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Zur gleichen Zeit erreichten unsere Kollegen Jürgen Carnavaro und „Olli“ Oliver Medina Rademachers Eigenheim in Oranienburg. Rademacher hatte sich einen schmucken Bungalow in der Jasper Straße gekauft, einer breiten Allee mit Häusern, die der oberen Mittelklasse entsprachen.

Unsere Kollegen parkten ihren Volkswagen aus den Beständen unserer Fahrbereitschaft am Straßenrand, gingen durch die offene Hofeinfahrt zur Garage und standen schließlich vor der Haustür.

Ein Team der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst war ebenso auf dem Weg hier her wie die BKA-Kommissare Fred LaRocca und Annemarie O’Hara, deren Aufgabe es sein würde, Jürgen und Olli bei der Hausdurchsuchung zu helfen.

Annemarie war mit einem irischen Computerspezialisten verheiratet, der im Entwicklerzentrum eines großen Online-Händlers in Berlin-Mitte arbeitete. Auf diese Weise war unsere Kollegin zu ihrem exotischen Nachnamen gekommen.

Aber da sie selbst rothaarig war, hielt sie jeder selbst für eine Bilderbuch-Irin, sobald sie ihren Nachnamen nannte.

Nur der deutlich hörbare Berliner Akzent, der bei Annemarie O'Hara immer wieder durchkam, irritierte dabei etwas.

Jürgen und Olli stutzten.

Das Haus war ziemlich bald, nachdem man Rademacher an Land geholt und identifiziert hatte, von Kollegen der Schutzpolizei versiegelt worden.

Aber das Siegel war gebrochen.

Jürgen griff nach seiner Dienstwaffe. Olli folgte seinem Beispiel.

„Hier war offenbar jemand schneller als wir!“

„Rademacher war unverheiratet und lebte allein. Eigentlich dürfte niemand hier gewesen sein!“

Jürgen holte den Schlüsselbund hervor, der mit einem Karabinerhaken an Rademachers Gürtel befestigt gewesen war. Er war zusammen mit dem Teil, der bei der Leiche gefundenen persönlichen Habe, der nicht mehr im Labor untersucht zu werden brauchte, am Morgen per Kurier ins Präsidium gesandt worden.

Jürgen öffnete die Tür.

Geräusche waren zu hören.

Olli ging mit der Waffe in der Hand voran, durchschritt beinahe lautlos den Empfangsraum und erreichte schließlich die halb geöffnete Tür zum Wohnzimmer. Jürgen folgte.

Mit einem Tritt öffnete Olli die Wohnzimmertür.

„Waffe weg! Polizei!“, rief er.

Ein durchdringender Schrei ertönte.

Eine junge Frau stand mitten im Raum. Sie war blond, trug Jeans, T-Shirt und einen Blouson.

Das einzig auffällige an ihrem Outfit war das Armband mit den zwei das Handgelenk umschmeichelnden Schlangen.

Sie stand wie erstarrt da, in der Rechten hielt sie einen .22er Revolver und richtete ihn auf Olli.

„Die Waffe weg!“, wiederholte unser Kollege.

Sie schluckte und zitterte. Auf ihrer Stirn perlte der Angstschweiß.

„Okay“, flüsterte sie schließlich. „Ich gebe auf! Wer immer Sie auch sind, tun Sie mir nichts!“

„Wir sagten, wer wir sind!“, hielt Jürgen ihr entgegen. Er machte ein paar schnelle Schritte nach vorn, nahm ihr die Waffe aus der Hand und legte ihr anschließend Handschellen an.

Sie setzte sich auf die Couch.

„Ich bin Kommissar Jürgen Carnavaro und dies ist mein Kollege Kommissar Oliver Medina. Wir kommen vom Bundeskriminalamt und untersuchen den Tod unseres Kollegen Thorben Rademacher. Und jetzt möchte ich gerne wissen, wer Sie sind!“

„Christine Wistanow“, sagte sie.

„Und was tun Sie in Thorben Rademachers Wohnung?“, fragte Jürgen.

