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Kapitel 1: Ein Qriid namens Nirat-Son

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Jahr 2236…

Irgendwo im Niemandsland zwischen den Humanen Welten der Menschheit und dem Heiligen Imperium der Qriid…

Die falkenhaften Augen der Schnabel bewehrten, vogelartigen Gesichter wirkten aufmerksam. Grau wie das Gefieder unserer geflügelten Vorfahren, so hieß es in einem uralten Lied der Qriid, das noch aus der Zeit stammen musste, da dieses von einem tiefen Glauben an seine göttliche Mission erfüllte Volk seine Heimatwelt Qriidia noch nicht verlassen hatte. Eine Zeit, in der Gott das von ihm erwählte Volk noch prüfte, ob es auch wert sei, dass man es in den Kosmos hinausziehen und dort die Göttliche Ordnung errichten ließ.

Mythen und Legenden berichteten von dieser Zeit von der niemand genau sagen konnte, wie lange sie eigentlich her war.

Der Tanjaj-Rekrut Nirat-Son wusste nicht, weshalb ihm die Melodie dieses Liedes ausgerechnet jetzt einfiel, in einem Moment, in dem er eigentlich an nichts anderes hätte denken sollen, als an die Mission, die vor ihm lag. Die erste Außenmission, an der er teilnahm, seit er an Bord der KRALLE DER GLÄUBIGEN diente, einem Kriegsschiff im Dienst des Heiligen Imperiums der Qriid.

Die Melodie bildete eine Kette sehr schnell aneinander gereihter Halb- und Dreivierteltonschritte im Hochfrequenzbereich.

Angehörige vieler anderer Rassen hätten dies als unspezifisches Gezwitscher angesehen, aber für Nirat-Son stellte es eine unverwechselbare Melodie dar.

Eine Melodie, die ihm aus irgendeinem Grund einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Stattdessen wurde sie dort immer wieder aufs Neue abgespielt, wie ein Tonträger, der mit einer Fehlfunktion behaftet war.

Der Tanjaj-Rekrut überlegte, dass es vielleicht mit der attraktiven Eierlegerin zu tun hatte, die er in den Straßen von Qatlanor getroffen hatte, der auf Qriidia gelegenen unvergleichlich schönen Hauptstadt des Heiligen Imperiums. Qatlanor, die Göttliche, so nannte man diese Stadt auch, weil der Aarriid dort residierte.

Im Hintergrund hatte jemand dieses uralte Lied gespielt, als er der schönen Eierlegerin zum letzten Mal begegnet war.

Nur ein paar Mal hatten sie sich treffen können.

Nein, dachte Nirat-Son. Treffen ist nicht der richtige Ausdruck. Es waren Begegnungen. Begegnungen, die wie zufällig aussehen mussten.

Sie hatten ihre Namen ausgetauscht, was unter einander nicht versprochenen Qriid verschiedenen Geschlechts schon sehr viel mehr war, als den Tugendwächtern, die über die öffentliche Moral zu wachen hatten, recht war.

Anré-Sé

Ein Name, der in Nirat-Sons Bewusstsein wie eine Verheißung widerhallte. Eine Verheißung, die mit einem Schmerz verbunden war, denn sein Verstand sagte ihm, dass er Anré-Sé niemals wieder sehen würde. Zumindest standen die Chancen dafür denkbar schlecht. Sie war geringer als die Möglichkeit bei einer der gottgefälligen Lotterien, deren überschüssige Einnahmen an Bedürftige verteilt wurden, den Hauptgewinn zu erzielen.

Anré-Sé

Der Stachel der kalten Erkenntnis saß tief in seiner Seele. Eine Erkenntnis, die schlicht und ergreifend darin bestand, dass diese anmutige Eierlegerin von ihrer Familie und den Priestern für einen anderen Tanjaj vorgesehen war. Es gab nichts, was das noch ändern konnte. Bei den Qriid sollte jeder den Partner bekommen, den Gott für ihn bestimmt hatte. Und nach Ansicht des Priesters war es nun mal Gottes Wille, dass Anré-Sé die zweite Eierlegerin des hohen Tanjaj-Offiziers Rer-Gar wurde.

