Читать книгу Vom Killer gejagt: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 21

Оглавление

14



Max Herter hatte uns alles, was er herausgefunden hatte, zu einem Datendossier zusammengestellt.

Rudi und ich saßen im Anschluss an die Sitzung in unserem gemeinsamen Dienstzimmer und arbeiteten die Unterlagen durch. Ich sah mir vor allem die Liste der Personen an, die damals bei der Schießerei verdächtigt worden waren, daran beteiligt gewesen zu sein. Der Einzige, in dessen Fall es immerhin zu einer Anklage gekommen war, hieß Reza Tannous. Er war mehrfach wegen Körperverletzung und illegalem Waffenbesitz vorbestraft und war damals Türsteher im ‚Abraxas’ gewesen. Inzwischen galt er als rechte Hand und Mann fürs Grobe in Benny Farkas’ Organisation. Da seine letzte Bewährung wegen einer Schlägerei erst in einem Monat auslief, war seine Adresse bekannt.

„Steht da irgendwo, weshalb es nicht zum Prozess gekommen ist?“, fragte Rudi.

„Vermutlich reichten die Beweise einfach nicht aus“, erwiderte ich.

Gegen Mittag fuhren wir zu Rademachers ehemaligem Revier und besprachen uns mit seinem direkten Vorgesetzten Herrn Kassavetes, dem Leiter der Drogenabteilung.

„Thorben Rademacher war ein hervorragender Polizist, der gute Erfolge verbuchen konnte“, sagte Kassavetes. „Es ist schade, dass seine Karriere diesen Knick bekam und man ihn nach Moabit abschob. Aber da war er ja nicht allein betroffen.“

„Es wurde noch ein Beamter namens Sebastian Maybaum verdächtigt, Beweismittel manipuliert und Kleinkriminelle zu Spitzeldiensten erpresst zu haben“, sagte ich.

„Ja. Maybaum verrichtet heute in einer anderen Dienststelle seinen Dienst. Ich habe ihn neulich beim Schieß-Training getroffen. Er arbeitet jetzt im Innendienst. Und das, obwohl gegen keinen der beiden auch nur ein Prozess eröffnet worden ist!“

„Es erschien damals wohl einigen Leuten opportun wohl, die beiden aus der Schusslinie zu nehmen.“

„Ja, so kann man das auch nennen!“, erwiderte er gallig.

„Man hatte bei Ihren Ermittlungen noch einen dritten Beamten im Visier“, stelle ich fest. „Sein Name war Tom Subotitsch.“

„Tom ist noch hier im Revier. Allerdings können Sie heute nicht mit ihm sprechen.“

„Warum nicht?“

„Er ist zu einer Fortbildung nach Frankfurt gefahren. Man bringt da den Angehörigen von Drogenabteilungen im ganzen Land die Anwendung neuer Drogen-Schnelltests bei.“

„Dann ist er morgen wieder hier?“

„Er hat zwei Wochen Urlaub genommen. Ich glaube, der Tod von Rademacher hat ihn sehr mitgenommen.“

„Die beiden standen sich nahe?“

„Ja, sie waren eng befreundet und arbeiteten im Dienst als Team zusammen: Maybaum, Rademacher und Subotitsch. Und ich hatte selten ein so erfolgreiches Team.“

„Sie haben dafür gesorgt, dass Manuel Bentz und die Führungsriege der ‚Killer Bandoleros’ hinter Gitter kamen!“

Kassavetes machte einen etwas überraschten Eindruck. Sein Lächeln wirkte verkrampft. „Sie scheinen ja bereits gut informiert zu sein.“

„Ein Informant namens Ede Gerighauser spielte dabei eine entscheidende Rolle.“

„Schon möglich!“, murmelte Kassavetes. „Worauf wollen Sie hinaus?“

„Auf gar nichts.“

„So?“

„Ich will es nur verstehen.“

„Ah, ja...“

„Also?“

Kassavetes behauptete: „Die Sache war sauber. Gerighauser hat sich – im Gegensatz zu ein paar anderen, die sich erst bezahlen und nachher von Erpressung und Manipulation herumschwadronieren – nie an die Justiz gewandt.“

