zweisamkeit spät am Abend fielen die Schranken zwischen Lord und Butler.

Als die Tür sich hinter Gordon schloss, war es im Raum, als würde eine unsichtbare Spannung und Bedrohung verschwinden.

„Was war das?“, fragte ich verstört. „Ich habe gedacht, Gordon wäre...“ Ich brach ab. Es war müßig, jetzt über Gefühle zu sprechen. Professor Hagen drückte beruhigend meine Hand.

„Sie müssen darüber nicht reden. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich im Moment verraten und verkauft vorkommen.“

„Das ist noch leicht untertrieben“, schnaubte ich. „Vorhin habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass ich eine Erklärung erwarte. Wie sieht es jetzt damit aus?“

Auffordernd schaute ich den Mann an. Wieder fiel mir auf, dass er außerordentlich attraktiv war, auf wenn er noch immer eine gewisse Arroganz an den Tag legte. Ich spürte, wie mein Vater mich tröstend in die Arme zog und fühlte mich plötzlich zutiefst erschöpft und ausgelaugt. Das alles war doch ziemlich viel, was ich an einem Tag hinter mich gebracht hatte. Und doch – obwohl ich heute in unmittelbarer Lebensgefahr geschwebt hatte, erschien mir das alles nicht so schrecklich wie die gerade erlebte Szene. Unaufgefordert reichte Dad mir ein Glas Whisky, und das scharfe belebende Getränk regte mich etwas an.

James Hagen legte das Buch auf den kleinen Tisch beim Kamin und setzte sich mir gegenüber, mein Vater blieb auf der Lehne meines Sessels sitzen und massierte sanft meinen Nacken, um die Verkrampfung etwas zu lösen. Er wusste immer ganz genau, was er tun musste, der Gute.

„Ich hatte über Ihren Besuch und Ihre ungewöhnliche Bitte nachgedacht, Lady Jessica, doch ich musste zugeben, dass ich zunächst nicht so recht den Sinn erkennen konnte. Also rief ich Ihren Vater an, der anfänglich einigermaßen überrascht war, dass Sie ihn nicht ins Vertrauen gezogen hatten. Allerdings konnte er recht schnell die richtige Vermutung äußern – mag das Ganze auch höchst merkwürdig und seltsam klingen. Sehe ich das richtig, dass Sie dieses Buch aus einer ungewöhnlichen Lage geborgen haben, um drei Toten zu helfen?“

James richtete seine Augen aufmerksam und verständnisvoll auf mich. Er hielt mich also nicht für verrückt?

Ich nickte.

„Das scheinst eine edle Sache zu sein“, lächelte er, und plötzlich wirkte er jungenhaft und verletzlich. Die Jahre fielen von ihm ab, und er war nicht mehr der unnahbare seriöse Professor, sondern ein humorvoller interessanter Mann mittleren Alters.

„Wie wollen Sie darüber urteilen?“, brachte ich einen Einwand hervor.

„Sie sind nicht die erste, die so etwas erlebt. Und Ihr Vater hat ebenfalls einschlägige Erfahrungen vorzuweisen. Deshalb konnte er mir ja auch relativ rasch erklären, um was es ging.“

Ich schaute Dad fragend an. „Was hast du eigentlich mit denen zu schaffen?“

„Ich wurde auch schon gefragt, ob ich einen Schatz will, im Gegenzug für die ewige Ruhe der Geister. Aber ich gebe zu, ich habe niemals den Mut besessen, mich selbst in Gefahr zu bringen, um ein paar Gräber zu finden. Dennoch habe ich von Zeit zu Zeit Kontakt mit Sir Lawrence und seinen Kameraden.“

Ich lachte auf und merkte selbst, dass es fast hysterisch klang.

„Habe ich mich jetzt eigentlich total lächerlich gemacht? Es klingt doch alles absolut verrückt, oder?“

„Nein, ich glaube nicht“, warf James ein. „Selbst ich als Wissenschaftler musste zugeben, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die nicht alle zu erklären sind. Sehen Sie, ich habe in den Hinterlassenschaften alter Völker geforscht und dort erstaunliches gefunden. Ich wäre ein Narr, würde ich leugnen, dass es etwas gibt, was außerhalb der greifbaren Realität steht. Und vielleicht ist es eine Art von Gefühl oder etwas Ähnliches. Schließlich sind Liebe und Hass auch intensive Gefühle, die niemand erklären kann, die aber auch von niemand geleugnet werden.“ Dabei schaute er mich mit einem seltsamen Blick an, und mir lief ein Schauder über den Rücken.

Närrin, schalt ich mich selbst. Nie wieder Gefühle, beschloss ich in diesem Moment spontan, ohne zu bedenken, dass Gefühle sich nicht befehlen lassen.

„Darüber müssen wir sicher nicht diskutieren. Und ich denke, dieses Thema sollten wir auch nicht vertiefen“, wandte mein Vater ein. „Jetzt ist jedenfalls dieses Buch hier, Jessica. Willst du wirklich den Geistern helfen?“

„Ja“, lächelte ich. „Wenn Professor Hagen bereit wäre, die Texte zu übersetzen. Denn ich kann die nicht lesen.“

Er nickte. „Das will ich gern tun. Aber ich würde ebenso gern das Buch untersuchen, wenn Sie gestatten.“

„Ein Leckerbissen?“, neckte ich.

„Auf jeden Fall. Nur selten findet man ein derart gut erhaltenes Exemplar mit bisher noch unbekannten Inhalten. Allerdings sieht sogar ein so ungehobelter Klotz wie ich, dass Sie für diesen Tag mehr als genug hinter sich haben, Mylady. Sie sollten sich zur Ruhe begeben. Trotzdem – darf ich einen Blick hineinwerfen?“ Verlangend schaute er mich an, aber in seinem Blick lag keine Gier. Ich hatte in diesem Fall nichts dagegen.

James strich bewundernd über das Silber, das im Laufe der Jahre schwarz geworden war. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Einband aus massivem Holz völlig unzerstört war. Kein Wunder, dass dieses Buch ein ordentliches Gewicht aufzuweisen hatte.

Die Blätter bestanden aus vergilbtem Pergament, die Schrift war jedoch erstaunlich scharf. Welch eine Tinte mochte der unbekannte Schreiber damals benutzt haben? Nun, vielleicht würde der Professor mir dazu noch etwas erzählen. Aber nicht heute.

Von den Füßen her kroch bleierne Müdigkeit in mir hoch, und ich kämpfte plötzlich damit die Augen offen zu halten. Ich sah den Blick von James, der warm und verständnisvoll auf mir ruhte. Er zwinkerte mir doch wahrhaftig zu, dann schloss sich die Tür hinter ihm. Mein Vater musterte mich kritisch.

„Ich glaube, mein Kind, du brauchst im Augenblick nichts weiter als ein Bett. Alles Weitere hat Zeit bis morgen. Bist du damit einverstanden, dass ich das Buch im Tresor verschließe, oder möchtest du es mit ins Bett nehmen? Allerdings fürchte ich, es ist zu unhandlich, um es unter dem Kopfkissen zu verstecken, wie du es früher gern mit deinen Schmökern gemacht hast.“

Dieser Ausspruch traf mich völlig unvorbereitet, und die gesamte Anspannung des Tages löste sich in einem fast hysterischen Gelächter.

Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis

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