Читать книгу Vom Killer gejagt: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 62
Оглавление5
Clement traf eine Viertelstunde später ein. Er war ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann mit einem exakt gestutzten Knebelbart.
„Ich bin Agent Jesse Trevellian und dies ist mein Kollege Milo Tucker“, stellte ich uns vor.
Er nickte. „Ich weiß. Ich habe ein Bild von Ihnen gesehen, Agent Trevellian.“
„Ach, ja?“
„War glaube ich im Lokalteil der New York Times. Sie standen neben Staatsanwalt Robert Thornton und ich nehme an, dass Sie auch eher zufällig im Bild waren.“
„Sie scheinen sich immer genauestens über Ihre Gesprächspartner zu informieren“, stellte ich fest.
„Allerdings. Ich habe alles gesammelt, was man über Sie auf legalem oder illegalem Weg an Informationen zusammentragen kann. Zum Beispiel weiß ich, dass die Beschleunigungswerte Ihres Wagens an denen eines Kampfjets heranreichen...“
Ich war perplex. Der Mann hatte sich wirklich eingehend informiert. Aber letztlich war es theoretisch sogar möglich, dass jemand mit entsprechenden Hackerkenntnissen sogar an die Personaldaten des FBI herankam. Schließlich waren Hacker auch schon mehrfach ins Pentagon eingedrungen, obwohl das dortige Computernetzwerk als das bestabgeschirmte Netzwerk der Welt galt. Dass vor ein paar Jahren eine Handvoll Spaßvögel es mal geschafft hatten, die Fahndungsfotos der Kriminellen auf den Internetseiten des FBI gegen die Köpfe von Micky Maus und Donald Duck auszutauschen, war dagegen schon fast harmlos.
Absolute Datensicherheit gab es wohl nicht, wie ich immer wieder feststellen musste. Das Prinzip, nachdem Hacker vorgingen, war immer dasselbe. Bei einem Verbund von mehreren tausend Rechnern, wie im Pentagon, den Polizeibehörden, dem FBI und anderen öffentlichen Stellen oder großen Firmen, war es statistisch immer so, dass die Sicherheitseinstellungen von einigen wenigen Rechnern auf Werkseinstellung blieben und ein leichtes Eindringen ermöglichen. Je größer der Verbund, desto leichter kam man gewissermaßen durch die Hintertür herein. Eine Schwachstelle in diesem Fall war vermutlich die Exklusivwerkstatt Classic Car Tuning, die den Wagen gefertigt hatte und wo der Wagen regelmäßig zur Wartung und zur Erledigung von Reparaturen war. Bei allem Bemühen um Diskretion – den Sicherheitsstandard des Pentagon erreichten die sicher nicht.
„Bevor Sie nachfragen, Agent Trevellian: Ich werde Ihnen meine Informationsquellen nicht nennen. Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen! Andererseits sollte Sie die Tatsache, dass ich ein paar Dinge mehr über Sie und Ihren Wagen weiß, Sie auch nicht weiter beunruhigen. Ich weiß auf diese Weise, dass ich mit jemandem spreche, den ich einzuschätzen vermag und dem ich trauen kann.“
„Was macht Sie da so sicher?“
Clement grinste. „Sie haben eine beachtliche Liste von Verhaftungen vorzuweisen, und sicher haben Sie dabei jeden Trick angewendet, der nötig war, um Ihre Gegner zur Strecke zu bringen. Aber ich nach allem, was ich über Sie weiß, dürfte eins feststehen: Sie sind einfach ein zu aufrechter Charakter, um sich von den Bluthunden kaufen zu lassen, die hinter diesen Cannonball-Rennen stecken und damit das große Geld machen!“
„Und mit denen haben Sie Ärger?“
„Sagen wir so: Ich bin aufs Kreuz gelegt worden und habe bei einer Wette sehr viel Geld verloren. Jetzt hätte ich nichts dagegen, wenn der ganze Laden hochgeht und ein paar Leute, die mich übel gelinkt haben, dabei mit hochgehen.“
„Sie sind ehrlich, was Ihre Motivation für Ihre Kooperation als Informant angeht“, stellte ich fest.
Clement verzog das Gesicht. „Sie haben doch nicht etwa gedacht, dass es die lächerlichen Beträge sind, die das FBI für seine Spitzel bezahlt?“
„Nein, ehrlich gesagt habe ich niemals geglaubt, dass unsere Sätze ausreichen, um jemanden aus Ihrer Liga zur Mitarbeit zu bewegen. Aber jetzt sollten Sie uns langsam mal darlegen, was Sie eigentlich anzubieten haben.“
Die Formulierung ‚jemand aus Ihrer Liga’ war reine Schmeichelei. Schließlich wussten wir noch gar nicht, ob dieser Kerl überhaupt in irgendeiner Liga spielte oder uns nur etwas vormachte. Er wäre nicht der erste Wichtigtuer gewesen, der unsere Zeit verschwendete, in dem er uns vorspielte, dass wir einzig und allein mit seiner Hilfe, den Sumpf des organisierten Verbrechens endlich trockenlegen könnten.