„Vielleicht, weil er gesehen hatte, dass die anderen Verfahren nicht einmal vor Gericht kamen.“

„Wenn man auf der einen Seite die verworrene Aussage eines Junkies und Drogendealers hat, während auf der anderen Seite die Karriere eines Musterpolizisten auf dem Spiel steht, wird man sich wohl dafür entscheiden, letzterem zu glauben.“

„Ja, das könnte Gerighauser auch gedacht haben.“

„Fangen Sie jetzt auch an, uns irgendetwas anzuhängen?“, fragte Kassavetes etwas ungehalten. Eine tiefe Furche erschien auf seiner Stirn.

„Ich frage mich, warum Sie sich angegriffen fühlen, es ging doch um Rademacher – und nicht um Sie!“, erwiderte Rudi.

„Und letztlich versuchen wir nur, die Sache aufzuklären, um seinen Mörder zu fassen. Daran sollte doch auch Ihnen gelegen sein – gleichgültig, was da vielleicht noch nachträglich über Ihren Musterpolizisten ans Tageslicht kommen mag“, ergänzte ich.

Kassavetes atmete tief durch.

„Wissen Sie, in unserem Job können Sie nur zurechtkommen, wenn das Team zusammenhält“, sagte er dann.

„Ich hoffe, dass schließt nicht ein, Straftaten zu decken“, hielt ich ihm entgegen.

Er zögerte mit seiner Antwort und erklärte schließlich. „Sie können mir glauben, dass ich mindestens ebenso daran interessiert bin, Rademachers Mörder zu fassen wie Sie!“

„Kommen wir zu Ede Gerighauser zurück. Hatten auch Maybaum und Subotitsch Kontakt zu ihm?“

„Soweit ich weiß, ja.“

„Rademacher hat sich nachweislich nach seinem Ausscheiden aus dem Drogendezernat noch mit Gerighauser getroffen. Haben Sie dafür irgendeine Erklärung?“

Kassavetes runzelte die Stirn. „Nein, das wundert mich.“

„Weshalb?“

„Gerighauser gilt sein ein paar Wochen als spurlos verschwunden. Glauben Sie, dass er was mit Thorbens Tod zu tun hat?“

„Seine Eltern und seine Schwester wurden im Gefolge der Verhaftung von Manuel Bentz und seinen ‚Killer Bandoleros’ umgebracht.“

„Die Morde konnten leider nicht aufgeklärt werden, sonst säße Manuels Bruder Lionel, der sich großspurig ‚Der King’ – der König – nennen lässt, längst in einer JVA.“

„Aber wenn Gerighauser für seine Dienste erpresst wurde, hätte er allen Grund, auch sauer auf Rademacher zu sein.“

„Das ist allerdings wahr...“, murmelte Kassavetes nachdenklich.

„Warum ist Gerighauser nicht geschützt worden gekommen?“, fragte jetzt Rudi. „Eigentlich wäre das doch in seinem Fall üblich.“

Kassavetes vollführte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf und sah erst Rudi und dann mich einen Moment lang an. „Rademacher meinte, er hätte ihm das angeboten, aber Gerighauser wollte das nicht. Er würde der Polizei, der Staatsanwaltschaft und allen anderen, die mit dem Staat zu tun hätten, nicht trauen. Einem wie ihm würden die sowieso nicht helfen...“

„Und für dieses Gespräch gibt es keine Zeugen?“, fragte ich. „Oder waren Subotitsch und Maybaum dabei?“

„Es tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung.“

Ich holte ein paar zusammengefaltete Computerausdrucke aus der Innentasche meiner Jacke und reichte sie Kassavetes.

„Was ist das?“, fragte er, noch ehe er die Blätter auseinandergefaltet hatte.

