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Auf der Straße atmete ich erst einmal tief ein. In den letzten Stunden hatte es sich angenehm abgekühlt, und ein ganz leichter Wind war aufgekommen. Mit Schaudern erinnerte ich mich, dass die Fenster in meiner Wohnung den ganzen Tag geschlossen gewesen waren – da musste jetzt ein schöner, stickiger Mief herrschen. Wie im Auto. Leise fluchend kurbelte ich alle die Fenster herunter, um Durchzug zu erzeugen, und lehnte mich zurück. Irene Kehlin trat oben an die Fenstertür und winkte in meine Richtung, als wolle sie ihr mehr als knappes »Wiedersehn«, entschuldigen. Leise lachend beugte ich mich aus dem Fenster und winkte zurück. Wie sie da oben stand, spürte ich einen ganz kleinen Stich in der Herzgegend.

Hinter mir ließ jemand seinen Motor an, das Abblendlicht leuchtete auf, aber niemand fuhr los. Mäßig interessiert sah ich in den Rückspiegel: Die Scheinwerfer rührten sich nicht von der Stelle. Nach knapp dreißig Sekunden erloschen die Lichter, der Motor wurde abgestellt. Trottel!, dachte ich kopfschüttelnd und startete.

Ich war gerade aus der Parklücke ausgeschert, als die Scheinwerfer wieder aufstrahlten und der fremde Wagen sich in Bewegung setzte. »Trottel«, murmelte ich wieder, diesmal laut und stutzte. Das Auto blieb fünf, sechs Längen hinter mir. Irritiert bremste ich leicht und zog nach rechts, doch der Fahrer hinter mir dachte nicht ans Überholen, sondern wurde auch langsamer. Nun war die Straße an dieser Stelle nicht besonders breit, und das Manöver wäre mir bestimmt nicht aufgefallen, wenn der Fremde sich vorhin nicht so auffällig benommen hätte: Motor und Licht an, Motor und Licht aus; wieder an, als ich losfuhr ... Und jetzt hielt er betont auf Abstand. Zufall? Nach einer Verfolgung sah das eigentlich nicht aus, dazu hatte der Fahrer hinter mir zu stümperhaft reagiert. Oder? Gleichmäßig, mit Tempo vierzig, fuhr ich den Abhang zum Stadtwaldplatz hinauf. Die Lichter hinter mir blieben in konstantem Abstand, und so ganz langsam kroch mir ein kalter Zeigefinger das Rückgrat hoch.

Jetzt wollte ich es wissen. Ganz sachte, immer nur im zweiten Gang, bog ich in eine Seitenstraße ein, kutschierte sinnlos viermal rechts herum um den Block und starrte angestrengt in den Rückspiegel. Der fremde Wagen blieb mir auf den Fersen. Es war fast eine Provokation. Gemächlich rollte ich auf die Frankenstraße zu und blinkte nach rechts.

Plötzlich gab der Kerl Gas, holte auf, blinkte links, betätigte wie wild die Lichthupe und schoss mit kreischenden Reifen an mir vorbei nach links. »Verdammter Idiot!«, sagte ich laut und bog nach rechts ab. Wahrscheinlich so ein verrückter Halbstarker, der sich daran freute, anderen Leuten Angst einzujagen.

Der Trick wäre beinahe geglückt. Erst zwei Kreuzungen vor unserem Büro registrierte ich den dunklen Sportwagen, der mich hartnäckig verfolgte. Aber diesmal saß ein Profi am Steuer, der mich an der langen Leine vorausfahren ließ. Nur durch Zufall entdeckte ich ihn, als ich bei Gelb über eine Kreuzung huschte, den bekannten HatdichdiePolizeibeobachtet?-Blick in den Spiegel warf und den Sportwagen bemerkte, der bei Rot durchjagte. Der Kerl musste Nerven wie Drahtseile haben, und diesmal wurde mir verdammt mulmig. Aber wenn es jemand so haben wollte – na bitte!

So schnell wie möglich fuhr ich zur Ruhrallee. Nur mit Tempo konnte ich den Schatten nicht abschütteln, das war mir klar, aber dafür kannte ich eine Baustelle im Ruhrtal mit einer kleinen Besonderheit: Hinter einer Linkskurve hatte man für die Baufahrzeuge einen provisorischen Überweg über den mit dichten Büschen bestandenen Mittelstreifen eingerichtet.

Es klappte wie bestellt. Mit Tempo neunzig nahm ich die Kurve, bremste scharf und zog nach links in den Überweg, stand still und schaltete sofort das Licht aus. Mein Hintermann hatte das Manöver wegen des Buschwerks nicht sehen können, und jetzt war mein Wagen auch noch weitgehend hinter Ästen und Blättern verborgen. Prompt schoss er, ebenfalls viel zu schnell, an meinem Versteck vorbei. Ich gab ihm eine Minute Vorsprung und gondelte auf der Gegenfahrbahn ins Büro – diesmal jedoch ohne Verfolger. Nachdem ich die beiden Cassetten im Safe deponiert hatte, kam ich auch ohne Schatten nach Hause.


Ruhrpott, Venedig, Tanger - tot! 3 Krimis

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