Читать книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker - Страница 36
Оглавление6
Maggie erwachte, als der Landrover des Doktors vor seinem Haus hielt. Für einen Augenblick war sie verwirrt. Sie lag ganz normal im Bett. War das alles, was ihr durch den Kopf geisterte, vielleicht nur ein böser Alptraum gewesen? Doch nein, die Erinnerung kehrte nun mit Macht zurück. Die ganze verrückte Geschichte am Abend war wirklich passiert. Sie räkelte sich und warf einen Blick auf die Leuchtziffern der Uhr auf dem Nachttisch. Fünf Uhr früh? Dann hatte Kevin wieder einen Notfall in der Nacht gehabt und sie nicht wecken wollen. Nun, dann würde sie jetzt zumindest einen Kaffee mit ihm in der Küche trinken. Zu diesen Zeiten legte sich keiner von beiden mehr ins Bett nach einem Notfall.
Sie wollte aufstehen und stöhnte plötzlich unwillkürlich auf. Jeder Muskel im Körper schmerzte, und im Nacken stachen glühende Nadeln in die Wirbelsäule. Das konnte nur von dem Unfall herrühren. Sie biss die Zähne zusammen und stand mit einem Ruck auf, als sich unvermutet die Tür öffnete und Kevin McBride hereinkam.
„Sie sollten das nicht tun“, bemerkte er trocken statt eines Grußes. „Maggie, Sie sollten heute vielleicht im Bett bleiben. Sie müssen sich hundeelend fühlen. Eigentlich wollte ich nur nachsehen, ob Sie noch ruhig schlafen, als ich Sie stöhnen hörte. Ist es sehr schlimm?“
Er lächelte aufmunternd, und Maggie bemerkte plötzlich, wie attraktiv der Tierarzt im Grunde aussah. Er besaß ein schmales, markantes Gesicht mit samtbraunen Augen, schmale Lippen und eine gerade Nase. Lockiges braunes Haar widerstand allen Versuchen eine adrette Frisur zu formen, und die ersten grauen Strähnen an den Schläfen machten ihn nicht älter sondern interessanter. McBride war Mitte vierzig, sein Körper kräftig und sportlich, was sicher auch mit seinem Beruf zusammenhing. Lange Wanderungen über das Moor, um verirrte und verunglückte Tiere zu finden, wie auch körperliche Arbeit gehörten nun einmal zu diesem Beruf.
Nun aber blickten seine Augen besorgt, als Maggie die Zähne zusammenbiss.
„Es geht schon“, erklärte sie gespielt munter und griff nach ihrem Morgenrock. „Ich will jetzt mit Ihnen in der Küche einen Kaffee trinken. Und Sie können mir erzählen, was gestern überhaupt los war.“
„Erinnern Sie sich nicht?“, fragte er alarmiert.
„Doch, leider, an das meiste, Ja. Aber einen Sinn sehe ich darin nicht.“
McBride hatte am Abend noch dafür gesorgt, dass Maggie ihr gewünschtes heißes Bad und einen Kakao bekam, und dann hatte er neben ihrem Bett gesessen, bis sie eingeschlafen war. Er hatte sich alles von ihr erzählen lassen, doch auch für ihn ergab das keinen Sinn.
Maggie hielt plötzlich mitten im Schritt inne. „Moment, der Mann – der Tote, nein, der Sterbende hat mir doch noch was gegeben“, murmelte sie.
„Was?“, fragte Kevin verständnislos. Maggie griff nach ihrer Hose und kramte darin herum, dann holte sie etwas aus der Tasche.
„Einen weißen Turm“, sagte sie und ging mit ihrem Chef in die Küche, wo bereits der Kaffee in der Maschine dampfte.
„Was hat es mit diesem Turm auf sich?“, fragte McBride, während er Butter, Marmelade und Toast auf den Tisch packte.
„Der - der Mann, den ich mitnahm, gab ihn mir.“
„Ein schönes Stück. Wertvolle Handarbeit aus Elfenbein, sehr alt“, bemerkte er dann, während er die Schachfigur betrachtete. Er wollte ihr den Turm dann zurückgeben, doch er fiel ihm aus der Hand, prallte zu Boden und lag dann in zwei Teilen da.
„Entschuldigung“, murmelte Kevin und hob die Teile auf. Ein Stückchen vergilbtes Papier war in dem hohlen Körper zu sehen, und Maggie griff neugierig danach.
„Was ist das denn? Vielleicht der Lageplan eines Schatzes?“, spöttelte sie.
Kevin nahm ihr das Papier aus der Hand und entfaltete es vorsichtig. Seine Kollegin blickte dann neugierig auf eine Kolonne von Zahlen und Buchstaben.
„Ein Schachspiel“, erklärte McBride.
„Wie interessant“, meinte sie abfällig.
„Nicht doch, meine Liebe. Es gibt Spiele, die als ungewinnbar gelten. Vielleicht hat jemand so etwas aufgezeichnet.“
„Und welchen Sinn sollte das nun wieder haben?“
„Ist Ihnen entgangen, um wie viel Geld es bei den großen Meisterschaften geht? Lassen Sie uns versuchen, die Partie nachzuspielen. Sie spielen doch Schach?“
„Nicht besonders gut“, gestand sie.
„Nun, vielleicht kommen wir trotzdem hinter das Geheimnis“, meinte er selbst etwas geheimnisvoll. „Einen Grund muss es ja geben, dass die Figur ausgerechnet Ihnen in die Hände gespielt wurde.“
„Vielleicht reiner Zufall?“, mutmaßte sie.
„Es gibt keine Zufälle, meine Liebe. Lassen Sie sich das von einem Mann gesagt sein, der das Leben kennt.“
Sie zog eine Grimasse. „Ja, Opa.“
Maggie wurde dann nachdenklich. „Das alles ist mehr als nur merkwürdig für mich, Kevin. Aber meinetwegen, wenn es Ihnen Spaß macht, setzen wir uns heute Abend ans Schachbrett. Doch gleich denke ich, wird erst einmal die Polizei kommen, und außerdem wartet auch unsere Arbeit nicht.“
„Sie können heute trotzdem ausspannen, wenn Sie wollen“, erwiderte Kevin mit warmer Stimme.
Es war nicht zu übersehen, dass er die junge Frau schützen wollte.