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Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als wir uns auf den Weg nach Stamford machten, um mit der Familie des angeblichen Opfers zu sprechen.

Die Erkenntnislage hatte sich in der Zwischenzeit nicht verändert. Wir tappten immer noch im Dunkeln.

„Ich weiß nicht, ob es wirklich eine gute Idee war, das wir diesen Fall behalten“, meinte Milo unterwegs.

„So sind aber nun mal die Vorschriften“, gab ich zu Bedenken.

Gut zwei Stunden brauchten wir auf Grund der Verkehrsverhältnisse bis nach Stamford. Wir fuhren einfach die Küstenstraße am Connecticut-Ufer des Long Island Sound entlang.

In einem weiteren Wagen folgten uns die Kollegen Sam Folder und Mell Horster. Die beiden Erkennungsdienstler sollten uns bei der Durchsuchung von Charles M. Pattersons Privaträumen helfen.

Charles Patterson bewohnte eine Villa am Rande von Stamford, die von einer hohen Betonmauer umgeben wurde, die von elektrisch geladenem Stacheldraht gekrönt wurde. Das gesamte Anwesen war hell erleuchtet.

„Hier geht aber jemand auf Nummer sicher“, meinte Milo.

Wir fuhren an die Sprechanlage vor dem Eingangstor heran. Ich ließ die Seitenscheibe herunter.

„Jesse Trevellian, FBI“, meldete ich mich.

Wir wurden schon erwartet. Bereits am Nachmittag hatte ein Lieutenant der örtlichen Polizei Mrs. Rose Patterson aufgesucht, um ihr zu berichten, was mit ihrem Mann geschehen war.

Unser Besuch war Mrs. Patterson bei dieser Gelegenheit angekündigt worden.

Allerdings waren wir auf Grund der komplizierten Spurenlage am Tatort gut zweieinhalb Stunden später dran, als ursprünglich geplant.

Das große gusseiserne Tor öffnete sich. Wir fuhren zum Haupthaus des Anwesens, das aus insgesamt drei großen Sandstein-Gebäuden bestand. Der Chevrolet aus den Beständen unserer Fahrbereitschaft, mit dem Mell und Sam uns gefolgt waren, hielt sich dicht hinter uns.

Ich sah zwei bewaffnete Posten, die mit MPis und mannscharfen Schäferhunden in den Gartenanlagen herumstreiften.

Wir hielten vor dem Hauptportal und stiegen aus.

Ein Mann im dunkelgrauen Anzug kam die Treppe herunter. Offenbar war er ebenfalls ein Leibwächter, denn auf der linken Seite drückte sich ein Schulterholster unter dem Jackett durch.

Wir zeigten unsere Ausweise.

„Folgen Sie mir bitte“, forderte er uns auf.

Wir wurden alle vier in einen salonartigen Raum geführt. Er war vollkommen in blau gehalten.

Eine zierliche Frau von Mitte vierzig trat uns entgegen. Außerdem befand sich ein grauhaariger Mann im doppelreihigen blauen Blazer im Raum.

„Jesse Trevellian, FBI. Sind Sie Mrs. Rose Patterson?“

„Die bin ich“, bestätigte die Frau.

Ich zeigte ihr meinen Ausweis und stellte der Reihe nach die Kollegen vor.

„Warum sind Sie in Mannschaftsstärke hier?“, fragte Mrs. Patterson. „Das sieht fast so aus, als wollten Sie eine Verhaftung vornehmen!“

„Nein, keine Verhaftung, aber eine Hausdurchsuchung“, erklärte ich.

„Heißt das, Sie wollen in unseren Privaträumen herumschnüffeln?“

„Das heißt, dass wir angesichts der Lage gesetzlich dazu verpflichtet sind, die von Ihrem Mann genutzten Räume zu durchsuchen und gegebenenfalls auch Spuren zu sichern. Deswegen begleiten uns mit Agent Folder und Agent Horster zwei Spezialisten auf diesem Gebiet.“

„Das ist...“ Mrs. Patterson sprach nicht weiter. Sie wandte sich Hilfe suchend an den Mann im blauen Blazer. „Sag du doch etwas, Michael!“

Der Mann trat näher. „Ich bin Michael Monahan – Anwalt und Freund der Familie.“

„Dann können Sie Mrs. Patterson sicher bestätigen, dass unser Vorgehen der Routineprozedur entspricht.“ Ich wandte mich wieder an Mrs. Patterson. „Es tut mir leid. Ein Kollege des Stamford Police Department hat Ihnen heute Nachmittag die traurige Mitteilung machen müssen, dass Ihr Mann höchstwahrscheinlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist und nicht mehr lebt.“

„Ja“, sagte Rose Patterson mit belegter Stimme. Sie unterdrückte ein Schluchzen und wischte sich kurz über die Augen.

