Читать книгу Krimi Doppelband 2211 - Alfred Bekker - Страница 8

2

Оглавление

Hauptkommissar Alfred Specht, ehemals Leiter der Sektion II im Ruhrrevier, saß hinter seinem früheren Schreibtisch. Weil wir gelegentlich in Dortmund noch gebraucht wurden, hielten die Kollegen unsere alten Arbeitsplätze verfügbar – in Bereitschaft sozusagen.

Spechts gutmütiges Gesicht mit der Knubbelnase und der rot geäderten Haut war eine steife Maske. Er schaute mich an. Dieser Blick sagte: »Verdammt, Borgmann, du bist doch Bundesbulle! Also tu was, Mann!«

Bundesbulle. Der neue Typ eines Polizisten. Sie hatten mir ein eigenes Kommissariat geschaffen. Und jetzt, da wir eine eigene BKA-Dienststelle in Berlin geworden waren, galten wir längst als eine Institution.

Soko II, Borgmann – der Bundesbulle. Sie hatten mir eine beispiellose Freizügigkeit eingeräumt, hatten mich für absolut unabhängig erklärt, mich jenseits aller Dienstvorschriften gestellt, hatten mich, wenn man so wollte, zum König gemacht.

»Ich habe nichts gegen Spagetti, Lambrusco und Parmaschinken, solange ich das Zeug nicht selbst essen muss«, grollte Specht. »Ich habe auch nichts dagegen, wenn die sich auf Sizilien mit Schrotflinten gegenseitig den Arsch wegschießen. Absolut nicht. Aber, verdammt, die tragen ihre Vendettas in unserem Land aus, Peter! Und sie töten Menschen, die mir sehr nahe stehen. Verstehst du?«

Ich verstand, dass er unter Larissa Steiners Tod genauso litt wie wir alle, die wir Larissa gekannt hatten. Sie war zwei Stunden, nachdem ich das Klinikum verlassen hatte, gestorben, ohne noch einmal aufzuwachen. Ich verstand Spechts ohnmächtige Wut.

»Ich weiß verdammt nicht, wie viele Abteilungen sich schon mit Rossario auseinander gesetzt haben. Eine Menge. Betrug, Rauschgift, was weiß ich. Auf jeden Fall ist es so, dass ihm keiner den Teppich unter den Füßen wegziehen konnte, obgleich jeder weiß, dass er alles tut, was seine Religion ihm verbietet.«

Ich nickte. Alfred Specht musste man ausreden lassen. Vor allen Dingen in dem Gemütszustand, in dem er sich augenblicklich befand.

»Rossario hat Geld, er kauft Anwälte, Zeugen, alles. Manchmal denke ich, er kauft sich auch das Recht. Du kennst doch die Akte, oder?«

Ich kannte sie. Der wahr gewordene amerikanische Traum in Deutschland. Rossario war als Pizzabäcker aus Palermo gekommen, hatte nach einem Jahr seinen ersten Laden aufgemacht, dann seinen zweiten und dritten. Und dann hatte er die richtigen Leute um sich gesammelt und plötzlich war er »Der Italiener« im Pütt geworden. Nichts war mehr an ihm vorbeigelaufen. Wer Geschäfte machen wollte, tat gut daran, sich ihn zum Paten zu nehmen und regelmäßig dreißig Prozent seines Bruttoverdienstes – Nettoverdienst war für ihn ein Wort des Teufels – an seine Männer zu bezahlen. Die machten einmal wöchentlich die Runde und hielten die Hände auf. Es gab Hunderte, die ihn bis aufs Blut hassten, aber nicht einer, der eine Flinte auf ihn abdrückte und dem Pütt seinen ersten und einzigen Paten nahm. Einen, auf den alle verzichten konnten.

»Du kannst mir nicht weismachen, dass das BKA Wiesbaden sich noch nicht mit Rossario beschäftigt hat, Peter.«

»Versuche ich auch nicht, Alfred. Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.«

Alfred Specht stand auf. Er war nicht besonders groß, aber dennoch eine imponierende Erscheinung. Man sah ihm an, dass eine latente Gefährlichkeit in ihm schlummerte und es besser war, die nicht aufzuwecken.

DAB sah mich an.

»Karaschewski und Stahlmann haben vor einer Stunde angerufen. Sie waren bei Rossario in der Mama Luna, um mehr zu erfahren. Es waren schon einige da, Peter. BKA. Die Kerle beschwerten sich, und von irgendwo oben kam der Pfiff, der Karaschewski und Stahlmann in die Schranken wies. An sich wäre das nicht tragisch, aber es kursiert die Meinung, dass Rossario überhaupt kein Fall ist und man ihn nicht mit Larissa Steiners Tod in Verbindung bringen kann. Ich weiß nicht, was da los ist, Peter. Aber jemand hat einen sehr fein gewobenen Heiligenschein gesponnen und ihn Rossario aufgesetzt. Warum, zum Teufel?«

Ich zuckte mit den Schultern. Alles, was ich hörte, war Neuland für mich. Aber alles, was ich hörte, machte mich auch etwas wütender.

»Es waren deine Leute!«, hatte Kocker mir am Telefon gesagt. Meine Leute. Damit meinte er wohl nicht irgendwelche Beamte des BKA, sondern Rossario und sein Umfeld. Damit meinte er wohl, dass es Leute waren, an die ein kleiner Polizist nicht herankam und die sich ein Mann mit meinen Privilegien vornehmen musste.

»Und?«, fragte Specht.

»Und was?«

Seine Augen, es konnten die Gütigsten der Welt sein, bekamen einen eisigen Glanz. Ich kannte ihn so nicht, obgleich ich für ihn wie ein Sohn war und er mir auch als Vater gefallen hätte. Sekundenlang starrte er mich an. Wie einen Feind. Dann brach die starre Maske auf und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Natürlich«, sagte er. »Entschuldige. Verdammt, ich bin nervös, wenn in meinem Revier Dinge geschehen, die ich nicht begreife. Die Geheimniskrämerei macht mich krank. Ich bin einfach nicht geschaffen für ein geschlossenes Visier.«

»Ich auch nicht«, sagte ich und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Tu mir einen Gefallen und pass auf Kocker auf. TNT sieht aus, als würde er selbst aus TNT bestehen und schon das Feuer für die kurze Lunte in der Hand halten.«

»Sicher«, sagte Alfred.

»Wo sind Karaschewski und Stahlmann?«

»Unterwegs, um woanders die Informationen zu sammeln, die sie in der Mama Luna nicht bekommen durften.«

Das klang verdammt bitter.

»Mach sie ausfindig und schick sie in die Mama Luna. Und noch etwas, Alfred. Kassier alles ab, was sich an Zeugenaussagen ergibt.«

»Du meinst, deine Freunde halten die sonst so versteckt, dass du sie nicht findest?«

Ich lachte leise, aber nicht fröhlich. »Erstens«, sagte ich, »sind das nicht meine Freunde, Alfred. Und zweitens können die Beweismaterial und Zeugenaussagen gar nicht so tief verbuddeln, dass ich es nicht finde. Es ist nur so, dass ich meine Zeit nicht gerne mit Suchen verbringe.«

Krimi Doppelband 2211

Подняться наверх