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Ray Bradford, einer der vier Eigner der RIVER QUEEN, war durch den Lärm geweckt worden. Mit katzenhaften Bewegungen schnellte der große, breitschultrige Mann an Deck. An der Seite trug er einen tiefgeschnallten Revolver, in den Händen eine Winchester.

Er sah die brennende Fackel auf den Planken.

Ohne Rücksicht auf seine Deckung machte Bradford ein paar schnelle Schritte. Er kickte die Fackel von Bord. Mit einem zischenden Geräusch versank sie im dunklen, schlammigen Flusswasser.

Bradford feuerte die Winchester aus der Hüfte ab.

Er erwischte einen der maskierten Angreifer am Arm. Der Kerl schrie auf, ließ die Fackel fallen, die er gerade auf die RIVER QUEEN hatte werfen wollen. Sein Pferd stellte sich auf die Hinterhand und er hatte große Mühe, überhaupt im Sattel zu bleiben.

Einen weiteren Brandstifter holte Bradford aus dem Sattel.

Der Todesschreie des Banditen verhallten in der Nacht.

Die anderen Maskierten feuerten jetzt aus allen Rohren. Bradford warf sich zu Boden, rollte über die Planken und riss die Winchester hoch. Blutrot züngelte das Mündungsfeuer aus dem Lauf des Karabiners heraus. Rechts und links zischten ihm die Kugeln um die Ohren.

Noch zwei weitere Männer kamen an Deck und feuerten auf die Maskierten. Der Größere der beiden war ein Schwarzer. Er schoss mit zwei Revolvern auf die Maskierten. Bei dem anderen handelte es sich um einen hageren Mann mit Biberfellmütze, der ein schweres Henry-Gewehr sprechen ließ.

Zwei weitere Maskierte wurden getroffen.

Die anderen ergriffen die Flucht.

Sie rissen ihre Pferde am Zügel herum und ließen sie davon preschen.

Wenig später waren die Überlebenden in den engen Gassen des Hafenviertels verschwunden. Der Hufschlag ihrer Gäule war noch einige Augenblicke zu hören.

Bradford erhob sich.

Die beiden anderen Verteidiger der RIVER QUEEN ebenfalls.

Bradford schwang sich über die Reling.

Mit einem Sprung war er an Land.

Der Schwarze folgte ihm, während der Mann mit der Biberfellmütze an Bord blieb.

Bradford drehte einen der am Boden liegenden Maskierten herum und zog ihm das Halstuch vom Gesicht.

"Kennst du den Bastard, Ray?", fragte der Schwarze.

Bradford schüttelte den Kopf.

"Nie gesehen, Rick."

"Gesindel, das die Hunde von der United Riverboat Company für ein paar Dollars angeheuert haben."

"Nur werden wir das niemals beweisen können."

Jetzt kam auch der Mann mit der Bibermütze an Land. Den Lauf des Henry-Gewehr legte er über den Rücken. "Es hat nicht einmal Sinn, diese Schweinehunde anzuzeigen! Gegen die Company wagt es niemand vorzugehen!"

Alle drei waren sie zu unterschiedlichen Teilen Eigner der RIVER QUEEN. Es gab noch einen vierten Mann im Bund.

Jim Lawton, seit vielen Jahren Bradfords bester Freund. Die beiden kannten sich seit ihrer Jugend. Beide waren in Ohio aufgewachsen, bevor sie als junge Männer gen Westen gezogen waren, um ihr Glück zu machen.

Das Frachtgeschäft auf dem Mississippi schien dafür wie geschaffen zu sein. Das Warenaufkommen, das auf dem großen Fluss transportiert werden musste wuchs jedes Jahr um ein Vielfaches.

Eigentlich gab es genug Verdienstmöglichkeiten für alle, deren Boote schwimmfähig waren.

Aber es gab eine Schlange in diesem Paradies.

Die United Riverboat Company.