Du musst gegen diese Gefühlsregungen ankämpfen. Schließlich sind wir das zivilisierte, auserwählte Volk Gottes. Kein Qriid lässt sich von Emotionen wie der Zuneigung zu einer Eierlegerin davon abhalten, seine Pflicht gegenüber seinem Imperium und seinem Glauben zu erfüllen! So hatte man es Nirat-Son eingeimpft. Sowohl in der Schule, als auch während der Ausbildung zum Tanjaj, die er mit Bestnoten beendet hatte. Der Weg in höhere Offiziersränge stand jemandem wie ihm offen, wenn er sich bewährte. Und das war unvermeidlich, denn das Imperium befand sich fast unablässig im Krieg. Nur beim Tod eines Aarriid, wie das religiöse Oberhaupt der Qriid genannt wurde, kam es bis zur Bestimmung eines Nachfolgers durch die Priester zu einer Unterbrechung. Schließlich wurde der Heilige Krieg, mit dem das Reich der Qriid seine Expansion vorantrieb, im Namen des Aarriid geführt und so war es undenkbar, dass der Krieg fortgesetzt wurde, ohne dass der Stellvertreter Gottes auf seinem rechtmäßigen Thron saß, um die Gläubigen zu führen.

„Träumst du, Nirat-Son?“, fragte eine Stimme, die schneidend klang und deren Worte von einem schabenden Geräusch unterstrichen wurden, wie er bei der Reibung von zwei Schnabelhälften entstand. Kalte, graue Augen blickten Nirat-Son an. Sie wirkten prüfend, geradezu durchdringend.

Dieses scheinbar bis auf den Grund seiner Seele blickende Augenpaar gehörte Tan-Balo, dem Kommandanten des Kriegsschiffes KRALLE DER GLÄUBIGEN. Der Kommandant trat auf den Tanjaj-Rekruten zu und öffnete leicht den nach unten gebogenen Schnabel, an dessen Unterhälfte er mit einer seiner Klauen entlang rieb. Die kräftigen, nach hinten geknickten Beine machten einen letzten Schritt. Die Krallen bewehrten Pranken, die bei den Vorfahren aus uralter Zeit angeblich einmal Flügel gewesen waren, wurden verschränkt. „Wir befinden uns in einer unbekannten Region des Alls“, sagte der Kommandant. „Unsere Aufgabe ist es, zusammen mit dem Flottenverband, dem wir angehören, diesen Sektor zu kartographieren, Daten technisch und astronomisch zu erfassen und die informationellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere Expansion auch hier erfolgreich sein wird.“ Tan-Balo sog die sehr sauerstoffhaltige Luft in sich hinein. Eine leichte Anhebung des Sauerstoffwertes über den Normwert hinaus, konnte die Leistungsfähigkeit einer Schiffsbesatzung erheblich verbessern, so lauteten jüngste Forschungsergebnisse, die an der Universität von Qatlanor anhand umfangreicher Untersuchungen gewonnen worden waren. Seitdem war man dazu übergegangen den Sauerstoffgehalt in der Atemluft von Einheiten, die sich in einem heiklen Einsatz befanden, um drei Prozent zu erhöhen.

Dadurch ließen sich auch die für jeden Qriid unerlässlichen Schlafintervalle verkürzen, was vor allem auch innerhalb der imperialen Industrie große Aufmerksamkeit erzeugt hatte. Schließlich wurde hier jede Möglichkeit einer Effektivierung der kriegswichtigen Produktion gerne aufgegriffen.

Die Qriid kämpften an einer sich ständig vorwärts schiebenden Front, die stets irgendwo durch das All verlief und im Grunde unsichtbar blieb.

Die zweite Front, mit der das Imperium zu tun hatte, befand sich im Bereich von Industrie und Wirtschaft. Das Imperium lief ständig Gefahr, die eigenen Möglichkeiten zu überdehnen.

Und dieser Gefahr musste mit aller Kraft entgegen gehalten werden.

Kommandant Tan-Balo steuerte über eine Fernbedienung die Funktionen eines Bildschirms in bestechender Qualität, der die gesamte Wand des ansonsten sehr karg eingerichteten Konferenzraums an Bord der KRALLE DER GLÄUBIGEN.

Die qriidische Videotechnologie wäre durchaus fortgeschritten genug gewesen, um dreidimensionale Darstellungen zu erzeugen. Aber da die Qriid auf Grund ihrer weit auseinander stehenden Augen ohnehin ein schlechtes räumliches Sehvermögen besaßen, hätte das wenig Sinn gemacht.

