Читать книгу Alfred Bekker Thriller: Ein Ermordeter taucht unter - Alfred Bekker - Страница 9
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ОглавлениеWir suchten die Adresse im Battery Place 26 auf, die Sara McDougal angegeben hatte.
Sie bewohnte eine Traumetage in einem Haus, das mit seinen fünfzehn Stockwerken eher zu den kleinen Bauten dieser Gegend zählte. Es gab hier sowohl Büros als auch Apartments.
Sara McDougal war selbständige Anlageberaterin. So stand es auf dem Schild an ihrer Tür. Auch das war nicht überraschend. Viele, die in diesem Teil New Yorks lebten, hatten etwas mit der Börse oder den Banken zu tun. Zwar waren Wohnungen hier sündhaft teuer, aber manche dieser Yuppies arbeiteten fast rund um die Uhr und waren darauf angewiesen, keine weiten Wege zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen zu müssen. Einige selbstständig Arbeitende wie Sara McDougal hatten ihre Privaträume gleich an das Büro angegliedert.
Sie empfing uns in einem sehr seriös wirkenden Kostüm – konservativ genug, um in jeder Vorstandssitzung eines Bankenkonsortiums eine gute Figur zu machen.
„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“, fragte sie, nachdem ich ihr meine ID-Cards gezeigt hatte. „Um ehrlich zu sein, wüsste ich nicht, was ich Ihnen noch zu dem sagen sollte, was ich bereits Ihrem uniformierten Kollegen von der City Police zu Protokoll gegeben habe!“
„Ich hatte eben keine Gelegenheit mich vorzustellen“, sagte ich. „Ich bin Agent Jesse Trevellian. Mit meinem Kollegen Milo Tucker haben Sie bereits gesprochen. Um ehrlich zu sein, haben die bisherigen Ermittlungen am Tatort eher mehr Fragen aufgeworfen als welche beantwortet.“
Sie führte uns zu einer Sitzecke, die aus schlichten Ledersesseln bestand. Man hatte von hier aus einen Blick bis zum Castle Clinton im Battery Park.
„Möchten Sie etwas trinken?“
„Danke, wir sind im Dienst!“, wehrte Milo ab und sprach damit durchaus auch in meinem Sinn.
Sara McDougal musterte uns kurz nacheinander. Dann fragte sie: „Was ist dort geschehen? Ist jemand umgebracht worden? Ich glaube, wenn sich nur jemand einen Scherz erlaubt und mit seiner Waffe in der Gegend herum geballert hätte, dann wäre wohl nicht so ein Aufhebens um die Sache gemacht worden.“
„Ehrlich gesagt – nicht einmal das wissen wir“, sagte ich.
Sie fixierte mich mit ihrem Blick. Ihr Augenaufschlag war gekonnt. Aber das kalte Glitzern in diesen Augen warnte mich. Ich hatte es mit einer sehr berechnenden Frau zu tun. Zumindest in ihrem Job musste sie das auch sein, aber wenn man nach der Architektur ihrer Wohnung ging, gab es zwischen Job und Privatleben überhaupt keine klare Trennlinie.
Immerhin das hatten wir gemeinsam.
„Eigentlich sind wir hier, um Fragen zu stellen und nicht sie zu beantworteten“, erwiderte ich.
„Oh, verzeihen Sie!“
„Joggen Sie öfter im Robert F. Wagner Jr Park?“, fragte ich.
„Ab und zu.“
„Warum gerade dort? Die Dewey Promenade ist nur ein paar Meter entfernt.“
Sie runzelte die Stirn. „Was soll das jetzt? Seit wann gibt es im Staat New York Vorschriften darüber, wo man joggen darf und wo nicht? Zumindest was öffentliche Parkanlagen betrifft, ist das überall möglich!“
„Ja, das mag schon sein, Miss McDougal. Es war nur eine Frage.“
„Die damit ja wohl beantwortet sein dürfte!“, versetzte sie kühl.
„Ein anderer Punkt, der mich gewundert hat, ist die Zeit. Genau um 11.47 rief jemand bei uns im Field Office an, um zu melden, dass er bedroht würde! Das ist eine ungewöhnliche Zeit zum Joggen für eine viel beschäftigte Geschäftsfrau...“
„Das mag für jemanden wie Sie gelten, der an feste Dienstzeiten gebunden ist“, erwiderte Sara McDougal schneidend. „Aber ich bin der glücklichen Lage mir meine Termine selbst legen zu können. War’s das, was ich für Sie tun konnte?“
„Ich möchte den gesamten Hergang noch mal in jedem Detail mit Ihnen durchgehen. Wissen Sie noch, wann genau Sie den Robert F. Wagner Park erreicht haben?“
„Nein, das weiß ich nicht mehr. Ich kam von der Dewey Promenade. Wissen Sie, ich habe so meine feste Strecke und im Übrigen laufe ich, um den Kopf frei zu bekommen, nicht um dauernd die Uhr im Auge zu behalten.“
„Wie auch immer. Was geschah?“
„Ich hörte zwei Schüsse und rannte weg. Das ist auch schon alles – aber das habe sowohl Ihnen, Agent Tucker, als auch einem Ihrer NYPD Kollegen bereits gesagt.“
„Wie schnell laufen Sie auf hundert Meter?“, fragte ich.
