Читать книгу Vom Killer gejagt: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 60
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Mr Jonathan D. McKee, der Chef des FBI Field Office New York machte ein sehr ernstes Gesicht. Er drückte auf einen Knopf an der Fernbedienung des Beamers, mit dem die Videosequenzen seines Laptops an die Wand projiziert wurden und wandte sich uns zu.
Das Bild des Sportwagens, dessen Fahrer in provozierender Weise seinen Finger in die Höhe reckte, erstarrte. Die harmonisch etwas vereinfachte Hupenversion von Verdis Triumphmarsch brach ab.
Außer Milo und mir hatten auch noch die Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina sowie die Innendienstler Max Carter und Nat Norton in dem schlichten Sitzmobiliar in Mr McKees Büro Platz genommen.
Mandy kam herein und servierte ihren berühmten Kaffee.
„Da hat offenbar jemand denselben Autogeschmack wie du“, raunte mein Kollege Milo Tucker mir zu, während Mandy das Tablett absetzte und die Becher mit dem heißen Kaffee verteilte.
Mr McKee wartete, bis seine Sekretärin den Raum wieder verlassen hatte.
„Sie haben gerade eine Videosequenz gesehen, wie man sie sich aus dem Internet herunterladen kann. Teilnehmer illegaler Autorennen lassen sich bei ihren Heldentaten filmen und stellen die Bilder dann auch noch ins Netz, um sich damit zu brüsten. Wie Sie sehen konnten, sind diese Aufnahmen aus einem Helikopter gemacht worden...“
Illegale, teils transkontinentale Rennen waren ein Problem, mit dem sich das FBI immer wieder auseinanderzusetzen hatte. Und auch unser Field Office hatte sich in der Vergangenheit schon häufig damit beschäftigen müssen. Jahr für Jahr versuchte das FBI immer wieder in Zusammenarbeit mit lokalen Polizeibehörden, diese Rennen zu unterbinden. Aber das war wie beim Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel. Der Igel, dass waren in diesem Fall die Veranstalter dieser Rennen, waren immer schon da, bevor wir eingreifen konnten.
Die sogenannten Cannonball-Rennen wurden auf normalen Straßen durchgeführt und immer wieder kamen dabei völlig unbeteiligte Verkehrsteilnehmer durch die waghalsigen Überholmanöver und die völlig überhöhte Geschwindigkeit, mit der gefahren wurde, ums Leben oder wurden schwer verletzt.
Insbesondere Besitzer von luxuriösen Sportwagen sahen hier die Möglichkeit gekommen, ihre Rennschlitten endlich mal auszufahren.
Ein anderer wichtiger Faktor war das Geld. Allein die Antrittsgelder betrugen mitunter 40 000 Dollar und mehr. Für den Sieger winkten astronomische Summen. Und noch mehr konnte durch Wetten und Wettmanipulationen dabei verdient werden.
Und damit war auch schon die Hauptschnittstelle dieser Rennen zum organisierten Verbrechen beschrieben.
„Ich hoffe, der Kerl im Sportwagen sitzt inzwischen auf Rikers Island oder in Utica und hat ein Führerscheinverbot auf Lebenszeit aufgebrummt bekommen!“, kommentierte unser Kollege Clive Caravaggio die Szene, die Mr McKee uns soeben vorgeführt hatte. Der flachsblonde Italoamerikaner war nach Mr McKee der zweite Mann im Field Office. Er schüttelte nur mit dem Kopf.
„Der Mann, der den Sportwagen gefahren hat, sitzt tatsächlich für einige Jahre in Haft“, berichtete Mr McKee. „Er heißt Roger Petaffsky und bekam einige Jahre aufgebrummt, weil bei einem weiteren Unfall zwei Menschen ums Leben kamen. Er geschah etwa zwanzig Kilometer von der Stelle entfernt, an der die Aufnahmen entstanden sind, die Sie gerade gesehen haben.“
„Wie kann man nur solche Aufnahmen ins Netz stellen und glauben, dass man anschließend nicht erwischt wird!“, meinte Orry verständnislos. Unser Kollege indianischer Abstammung nahm einen Schluck Kaffee.
„Ich nehme an, dass die Eitelkeit wohl größer als die Angst vor dem Knast ist!“, glaubte Milo.
„Tatsache ist, dass sich im Netz Tausende solcher Videosequenzen finden lassen!“, berichtete unser Innendienstler Max Carter aus der Fahndungsabteilung. „Soweit sich Rückschlüsse auf strafbare Handlungen ziehen und die Täter identifizieren lassen, werden sie auch vor Gericht gestellt. Aber das ist nicht so leicht, wie man glauben könnte. Erstens sorgen die Täter meistens dafür, dass sie selbst nicht erkennbar sind und außerdem werden häufig auch falsche Nummernschilder benutzt. Im Fall von Mister Petaffsky hat er sich jedoch durch seinen Drang zur Selbstdarstellung selbst überführt.“ Max stand auf und streckte die Hand aus. „Wenn Sie mal eben den Beamer geben würden, Mister McKee.“
„Bitte!“, sagte unser Chef und gab Max das Gerät.
