Читать книгу Krimi Paket 9 starke Thriller im August 2021 - Alfred Bekker - Страница 68
27
ОглавлениеBount stieß mit dem Fuß probeweise gegen das Schlauchboot. Die altersschwache Pumpe hatte ziemliche Mühe gehabt, das Ding voll Luft zu kriegen. Bount fürchtete jeden Moment, dass sie ihren Geist aufgab, aber sie hatte es tatsächlich geschafft, das Schlauchboot zu praller Größe aufzublasen. Hernandez hatte recht gehabt. Das Boot war nur in der Lage, eine einzige Person zu transportieren. Zwei kurze Paddel waren für die Fortbewegung gedacht.
Ein Außenbordmotor hätte wenig Sinn gehabt, denn sein Geräusch wäre trotz der Brandung zu hören gewesen. Bount musste davon ausgehen, dass die Gangster Wachen aufgestellt hatten.
Glücklicherweise war heute keine mondhelle Nacht. Die See sah aus wie ein tiefschwarzes Loch. Nur die Schaumkämme auf dem Riff blitzten hell in der Nacht. Die weißen Rümpfe der Jachten weiter draußen waren gut zu erkennen. Bount hatte sich am Nachmittag anhand der Liegeplätze der Boote genau die Richtung eingeprägt, die er nehmen musste. Jetzt aber brauchte er verdammt viel Glück.
Gemeinsam trugen sie das Boot hinunter zum Strand. Bount hatte sich den Revolver des Capitans unter die wasserdichte Neoprenhaut geschoben und den Reißverschluss sorgfältig verschlossen. Er hatte keine Lust, am Ziel womöglich mit einer nutzlosen Waffe aufzutauchen.
Die Wellen plätscherten leise gegen den Strand, und sie ließen das Boot von den Schultern. Die Paddel hingen zu beiden Seiten herab. Bount hatte sie mit Draht gesichert, dass sie auch bei stürmischen Wogen nicht abgerissen werden konnten. Ohne sie war er völlig hilflos. Sie waren seine einzige Manövrierhilfe.
„Sie werden es nicht schaffen!“, sagte Hernandez schließlich und blickte auf die See.
Bount lächelte, aber das konnte Hernandez in der Dunkelheit nicht sehen. „Das haben mir schon viele Leute gesagt. Ich bin hier und lebe. Ich muss es schaffen. Meine Freunde dort draußen haben keine andere Chance. Wahrscheinlich nehmen sie an, dass ich ertrunken bin. Die Überraschung wird ziemlich groß sein.“
„Ich warte bis morgen früh. Wenn ich bis dahin nichts gehört habe, fahre ich zurück. Dann werde ich eine andere Lösung suchen. Lieber wäre es mir aber, wenn ich meinen Revolver zurückbekäme. Sonst müsste ich nämlich einen ziemlichen Papierkrieg führen. Auch unsere Bürokratie nimmt es mit Waffen genau.“
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Vielleicht brauche ich ein bisschen Munition.“
„Die werde ich verschmerzen können.“ Die beiden Männer schüttelten sich die Hände. „Ich wünsche Ihnen viel Glück. Sie sind ein sehr tapferer Mann.“
Bount sprang in das Boot. „Schieben Sie an.“
Ächzend bückte sich der Capitan und versetzte dem winzigen Boot einen kräftigen Stoß. Schaukelnd tanzte es über die Wellen, und nach wenigen Minuten sah Bount Reiniger den Polizisten nicht mehr. Er verschmolz in der Dunkelheit der Küste, als hätte es ihn nie gegeben. Bount richtete seine Aufmerksamkeit nach vorn.
Feine Gischt sprühte über sein Gesicht, als er dem Riff näher kam. Die Stelle, die er sich ausgesucht hatte, musste unmittelbar vor ihm sein. Da war sie schon! Eine schmale Rinne, die sich nach links hin ein wenig erweiterte. Das Wasser schäumte durch den natürlichen Kanal, brach sich aber nicht an den tückischen Zacken, die das Riff kennzeichneten.
Bount brachte sein Boot ins Gleichgewicht, wartete die nächste Welle ab und kämpfte sich dann mit heftigen Ruderschlägen der dafür nicht geeigneten Paddel vorwärts.