„Was soll das denn jetzt?“
„Es ist einfach nur eine Frage!“
„Und was hat das bitte schön mit diesem Fall zu tun?“
„Es hat mit Ihrer Aussage zu tun. Zwischen dem ersten der Schüsse und unserem Eintreffen sind ein paar Minuten vergangen. Sie hätten längst weg sein müssen – selbst bei gemäßigtem Tempo. Aber wir trafen Sie nur zweihundert Meter vom vermeintlichen Tatort entfernt an.“
Sie verzog das Gesicht. „Ich dachte, Sie versuchen denjenigen zu fangen, der geschossen hat – stattdessen muss ich mich jetzt dafür rechtfertigen, nicht schnell genug gelaufen zu sein! Das ist unglaublich und ich denke, ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren!“
„Miss McDougal, wir versuchen einfach den zeitlichen Ablauf einer Tat zu rekonstruieren, und da bringt uns nun einmal jede noch so belanglos erscheinende Ungenauigkeit durcheinander.“
Sara McDougal atmete tief durch.
„Okay, ich bin nicht sofort losgerannt, wenn Sie es genau wissen wollen.“
„Sondern?“
„Nach den Schüssen war ich wie gelähmt. Ich hätte durch ein freies Feld ohne Deckung laufen müssen. Haben Sie von dem Verrückten gehört, der vor ein paar Monaten im Central Park mit einem Luftgewehr Jagd auf Jogger gemacht hat? Ich dachte, das wäre vielleicht so was Ähnliches! Jedenfalls bin ich erstmal hinter den nächstbesten Strauch in Deckung gegangen und habe abgewartet. Es waren zwei Schüsse zu hören, danach war Schluss. Schließlich habe ich mich getraut loszulaufen.“
„Aber was die Zahl der Schüsse angeht sind Sie sicher?“, hakte Milo nach.
„Absolut. Zwischen beiden Schüssen vergingen etwa fünf Sekunden. Als ich mich getraut habe loszulaufen, da sind Sie bereits mit Ihrem Sportwagen über den Rasen gebrettert!“
„Nichts sonst an Beobachtungen?“, hakte ich nach. „Kein Geräusch? Vielleicht sind Sie zuvor jemandem begegnet.“
„Tut mir leid, dass ich Ihnen da nicht weiterhelfen kann.“ Sie blickte auf die zierliche Uhr, die sie am Handgelenk trug. „Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber ich habe gleich noch einen wichtigen Termin. Oder gibt es noch irgendetwas, das wir zu besprechen hätten?“
„Vielleicht fällt Ihnen ja noch irgendetwas ein“, sagte ich und schob ihr meine Karte hin.
„Wer weiß...“, murmelte sie und wirkte einen Augenblick lang sehr nachdenklich.
Wir verließen die Traumetage von Sara McDougal und befanden uns wenig später wieder im Freien.
„Wir können von Glück sagen, dass wir im Moment so trockenes Wetter haben“, meinte ich. „Ein Regen würde jedenfalls alles, was in diesem Fall noch an Spuren existiert einfach hinweg spülen“, sagte ich.
„Warum bist du sie so hart angegangen?“, fragte Milo.
„Hart?“, echote ich. „Ich habe lediglich ein paar klare Antworten auf ein paar ebenso klare Fragen erwartet, das war alles.“
„Und? Hat sie die etwa nicht gegeben?“
„Ich weiß noch nicht, Milo!“ Ich schüttelte energisch den Kopf und kratzte mich im Nacken während wir zum Sportwagen zurückgingen. „Aber ist dir aufgefallen, dass Sara McDougal sich überhaupt nicht dafür interessiert hat, wer da ganz in Ihrer Nähe vielleicht ums Leben gebracht worden ist?“
Milo sah mich an.
„Manchmal siehst du Gespenster, Jesse!“
„Ich fand das Verhalten von Sara McDougal einfach etwas sonderbar, das war alles“, verteidigte ich mich.