„Thorben und ich waren seit einiger Zeit ein Paar“, erklärte Christine Wistanow. „Wenn Sie mal in meiner Jacke nachsehen, dann werden Sie feststellen, dass ich einen Wohnungsschlüssel besitze - so wie sich umgekehrt auch an Thorbens Schlüsselbund ein Schlüssel zu meiner Wohnung finden müsste.“

„Angenommen, es stimmt, was Sie sagen...“

„In seiner Brieftasche trug er ein Foto von mir mit sich herum. Thorben war eben ein Romantiker.“

„Das können wir leider nicht mehr überprüfen“, bedauerte Jürgen. „Thorben Rademachers Brieftasche befindet sich nämlich sehr wahrscheinlich zusammen mit seinem Handy auf dem Grund des Hohenzollernkanals, falls sie ihm nicht von seinem Mörder entwendet wurde.“

„Ihre Beziehung erklärt aber noch nicht, weshalb Sie das Siegel der Polizei ignoriert haben“, mischte sich Olli ein. „Was wollten Sie in der Wohnung?“

„Also, ich will ehrlich sein.“

„Darum möchte ich doch gebeten haben“, erwiderte Jürgen.

Sie nickte und blickte zur Seite. Den direkten Augenkontakt mit einem der beiden Kommissaren mied sie.

Sie sagte: „Wir hatten uns gestritten. Ziemlich heftig sogar. Also habe ich mich zunächst auch nicht gewundert, dass Thorben nicht bei mir anrief. In dieser Hinsicht war er ohnehin ziemlich unzuverlässig. Aber dann habe ich die Meldung im Radio gehört.“

„Unseres Wissens haben Sie sich aber nicht bei der Polizei gemeldet“, hielt Olli ihr entgegen.

„Ich wollte zuerst ein paar Privatsachen aus der Wohnung holen. Das ist der Grund dafür, dass ich hier bin.“

„Um ein Polizeisiegel zu brechen, ist das trotzdem eine ziemlich dünne Erklärung“, meinte Jürgen.

„Ach wirklich?“

„Sie sehen ja, was jetzt passiert ist.“

„Ich sitze in Handschellen hier.“

„Sie haben uns mit einer Waffe bedroht.“

„Eigentlich wollte ich in diese Sache nicht hineingezogen werden.“

„Nach der großen Liebe hört sich das mit Ihnen und Rademacher ja nicht an“, sagte Olli.

„Ach – und Sie können das beurteilen?“, fauchte sie.

Olli sah sie an. „Es scheint Ihnen ziemlich gleichgültig zu sein, wer Ihren Freund umgebracht hat.“

„Stattdessen war es Ihnen nur wichtig, ein paar persönliche Dinge aus Herrn Rademachers Wohnung verschwinden zu lassen“, ergänzte Jürgen.

Olli sagte: „Ich muss sagen, bei diesem hohen Grad an gegenseitiger Verbundenheit kommen mir schon fast die Tränen. Scheint ein richtiger Glückspilz gewesen zu sein, der Herr Rademacher. Ich meine, dass er Sie kennengelernt hat...“

„Manche Frauen sollen ja emotional sehr stark klammern“, meinte Jürgen. „Wie gut, dass Herr Rademacher bei Ihnen dieses Problem nicht gehabt haben dürfte. Jemand, der so eiskalt ist, wie Sie, hat als Partnerin für einen Polizisten doch auch ein paar Vorteile... Er konnte sich dadurch sicherlich auch voll in seine Einsätze stürzen, da er genau wusste, dass der keine trauernde Witwe hinterließ...“

„...sondern eine Frau, die nach seinem Tod auch noch die Wohnung aufräumt“, ergänzte Olli sarkastisch.

„Wollen Sie mich jetzt verarschen?“, fragte Christine Wistanow.

„Sinn für Ironie hat sie jedenfalls nicht“, sagte Jürgen.

„Nee, hat sie nicht“, bestätigte Olli.

„Sonst würde sie so eine Frage nicht stellen, Olli.“

„Würde sie nicht“, meinte Jürgen Carnavaro.


Vom Killer gejagt: 7 Strand Krimis

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