Die mächtige Company versuchte eine Art Fracht-Kartell auf dem Big Muddy aufzubauen. Mit legalen aber auch mit illegalen Mitteln. Anfangs hatte Bradford geglaubt, dem Druck auf Dauer standhalten zu können. Aber außer den Machenschaften der Company plagten Bradford auch finanzielle Sorgen. Um die RIVER QUEEN kaufen zu können, hatte Bradford bei der Grand National Bank of Missouri in St.Louis Geld aufnehmen müssen. Die Rückzahlung wurde in einigen Monaten fällig. Allerdings hatte Bradfords Frachtgeschäft noch lange nicht den erwarteten Profit gebracht. Auch dafür sorgten die Machenschaften der Company. Obwohl Bradford seine Dienste preiswerter anbot als die Konkurrenz, bekam oft nicht die RIVER QUEEN den Transportauftrag, sondern ein Schiff der Company. Viele Geschäftsleute ließen sich von deren Handelsagenten unter Druck setzen und einschüchtern. Und wenn das nicht half, dann heuerten sie für ein paar Dollars eine Horde von schießwütigen Gunslingern an.

Bradford war allerdings wild entschlossen, gegen alle Widerstände durchzuhalten.

Die Frage war allerdings, ob er finanziell dazu einen ausreichend langen Atem haben würde.

Im Augenblick ruhten Bradfords Hoffnungen auf seinem Freund und Teilhaber Jim Lawton. Ihren letzten Cent hatten alle vier Teilhaber in dieses Unternehmen gesteckt. Sie waren blank. Lawton war dann vor ein paar Monaten nach Montana aufgebrochen. Er hatte dort eine Ranch geerbt, die er zu Geld machen wollte, das er in die RIVER QUEEN stecken konnte.

Jim Lawton war mit seiner Erbschaft der finanzielle Rettungsanker, von dem alles abhing.

Der Mann mit der Bibermütze trat neben Bradford.

Er hieß Angus Cray und hatte ehedem im Fellhandel ein kleines Vermögen gemacht. Inzwischen bereute er es schon, alles davon in die RIVER QUEEN gesteckt zu haben.

"Wenn Jim nicht bald mit einer Tasche voll Dollars zurückkehrt, dann sehe ich schwarz, Ray!", bekannte er. "Ich habe mit Rick darüber gesprochen..."

Falten bildeten sich auf Bradfords Stirn. Er wandte sich an den Schwarzen. "Ihr wollt aufgeben?"

"Jim hätte längst wieder zurück sein müssen!", stellte Rick bitter fest.

"Eine Ranch zu Geld zu machen ist vielleicht nicht so einfach!", verteidigte Bradford Lawton. "Außerdem sind es gut tausend Meilen bis Montana. Der Winter liegt hinter uns..."

"...und vielleicht hat dein Freund es sich anders überlegt, und entweder die Ranch behalten oder versucht jetzt etwas anderes mit seinem Geld anzufangen, als es in ein derart risikoreiches Unternehmen wie die RIVER QUEEN zu stecken!", ergänzte Angus Cray. "Nichts gegen deinen Kumpel, Ray. Ich hätte Verständnis dafür!"

"Dann hätte Jim mir eine Nachricht zukommen lassen", beharrte Bradford.

"Montana ist ein weites Land", gab Rick zu bedenken. "Ein weites Land mit einer Handvoll Menschen darin. Pure Wildnis herrscht dort! Und wie gesagt... Geld verändert einen Mann."

"Nicht Jim."

"Da wäre ich mir nicht so sicher."

Es folgte eine Pause des Schweigens.

Vom Fluss her war das leise Plätschern der Wellen gegen die Außenwanten der RIVER QUEEN zu hören.

"Der Punkt ist einfach der, dass wir unsern Kopf nicht für etwas herhalten wollen, dass von vorn herein aussichtslos ist", erklärte Cray. "Und ohne Jims Geld ist unser Unternehmen aussichtslos. Das steht fest."

Ray Bradford hob den Kopf.

Er musterte die beiden Männer.

"Was werdet ihr tun?"

"Wenn wir bis nächste Woche nichts von Jim hörten, steigen wir aus", sagte Rick.

"Das hieße, dass wir die RIVER QUEEN verkaufen müssten", stellte Bradford bitter fest.

Angus Cray klopfte Bradford bedauernd auf die Schulter.

"Sorry, aber Rick und ich haben nun mal nicht so einen Dickschädel wie du!"

Alfred Bekker Western Sonder-Edition - Ein Mann namens Bradford

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