Milo ergänzte: „Es ist davon die Rede, dass Sie uns eine Teilnehmerliste des Northern Cannonball verschaffen könnten.“
„Kann ich. Das wird sich allerdings noch etwas hinziehen. Schließlich ist die Anmeldefrist für dieses Rennen noch nicht abgelaufen. Außerdem könnte ich Ihnen vielleicht die Möglichkeit verschaffen, einen Fahrer einzuschleusen. Normalerweise kommt niemand ins Fahrerfeld, der keine persönliche Empfehlung hat. Aber da könnte ich herankommen. So weit reichen meine Verbindungen.“
„Unser Ziel ist es, dieses Rennen möglichst im Keim zu ersticken“, sagte Milo. „Wenn wir also den Startpunkt und die genaue Zeit wüssten...“
„Nein, beim Northern Cannonball ist das alles anders, Agent Tucker. Wenn Sie denken, dass Sie einfach die beteiligten Fahrer nach dem Start einsammeln können, sind Sie schief gewickelt. Die Organisatoren haben durch die Fehler gelernt, die die Organisatoren vergleichbarer illegaler Rennen schon gemacht haben. Es geht nämlich einfach um viel zuviel Geld...“
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo, der die Augen etwas verengte. Mein Kollege war bisher noch skeptisch, ob wir es vielleicht doch mit jemandem zu tun hatten, der am Ende nicht halten konnte, was er versprach. Ich teilte seine Skepsis. Andererseits wollte ich dieser Frage wirklich gründlich auf den Grund gehen.
„Hören Sie, ich will ganz offen sein“, sagte ich. „Bisher habe ich den Eindruck, dass Sie gar nichts haben, was uns wirklich interessiert, sondern nur viel Lärm um Nichts machen. An den Fahrern wären wir wirklich interessiert, aber damit halten Sie uns hin. Und ich nehme an, was Startpunkt und den genauen Starttermin angeht, sieht das genauso aus!“
„Ich kann Ihnen tatsächlich diese Daten nicht geben, aber wenn Sie mir einen Moment zuhören, dann werden Sie auch verstehen warum.“
„Da bin ich aber doch mal gespannt“, sage ich und lehnte mich zurück.
„Die Sache funktioniert so: Jeder beteiligte Fahrer bekommt über einen Mittelsmann einen GPS-Sender, den er an seinem Wagen befestigen muss. Per Email bekommen Sie ein Datum und eine Uhrzeit mitgeteilt. Vor diesem Zeitpunkt müssen Sie sich östlich des 75. Längengrades befinden.“
„Egal wo?“
„Suchen Sie sich einen strategisch günstigen Punkt aus, um einen guten Start auf dem Weg nach Seattle zu haben, Agent Trevellian. Aber wer den 75. Längengrad vorzeitig überschreitet ist draußen. Definitiv. Anhand des GPS-Signals ist das eindeutig zu sehen. Ziellinie ist der 124. Längengrad bei Seattle.“
„Wohin gehen die Signale?“
„In ein Hotel irgendwo in den Vereinigten Staaten oder sonst wo auf der Welt. Dort sitzen einige superreiche Motorsportfreaks oder Leute, die Wetten mit dem besonderen Kick lieben. Sie können im Gegensatz zu den Teilnehmern mitverfolgen, wer an welcher Position steht und ihre Wetten entsprechend gestalten. Auch während des Rennens noch.“
„Ich nehme an, dass es da nicht unbedingt sauber zugeht.“
„Angeblich sollen Drogensyndikate diese Wetten zur Geldwäsche nutzen. Selbst wenn sie auf den falschen setzen und für einen Schwarzgeld-Dollar nur zehn Cent wiederbekommen ist das noch ein Gewinn, weil das Geld über so viele Kanäle geleitet wird, dass es am Ende praktisch blütenweiß ist. Noch was: Es gibt ausdrücklich keine Regeln bei diesem Rennen – abgesehen von den Startmodalitäten, die ich Ihnen gerade berichtet habe.“ Ein überlegenes Lächeln erschien auf Clements Gesicht. „Wenn Sie Lust haben, Ihrem Konkurrenten die Reifen zu zerstechen, dürfen Sie das! Das macht die Sache für das Publikum besonders reizvoll – und vor allem unberechenbar, was die Wetteinsätze angeht.“
„Sie gehen offenbar davon aus, dass ich mitfahre. Aber das sehe ich ehrlich gesagt nicht.“
„Abwarten, Agent Trevellian.“
„Woher weiß der einzelne Fahrer, wer sein Konkurrent ist?“
Clement lachte. „Gar nicht! Das ist ja der Clou dabei! Jeder Fahrer eines Sportwagens, der einigermaßen PS unter der Haube hat, ist natürlich verdächtig, ein anderer Teilnehmer zu sein! Das exquisite Wettpublikum will natürlich auch sehen, wie sich exquisite Wagen messen! Ansonsten haben Sie keinen Anhaltspunkt! Die Leute, die für die Organisation dieses Rennens verantwortlich sind, haben diesen Modus in kleinerem Rahmen bei einem illegalen Rennen in South Dakota getestet und es hat sich gezeigt, dass durch diese Konstellation der Ungewissheit immer wieder interessante Dinge passieren. Ein Fahrer zersticht einem vermeintlichen Kontrahenten die Reifen, landet für ein paar Tage im Knast und verliert, obwohl er haushoher Favorit ist und so weiter...“
Ich nickte und begann langsam die Dimensionen des Spiels zu begreifen, das hier ablief.