Tan-Balo aktivierte die Weltraumansicht eines Planeten, dessen gelbe Sonne im Hintergrund leuchtete. Der Planet war vollkommen weiß. Ein schneebedeckter Eisklumpen, so schien es. Ein paar schmutzig-braune Flecken waren zu erkennen, bei denen sich wahrscheinlich um Ablagerungen handelte. Material, das der Planet im Laufe der Jahrmillionen aus dem Weltraum eingefangen hatte und das sich schließlich auf der Oberfläche ablagerte.

„Das ist Korashan-5, eine Welt, die einem Eisklumpen gleicht. Die anderen Planeten des Korashan-System weisen zwar allesamt sehr ungemütliche Lebensbedingungen auf, besitzen aber bedeutende Vorkommen an Rohstoffen, die für unsere Industrie notwendig sind“, erläuterte Tan-Balo. „Eine planetare Angleichung an die Qriidia-Norm könnte sich in dem einen oder anderen Fall durchaus lohnen.“

„Dann plant das Oberkommando des Tanjaj-Mar einen Ausbau des Korashan-System als industrielle Basis?“, erkundigte sich der Erste Offizier. Sein Name war Dom-Tabun. Seine Uniform war voll von Orden- und Ehrenzeichen, die ihn als einen Tanjaj – Glaubenskrieger - auswiesen, der sich mit ganze Kraft dem Kampf gegen die Ungläubigen gewidmet hatte. Der Umstand, dass ein Auge und ein Bein durch Prothesen ersetzt worden waren, sprach in diesem Zusammenhang für sich. Dabei waren sowohl die Augen- als auch die Beinprothese so beschaffen, dass man ihren künstlichen Ursprung sofort erkennen konnte. Man hatte sich in keiner Weise bemüht, den natürlichen Zustand nachzubilden, sondern es war volle Absicht, für jeden Betrachter gleich erkennbar werden zu lassen, welch großes Opfer dieser Glaubenskrieger für den permanenten Krieg des Heiligen Imperiums und die Errichtung der Göttlichen Ordnung gebracht hatte. Zusammen mit den Orden an seiner Brust ergab dies für junge Tanjaj-Rekruten wie Nirat-Son ein fast schon einschüchterndes Bild.

Nirat-Son hatte immer ein leichtes Schaudern bei diesem Anblick erfasst und er hatte sich gefragt, ob er zu denselben Heldentaten und dem hohen Grad an Selbstaufopferung fähig wäre wie Tan-Balo. Der Schmerz öffnet den Weg zum Glauben - dieses Axiom aus der qriidischen Weisheit des beinahe schon mythischen Ersten Aarriid, der vor vielen Zeitaltern auf dem Thron in Qatlanor als Stellvertreter Gottes residiert hatte, fiel Nirat-Son jetzt ein. Als Tanjaj war er nicht nur intensiv in Kampftechniken und Raumtechnik unterwiesen worden, sondern auch in der Glaubenslehre der qriidischen Religion.

„Deine Vermutung ist vollkommen richtig“, bestätigte Tan-Balo. „Und darum spielt auch Korashan V eine so wichtige Rolle. Alle anderen Korashan-Welten sind extrem wasserarm. Aber Sie wissen selbst, dass die Anlage von Industriekomplexen ohne das Vorhandensein von ausreichend Wasser so gut wie unmöglich ist. Darum möchte ich, dass Tanjaj-Nom Bras-Kon sich mit einem Beiboot auf die Oberfläche begibt, zum dort die Lage zu erkunden.“

Ein Tanjaj-Nom war ein niederer Offiziersrang innerhalb der sich selbst als gleichermaßen elitäre wie verschworene Gemeinschaft betrachtende Kaste der Gotteskrieger.

„Es wird mir eine Ehre sein!“, meldete Bras-Kon und seine Haltung straffte sich dabei.