„Mrs. Patterson, ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, aber wenn Sie im Moment...“

„Es geht schon!“, unterbrach sie mich und hob das Kinn. Sie blickte mir direkt in die Augen. „Erzählen Sie mir, was geschehen ist!“

Ich fasste ihr in knappen Worten zusammen, was sich unseren bisherigen Erkenntnissen nach am Hudson River Ufer des Robert F. Wagner Jr Parks ereignet hatte.

„Das bedeutet, Sie haben bis jetzt weder eine Leiche noch einen anderen klaren Beweis dafür gefunden, dass Mister Patterson tatsächlich ermordet wurde“, stellte Michael Monahan fest. „Unter diesen Umständen ist Ihr Durchsuchungsbeschluss möglicherweise anfechtbar!“

„Dem Richter, der ihn ausgestellt hat, reichte die Aussage von Mister Patterson persönlich!“, erwiderte ich kühl. „Die haben wir nämlich auf Band.“

Monahan wandte sich an Rose Patterson. „Wenn du willst, fechte ich das für dich durch!“

„Lass nur“, sagte sie jedoch. „Sollen Sie sich ruhig alles ansehen, was Sie wollen. Shane!“ Der Leibwächter, der uns empfangen hatte und sich in der Zwischenzeit in der Nähe der Tür aufhielt, reagierte auf die Nennung seines Namens.

„Ja, Madam?“

„Hätten Sie die Güte, den Gentlemen vom FBI alles zu zeigen, was Sie sehen wollen?“

„Wie Sie wünschen, Madam!“

Sam und Mell folgten dem Leibwächter namens Shane, während Milo und ich das Gespräch mit Rose Patterson fortsetzen wollten.

Sie sagte: „Nehmen Sie doch Platz. Ich bin eine furchtbar schlechte Gastgeberin. Aber wissen Sie, diese Nachricht von heute Nachmittag... Das war furchtbar. Ich hatte das Gefühl, jemand zieht mir den Boden unter den Füßen weg, wenn Sie verstehen, was ich meine, Agent Trevellian.“

„Sie haben mein volles Mitgefühl, Mrs. Patterson.“

„Danke. Aber meinen Mann bringt mir das auch nicht zurück! Sagen Sie, ist wirklich jeder Zweifel daran ausgeschlossen, dass mein Mann einem Mordanschlag zum Opfer fiel – oder gibt es noch Hoffnung?“

„Ich will keine falschen Hoffnungen wecken. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir alles tun werden, um die Wahrheit herauszufinden. Und ich denke, das ist auch in Ihrem Sinn.“

„Natürlich.“ Sie schluckte, wirkte aber insgesamt jetzt wesentlich gefasster als zuvor.

„Unsere erste Frage wäre, wann Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesehen haben?“, mischte sich jetzt Milo in das Gespräch ein.

„Vor genau fünf Tagen“, erklärte sie. „Er verließ das Haus. Shane hat ihn zum Flughafen gefahren. Er wollte für ein paar Tage nach Miami.“

„Was hatte er dort vor?“, hakte ich nach.

„Es war eine Geschäftsreise. Und Sie mögen darüber denken, was Sie wollen, aber mit dem Geschäft hatte ich nie etwas zu tun. Patterson Textile & Fashion – vielleicht sagt Ihnen der Name etwas. Deswegen kann ich Ihnen auch nichts Genaueres darüber berichten, mit wem er sich zum Beispiel in Miami treffen wollte.“

„Welchen Flughafen hat Ihr Mann benutzt, um nach Miami zu gelangen?“, fragte Milo.