„Ja, oder die Organisatoren schicken jemanden, der die Reifen zersticht oder sorgen auf andere Weise dafür, dass ein bestimmter Wagen nicht das Ziel erreicht – um Wetten zu manipulieren!“, vermutete ich.
„Durch das GPS-Signal ist die Rennleitung jederzeit über die jeweilige Position der einzelnen Wagen informiert, das ist richtig“, bestätigte Clement.
Den Manipulationsmöglichkeiten waren damit natürlich Tür und Tor geöffnet.
„Ich würde Ihren Wagen wirklich gerne mit den anderen Teilnehmern in Wettbewerb treten sehen!“
„Ich glaube, da haben Sie falsch gepokert.“
„Glaube ich kaum!“, sagte er und der Ausdruck absoluter Gewissheit, der jetzt in seine Züge trat, missfiel mir. „Ich habe hier den Köder, der Sie Ihre Bedenken vielleicht noch über Bord werfen lässt! Nein – ganz sicher sogar!“
„So?“
„Sagt Ihnen der Name Robert Dawn etwas?“
Milo und ich sahen uns an.
„Wenn wir denselben Robert Dawn meinen“, meinte Milo zögernd.
Clement grinste. „Wir meinen denselben. Den, der auf den Internetseiten des FBI als einer der zehn meistgesuchten Straftäter des Landes aufgeführt und seit Jahren vergeblich gesucht wird. Den Lohnkiller der Syndikate und jeden anderen, der bereit ist, seine horrenden Honorarvorstellungen zu erfüllen. Angeblich gehen sogar die Morde an mehreren Staatschefs in der dritten Welt auf sein Konto, aber das sind Gerüchte, von denen ich nicht weiß, ob Robert Dawn sie vielleicht nur deshalb streut, damit seine potentielle Kundschaft beeindruckt ist und ihn trotz seiner Super-Honorare noch engagiert, anstatt die Drecksjobs von irgendeinem Straßenköter erledigen zu lassen.“
Der Name Robert Dawn war jedem G-man seit Jahren geläufig.
Es gab mindestens zwanzig Morde im Umkreis des organisierten Verbrechens, die ziemlich eindeutig mit ihm in Verbindung gebracht werden konnten und bei mindestens noch einmal so vielen Taten war eine Beteiligung dieses Killers nicht ausgeschlossen.
Robert Dawn lebte irgendwo in- oder außerhalb der Vereinigten Staaten unter falschem Namen und falscher Identität.
Er machte sich im Gegensatz zu vielen anderen aus der Zunft der Hit-men überhaupt nicht die Mühe, seine Handschrift zu verbergen. Häufig hinterließ er am Tatort mit voller Absicht Spuren, die auf ihn als Täter hinwiesen oder er benutzte eine Waffe, die er bereits bei früheren Verbrechen verwendet hatte. Aus seiner Sicht der Dinge vergrößerte das wohl seinen Nimbus. Jeder unaufgeklärte Mafia-Mord, der mit ihm in Verbindung gebracht wurde, war inzwischen Werbung für sein zynisches Geschäft. Wer Robert Dawn engagierte, konnte sicher sein, dass die Sache diskret erledigt wurde und der Killer clever genug war, um nicht der Polizei in die Arme zu laufen, so lautete die unterschwellige Botschaften dieser Taten. Denn letzteres war der Albtraum jedes Auftraggebers, da Lohnkiller natürlich in Gefangenschaft dazu neigten, die Schuld nicht allein zu übernehmen, sondern in einem Deal mit der Staatsanwaltschaft ihre Auftraggeber zu nennen.
„Was hat Robert Dawn mit diesem Rennen zu tun?“, fragte Milo.
„Er ist einer der Teilnehmer“, erklärte Clement. „Das weiß ich ganz sicher. Und ich weiß, dass er einen Porsche fährt. Sie hätten die einmalige Chance, diesen Killer zu schnappen, wenn Sie es einigermaßen clever anstellen!“