Max zoomte die Hand mit dem obszön emporgereckten Finger heran.
„Auf der Handaußenfläche ist eine Verbrennungsnarbe zu sehen, die so charakteristisch und individuell ist, dass Mister Petaffsky dadurch identifiziert werden konnte. Er ist nämlich bereits einschlägig vorbestraft, sodass seine Daten – darunter auch besondere Kennzeichen gespeichert waren. Der Unfall, den wir hier sahen, ging recht glimpflich für die Beteiligten aus, aber der zweite Vorfall, bei dem eine Mutter und ihr zehnjähriger Sohn in einem Ford mit Petaffsky kollidierten, fand wie gesagt zwanzig Minuten später statt.“
„Ich hoffe, er sitzt noch lange!“, meinte Milo.
„Da muss ich Sie leider enttäuschen, Milo“, erwiderte Mr McKee. „Er wurde durch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft auf Bewährung entlassen und versorgt uns seitdem mit wichtigen Informationen aus der Szene der Cannonball-Fahrer. Ich muss niemandem etwas darüber sagen, wie schwierig es ist, da einzudringen. Die sind natürlich extrem misstrauisch. Nicht umsonst ist es so gut wie nie gelungen, ein derartiges Rennen zu verhindern.“
Da hatte unser Chef leider Recht. Die Teilnehmer fanden immer wieder eine Möglichkeit, sich zu treffen, irgendwo einen Startpunkt auszumachen, um dann quer durch die Vereinigten Staaten zu fahren.
Jeder auf eigene Faust – aber nicht nur auf eigene Gefahr wie jedes Mal eine Serie schrecklicher Unfälle zeigte.
Max drückte auf den Knopf des Beamers.
Eine Großaufnahme von Roger Petaffsky wurde gezeigt.
„Petaffsky wandte sich an die Kollegen des FBI Field Office in Seattle und berichtete als Erster darüber, dass es offenbar dieses Jahr in Konkurrenz zum traditionellen Cannonball von New York nach L.A. auch einen sogenannten Northern Cannonball geben soll. Der Sieger bekommt sage und schreibe zwei Millionen Dollar. Ausgangspunkt soll in New York State sein, Zielpunkt Seattle, Washington. Die Gerüchte haben sich inzwischen auch aus anderen Quellen bestätigt und es gibt Anzeichen dafür, dass sich das organisierte Verbrechen mit immens hohen Wetteinsätzen engagiert. Über Petaffsky bekamen wir einen Kontaktmann hier in New York genannt, der bereit ist, mit dem FBI zusammenzuarbeiten. Sein Name ist Alexander Jason Clement. Er betreibt einen Club in der Avenue B, der immer mit illegalem Glücksspiel in Verbindung stand. Daher ist er auf das Wohlwollen der Justiz angewiesen und bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Außerdem hat er wohl irgendeine Rechnung mit einem der Organisatoren offen, aber das ist Spekulation.“
„Mit anderen Worten: Ein gut motivierter Informant“, stellte ich fest.
„In diesem Fall scheint er aber wirklich glaubwürdig zu sein, Jesse!“, gab Max zurück. „Er hat sich gestern Abend hier im Field Office gemeldet und möchte unbedingt ein Treffen arrangiert haben.“
„Ich übernehme das gerne“, sagte Clive.
„Dabei gibt es nur einen Haken, Clive“, erklärte Mr McKee. „Clement hat ausdrücklich um Jesse als Gesprächspartner gebeten.“
Ich war perplex. „Ich kenne diesen Clement nicht“, war ich mir sicher.
Mr McKee wandte sich mir zu. „Aber er kennt offensichtlich Sie, Jesse, und hat sich genauestens über Sie informiert. Über Sie und den Wagen, den Sie fahren.“ Unser Chef zuckte mit den Schultern. „Clement scheint sehr misstrauisch zu sein, aber es ist vermutlich so, dass er den Fahrer eines Sportwagens, der theoretisch an einem solchen Rennen teilnehmen könnte, einfach für vertrauenswürdiger hält. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber ich denke, es ist kein Problem, wenn wir Mister Clement in diesem Punkt entgegen kommen. Wenn wir Glück haben könnte es nämlich sein, dass sich zum ersten Mal überhaupt die Chance ergibt, so ein Rennen bereits zu stoppen, bevor es richtig begonnen hat! Das könnte mehrere Dutzend Menschenleben retten – von all den Verletzten mal ganz abgesehen, von denen einige ihr Leben als Invaliden beenden werden.“
„Dazu bräuchte man die Teilnehmerdaten“, stellte Milo glasklar fest.
Mr McKee nickte. „Und genau die hat Clement uns versprochen. Also behandeln Sie ihn wie ein rohes Ei.“