„Der Flug ging ab La Guardia. Uhrzeit kann ich Ihnen nicht genau sagen. Aber die Daten müssten im Büro unserer Firma in New York sein. Schließlich hat Charles’ Sekretärin alles gebucht. Waren Sie schon dort?“

„Nein, aber das werden wir noch nachholen“, versprach ich. Milo ging ein Stück zur Seite, nahm sein Handy und setzte sich per Kurzwahl mit unserem Field Office in Verbindung. Wenn wir Glück hatten, war Max Carter noch in seinem Büro und konnte für uns herausfinden, ob Charles Patterson tatsächlich vor fünf Tagen einen Flug von La Guardia nach Miami genommen hatte. Die genauen Daten brauchten wir dazu gar nicht.

„Wir müssten uns dann gleich auch noch mal mit Ihrem Leibwächter, diesem Shane unterhalten“, eröffnete ich an Mrs. Patterson gewandt, während Milo mit Max Carter sprach.

„Natürlich“, sagte sie.

„Haben Sie irgendeine Ahnung, wer Ihrem Mann vielleicht schaden wollte? Geschäftliche Konkurrenten oder...“

„Das Textil-Business ist sehr hart, Agent Trevellian. Ich verstehe nichts davon und Charles hat mich nicht einmal einen Kontoauszug sehen lassen – aber ich bekomme natürlich mit, wie da die Ellbogen eingesetzt werden. Seit billige Import-Ware aus China den Markt in Europa und den USA förmlich überschwemmt, ist die Situation für Firmen wie Patterson Textile & Fashion natürlich schwierig geworden. Aber dazu befragen Sie besser Mister Conan Grisky, unseren Geschäftsführer.“

„Danke für den Hinweis. Aber ich hätte noch eine andere Frage.“

„Bitte!“

„Sie lassen Ihr Anwesen durch bewaffnete Bodyguards bewachen. Ihr Heim ist umgeben von einer hohen Mauer mit Stacheldraht. Außerdem liegt Ihr Wohnsitz ziemlich weit vom Sitz Ihrer Firma in Manhattan entfernt.“

„Wir waren das Leben im Big Apple leid. Nach dem elften September haben wir den Entschluss gefasst, uns hier draußen etwas zu suchen.“

„Fühlten Sie sich von jemandem bedroht?“

„Nein.“

„Aber, wenn ich diese Festung sehe, in der Sie leben, dann...“

„Ich denke, Mrs. Patterson hat die Frage beantwortet!“, unterbrach mich Michael Monahan ziemlich barsch.

„Lass nur, Michael. Ich werde Agent Trevellian das gerne genauer erläutern.“ Sie wandte sich wieder an mich und ich fragte mich die ganze Zeit über, weshalb Monahan so überaus nervös auf meine Fragen reagierte. „Sehen Sie, dass die Welt voller Kriminalität ist, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu sagen. Das wissen Sie besser als ich. Wenn man für vermögend gehalten wird, dann wird man leicht zum Opfer. In New York hatten wir ständig Angst davor, ausgeraubt zu werden. Der elfte September war damals nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Hier leben wir zurückgezogener und fühlen uns wohl. Außerdem wollte Charles aus gesundheitlichen Gründen etwas kürzer treten. Er fährt jetzt zwei oder dreimal die Woche nach Manhattan und erledigt alles, was erledigt werden muss. Ansonsten haben wir für das Tagesgeschäft einen sehr kompetenten Geschäftsführer.“ Sie stockte plötzlich. Dann barg sie ihr Gesicht mit den Händen. „Mein Gott, ich rede von Charles noch immer so, als würde er jeden Moment zur Tür hereinkommen...“

Einige Augenblicke des Schweigens folgten.

Ich wechselte mit Milo einen kurzen Blick.

Michael Monahan legt einen Arm um Rose Pattersons schmale Schultern.

„Ich denke, wir sollten die Sache hier und jetzt beenden!“, fand der Anwalt.

„Nicht nötig“, sagte Rose Patterson, ehe ich etwas dazu hatte sagen können. „Meine Gefühlsausbrüche müssen Sie schon entschuldigen, Agent Trevellian. Aber manchmal überkommt es mich einfach. Wahrscheinlich habe ich noch gar nicht wirklich begriffen, was geschehen ist...“

„Hatten Sie seit der Abreise Ihres Mannes Kontakt mit ihm?“, fragte jetzt Milo.

Sie drehte sich zu ihm herum, sah ihn einen Moment lang leicht erstaunt an und nickte dann heftig. „Natürlich! Wir haben täglich mindestens zweimal miteinander telefoniert!“

„Über sein Handy?“

„Ja.“

Alfred Bekker Thriller: Ein Ermordeter taucht unter

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