„Die ausgedruckten Datenblätter jener Personen, auf deren Anzeige hin damals die internen Ermittlungen eingeleitet wurden. Vielleicht können Sie uns etwas dazu sagen. Schließlich sind alle wegen Drogendelikten vorbestraft und hatten verschiedentlich mit Beamten Ihrer Abteilung zu tun.“

Kassavetes warf einen Blick auf die Blätter. „Rafi Mustafi war die treibende Kraft. Ein Kleindealer, der uns wiederholt ins Netz gegangen war. Ich erinnere mich genau an den Fall. Rademacher und Maybaum haben ihn als Informanten angeworben, nachdem er mit einer kleinen Menge Crack verhaftet wurde. Später behauptete er, Rademacher und Maybaum hätten ihm gedroht, sie könnten die Beweismittel so manipulieren, dass er für Jahre in den Knast wandern würde. Nur deswegen habe er als Informant gedient!“

„Und die beiden anderen?“, fragte ich.

„Victor Beinhauer und Benjamin Braun kamen erst aus ihren Löchern, als die Ermittlungen schon liefen. Zu einer Zeugenaussage vor Gericht kam es nie.“

„Weshalb nicht?“

„Beinhauer war plötzlich verschwunden und tauchte erst zwei Monate nach der Verhandlung wieder auf, als er nach einer Prügelei festgenommen wurde.“

„Könnte ihn jemand überzeugt haben, dass es besser für ihn wäre, nicht auszusagen?“, hakte ich nach.

„Das ist reine Spekulation, Herr Kubinke.“

„Aber möglich.“

Kassavetes zuckte die Schultern. „Vielleicht entsprach es auch einfach nicht der Wahrheit, was er behauptete und da hat er kalte Füße bekommen.“

„Und was ist mit Nummer drei?“

„Benjamin Braun? Der hat seine Aussage offiziell zurückgezogen. War eine ziemlich große Blamage für die Staatsanwaltschaft.“

„Wenn die Sache so eindeutig war, dann verstehe ich nicht, weshalb Maybaum und Rademacher versetzt wurden!“

Kassavetes lachte heiser auf. „Auf meinem Mist ist das nicht gewachsen, dass können Sie mir glauben. Das kam von ganz oben aus dem Rathaus. Man wollte wohl nicht den Anschein erwecken, dass wir die Augen zumachen, wenn einer von uns mal einen Fehltritt begeht.“

„Mal ganz ehrlich, Herr Kassavetes. Würden Sie denn die Augen in einem solchen Fall schließen?“, mischte sich jetzt Rudi ein.

Herr Kassavetes schluckte. Er stand von seinem Platz auf, ging zum Fenster, blickte kurz hinaus und kratzte sich am Kinn.

„Über allem steht immer noch das Gesetz“, sagte er schließlich. „Auch über einem Polizisten.“

„Es freut mich, dass Sie so denken, Herr Kassavetes“, erwiderte ich.

Er hob die Augenbrauen.

„War es das? Wir haben hier nämlich in diesem Dezernat auch noch einen Job zu erledigen!“

Ich nickte. „Das war’s.“

Wir wandten uns zum Gehen.

Kurz vor dem Ausgang von Kassavetes’ Büro fragte ich noch: „Hatte Rademacher eigentlich eine Freundin?“

„Nichts Festes. Jedenfalls nicht in den letzten zwei Jahren. Davor hatte er eine längere Beziehung und ich glaube, die beiden wollten auch heiraten. Ich glaube, der Job hat sie dann wohl auseinander gebracht. Es ist für eine Partnerin nicht unbedingt angenehm, mit einem Polizisten verheiratet zu sein. Die Überstunden, die unregelmäßigen Arbeitszeiten, und die ständige Gefahr, dass man den geliebten Menschen nicht wieder sieht, weil irgendein Irrer ihm eine Kugel in den Kopf knallt...“

„Sagt Ihnen der Name Christine Wistanow etwas?“

„Nein, tut mir leid, Herr Kubinke. Jedenfalls nicht aus dem Stegreif.“

„Sie hat behauptet, mit Rademacher eine Beziehung geführt zu haben.“

„Fragen Sie Subotitsch und Maybaum. Die kannten Thorben Rademacher noch etwas besser als ich.“


Vom Killer gejagt: 7 Strand Krimis

Подняться наверх