„Du weißt, dass eure Expedition nicht die erste ist, die Korashan V anfliegt, und dass das letzte dort abgesetzte Außenteam unter mysteriösen Umständen verschwand. Zumindest brach der Kontakt ab und es wird unter anderem eure Aufgabe sein, nach dem Verbleib dieses Teams zu suchen. Letzte Meldungen besagten, dass unsere Glaubensbrüder auf Vertreter jener heidnischen und schnabellosen Spezies von Säugetierabkömmlingen trafen, von denen unsere Kundschafter vermuten, dass sie jenseits der unbekannten Zone ein großes Sternenreich besitzen.“

Tan-Balo ballte seine beiden Krallen bewehrten Klauen zu den Qriid-Äquivalenten von Fäusten. „Irgendwann werden wir diesen schnabellosen Heiden begegnen und gezwungen sein, sie im Kampf niederzuringen, damit sie sich der Göttlichen Ordnung unterwerfen können. Und dazu brauchen wir hier im Korashan-System eine starke Basis…“ Tan-Balo ließ den Blick schweifen, was für einen Qriid nur eine minimale Kopfdrehung bedeutete. Schließlich besaßen die Vogelartigen Glaubenskrieger eine Rundumsicht von fast 270 Grad. Kommandant Tan-Balo fixierte schließlich Rekrut Nirat-Son auf eine Weise, die dieser als äußerst unangenehm empfand. „Zeige mehr Eifer, Nirat-Son! Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass es Dinge in deinen Gedanken gibt, die dich von deiner wahren Bestimmung ablenken. Was auch immer das sein mag, verbanne es aus deinem Bewusstsein.“

„Ja, Kommandant!“, gab Nirat-Son zurück, der sehr wohl wusste, dass es keinen Sinn hatte, irgendeinen Widerspruch zu äußern. Das hatte er während seiner Ausbildung zum Tanjaj vollkommen verinnerlicht. Der Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten bildete die Grundlage der Kampfkraft, so hatte man es ihnen beigebracht. Kein Sieg für den Glauben ohne Disziplin. Mochte Nirat-Son als Tanjaj auch einem einfachen Industriearbeiter an gesellschaftlichem Ansehen haushoch überlegen sein, so hatte er sich und sein Leben doch vollkommen unterzuordnen. Aber Nirat-Son sah das als Selbstverständlichkeit an. Wie sonst hätte das Heilige Imperium seine permanente Expansion nun schon so lange fortsetzen können?

Die Gedanken, die dich von deiner Aufgabe ablenken – du kennst sie genau, dachte Nirat-Son. Und du weißt auch, dass sie sich nicht so einfach verbannen lassen. Weder durch Meditationstechniken, noch durch eine rituelle Reinigung, wie sie dir dein Vorgesetzter mit Sicherheit gleich vorschlagen wird!

„Du solltest unsere Bordpriester aufsuchen“, sagte Tan-Balo nun tatsächlich und in einem sehr viel versöhnlicheren Tonfall.

Er galt als ein Kommandant, der sehr um das spirituelle Wohl seiner Tanjaj besorgt war.

„Jawohl“, sagte Nirat-Son und senkte den Kopf nun so tief, dass der nach unten gebogene Schnabel beinahe die Uniformbrust berührte.

„Manchmal kann es in deinem Alter vorkommen, dass man glaubt, die Reinigungsrituale ungestraft gering schätzen zu können. Mir ist es nicht anders gegangen.“

„Ich danke dir für dein Verständnis, Kommandant. Aber ich habe mir in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen.“

Jeder Tanjaj hatte in einem Tempel Reinigungs- und Läuterungsrituale zu vollführen, bevor es ihm gestattet war, an Bord seines Schiffs zu kommen. Das war fester Bestandteil des Tanjaj-Lebens. Den Glaubenskriegern wurde von Anfang an eingeimpft, wie wichtig nicht nur die Pflege der Waffen, sondern auch wie unerlässlich die Pflege des Glaubens und die Reinheit der eigenen Seele waren.

Beides stand nach den Lehren der qriidischen Überlieferung, auf die sich die Tanjaj beriefen, gleichrangig nebeneinander. Das eine war ohne das andere nicht denkbar. Was nützte ein gut bewaffneter Glaubenskrieger, der seine Feinde mit Leichtigkeit besiegen könnte, wenn sein Geist und sein Glaube schwach waren und dafür sorgten, dass er den Mut verlor, den der Kampf für die Sache der göttlichen Ordnung nun einmal verlangte?

„Geh zum Bordpriester, bevor du das Beiboot betrittst, das dich nach Korashan V bringen wird!“, verlangte Tan-Balo noch einmal. „Sonst wirst du Unglück über die Mission bringen.“

„Ich werde tun, was du verlangst, mein Kommandant“, versprach Nirat-Son.

Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

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