Das Schlauchboot streifte ratschend einen Felsen, und Bount dachte schon, sein Ausflug sei hier zu Ende. Aber die Kunststoffhülle überstand diese erste Belastungsprobe. Er stieß sich mit den Paddeln von den Felsen ab, um in der Mitte der Rinne zu bleiben. Er kam äußerst langsam voran, da das strömende Wasser stärker war als erwartet. Immer wieder spürte er, dass unsichtbare Hindernisse unter dem Boden entlangstreiften. Aber die dünne Schicht hielt!
Bount konnte nicht verhindern, dass das Boot allmählich volllief. Er hatte keine Zeit, sich auch noch darum zu kümmern. Die Rinne wurde enger. Das hatte er ja vom Land aus schon gesehen. Das Boot streifte die Felsen und Korallenbänke zu beiden Seiten. Das hatte den Vorteil, dass er sich besser abstoßen konnte. Er wurde vom Wasser nicht so leicht zurückgetrieben.
Bald steckte das Boot wie ein Korken zwischen den Felsen. Die Sicht war so schlecht, dass Bount kaum die Hand vor Augen sah. Die glitzernden Schaumkronen waren gefährlich nahe, und ständig wurde er von wahren Wasserfluten überschüttet.
Mühsam befreite er das Schlauchboot aus dem Engpass. Eine Welle hob es empor und es prallte gegen einen Felsen. Splitternd zerbrach eines der Paddel.
Bount krallte sich an dem umlaufenden Tau fest, um nicht hinausgeschleudert zu werden. Das Boot drehte sich mehrfach um die eigene Achse und hing schließlich in Schräglage wieder fest. Das Innere war bis oben mit Wasser gefüllt.
Bount saß auf dem Riff fest. Ein Zischen verriet ihm, dass eine der Luftkammern aufgeschlitzt war. Er spürte, wie das rechte Mittelstück seine Form verlor. Glücklicherweise besaß das Schlauchboot mehrere Kammern. Aber die anderen mussten halten.
Er veränderte seine Lage und damit den Schwerpunkt des Bootes. Es kippte zur Seite und kam wieder frei. Das Kratzen der Felsen an der luftgefüllten Hülle kam ihm unerträglich laut vor.
Er paddelte wie ein Wahnsinniger und verzweifelte fast, weil er kaum vorankam. Der Druck der Wellen warf ihn immer wieder zurück. Dann kam er in das etwas ruhigere Wasser hinter einer massiven Barriere. Das Boot drehte sich in einem Strudel, den er aber rasch verlassen konnte. Er hielt sich mit der Hand an dem Felsen fest und sah sich um. Sein Boot mit der halbschlaffen Hülle lag merkwürdig schief im Wasser.
Hinter dieser letzten Barriere lag die offene See. Es gab keine Lücke. Die Wellen von der anderen Seite überschütteten ihn mit Schaum.
Er musste über den Felsen. Es gab keine andere Wahl. Vorsichtig prüfte er den Felsen, der auf dieser Seite sehr scharfkantig war. Er fand einen Halt für seine Füße, krallte sich mit einer Hand fest und wagte den Schritt. Mit der anderen Hand hielt er das umlaufende Tau fest und zog das Boot halb aus dem Wasser.
Es war eine Schinderei, aber er schaffte es, mitsamt dem Schlauchboot auf den Felsen zu kommen. Dann betrachtete er die Seeseite. Es gab wieder eine schräglaufende Rinne, in der das Wasser ruhiger war. Sie endete zwischen zwei mächtigen Blöcken, an denen das Wasser hochgischtete.
Bount ließ das Boot ins Wasser und sprang hinein. Rasch paddelte er oder stieß sich ab. Am Ende der Rinne glaubte er plötzlich, unter Wasser gezogen zu sein, aber es war nur eine besonders starke Welle, die ihn begraben wollte. Der letzte Versuch der See, sein Vorhaben zu verhindern.
Er hatte das Riff überwunden.
Für ein paar Minuten ließ er das Boot treiben um sich auszuruhen. Er konnte keine weiteren Beschädigungen feststellen, wenn es auch keine Stelle gab, die nicht von langen Kratzern durchzogen wurde. Irgendwann würde die nun mürbe Hülle ihren Geist aufgeben.
Bount nahm Kurs auf die „Valetta“. Er bemühte sich, kein Geräusch zu verursachen, aber die Brandung war noch laut genug, um das Plätschern zu übertönen.
An Steuerbord der „Valetta“ lag ein Beiboot. Das Schiff selbst sah verlassen aus. Bount hielt sich im Schatten, nachdem er einen leichten Bogen geschlagen hatte und zog das Paddel ein, da die See ihn direkt auf die „Valetta“ zutrieb. Er streckte die Hand aus und hielt sich am Beiboot fest. Mit einem Handgriff befestigte er sein Schlauchboot und stieg über. Leise zog er den Reißverschluss auf und holte den Revolver heraus. Er war trocken geblieben.
Mit einem raschen Schwung war er über der Reling und kam federnd auf. Wenn es eine Wache gab, dann sicher im Ruderhaus.
Ein Irrtum, dort war niemand. Er spähte in den Niedergang, der in die Kajüte führte. Ein Schnarchen drang heraus. Eine Rolle dünnes Tau aus dem Ruderhaus nahm Bount gleich mit. Dann stieg er die hölzerne Treppe lautlos hinunter.
Der Mann bekam gar nicht mit, was mit ihm geschah. Er sank aus dem Schlaf gleich in tiefe Bewusstlosigkeit, Bount fesselte ihn sorgfältig, prüfte den Puls, der gleichmäßig schlug, und drehte den Mann in seiner Koje zur Wand.
Er stieg wieder nach oben und bemerkte rechtzeitig den Schatten, der sich näherte. Bount kauerte sich zusammen und hielt den Atem an. Ein Mann stand mit dem Rücken zu ihm und schaute nachdenklich zur Küste.
Bount richtete sich auf und wollte ihn niederschlagen, aber der Mann hatte unglaublich schnelle Reaktionen. Er musste das leise Geräusch gehört haben, wirbelte auf der Achse herum und stand in Angriffsposition. Bount hatte bereits den Arm gehoben und musste im Bruchteil einer Sekunde die richtige Entscheidung treffen.
Er stoppte die eigene Bewegung ab und schlug mit der freien Hand kurz und hart zu. Sein Gegner wich aus, konnte bei dem schlechten Licht die Bewegung aber nicht genau berechnen. Bounts andere Hand kam herunter, und der schwere Revolverlauf traf den Mann hinter dem Ohr. Er ging ohne einen Laut zu Boden.
Bount fesselte ihn ebenfalls und trug ihn hinunter in die Kajüte. Der andere Mann hatte sich noch nicht wieder bewegt.
Dann durchsuchte Bount rasch das Schiff. Es war geräumiger als es von außen den Anschein hatte, und er entdeckte auch bald die Kammer mit den Waffen. Ein ganzes Arsenal! Er entschied sich für ein paar Handgranaten, die er unter seinen Anzug schob. Die anderen Waffen waren viel zu hinderlich. Seine Stärke lag in der Überraschung und nicht in der Feuerkraft. Wenn er es auf diese Weise nicht schaffte, schaffte er es überhaupt nicht.
Bount stieg wieder in das Beiboot und von dort in das traurig aussehende Schlauchboot. Er stieß sich ab und nahm Kurs auf die „Diablo del Mar“. Von seinen Beobachtungen her wusste er, dass sich ein Mann dort aufhielt. Er musste ihn ebenfalls ausschalten, denn er wollte unbedingt seinen Rücken freihalten.
Auch diesmal war es einfacher als er dachte. Der Mann hatte sich zum Schlafen in Bensons Kajüte gelegt. Bount kannte ihn nicht vom Sehen. Also war das ebenfalls ein Mann der Besatzung der „Valetta“. Wenn er sich nicht getäuscht hatte, befanden sich an Bord der Jacht jetzt nur noch Benson und die beiden neu angekommenen Gangster.
Er verpasste dem Mann einen Hieb, der etwas zu schwach ausfiel. Grummelnd versuchte er hochzukommen, aber ein zweiter Schlag revidierte das Ergebnis. Bount konnte seine Fesselkünste erneut erproben. Er wusste, dass keine Fessel ewig hielt, besonders nicht unter diesen Umständen, wo es auf Schnelligkeit ankam, aber für seine Zwecke musste es reichen. Jetzt konnte ihm niemand mehr in den Rücken fallen.
Er bestieg wieder sein Schlauchboot und hielt auf die Jacht zu. Die drei Gangster konnten nicht die ganze Nacht wach bleiben. Einer würde sicher die Gefangenen bewachen, sodass Bount gute Chancen hatte, ungesehen an Bord zu kommen.
Er war fest entschlossen, diesem Spuk ein Ende zu machen, der bereits Tote gekostet hatte, die völlig sinnlos gestorben waren. Er steuerte sein Schlauchboot neben die Barkasse und machte es fest. Dann stieg er hinüber und stand ein paar Sekunden später an Deck, nachdem er mit einem eleganten Satz über die Reling gesprungen war.