Читать книгу So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 14
V
ОглавлениеRaymond Taggart widmete den Rest des Vormittags und den ganzen Nachmittag jener Tätigkeit, die er verächtlich „Schreibtischfron“ nannte, die aber auch getan werden wollte. Bis zehn Minuten nach Dienstschluss sah und hörte er von seinem Sergeant Hulbert nichts, was, streng genommen, eine Insubordination darstellte, ihn aber nicht störte, weil er die ungewöhnliche Intelligenz seines Mitarbeiters nicht weniger hoch einschätzte als dessen redliche Lauterkeit, und deswegen Hulberts kleine Eigenheiten stillschweigend duldete.
Als Taggart sich eben anschickte, seinen Schreibtisch aufzuräumen und sich für den Heimweg fertigzumachen, stürmte Hulbert ins Zimmer und warf einen prüfenden Blick auf die Uhr.
„Der Tag ist einfach wieder in neuer Rekordzeit vergangen, Sir“, meinte er lakonisch, „aber ich habe auch einiges erreicht. Darf ich berichten?“
„Ich höre.“
„Ad eins“, begann der Sergeant, übers ganze Gesicht strahlend, „ist die Affäre Worcester pannen- und narrensicher vorbereitet. Sobald J.T. unseren Fangbrief abgeholt hat, wird er lückenlos unauffällig überwacht und in die watteweiche Zange genommen. Man wird uns per Blitzgespräch benachrichtigen. Ich habe ausgemacht, dass sich die Stadtpolizei Worcester zunächst jeder Einmischung enthält und uns in jeder Hinsicht volle Handlungsfreiheit lässt.“
Der Inspector, der eben Hut und Handschuhe aufgenommen hatte, wandte sich langsam um. „Saubere Arbeit“, sagte er lobend. „Colonel Ashburton kann sich gratulieren, dass er einen Mann Ihres Schlages auf seiner Seite hat.“
„Unsinn“, zürnte der Sergeant, „wo ich doch längst in Ihrem Strahlenglanz untergegangen bin!“
Taggart lachte herzlich, wurde aber gleich wieder ernst. „Hören Sie, mein Bester“, sagte er geheimnisvoll, „aber es muss ganz unter uns bleiben, was ich Ihnen jetzt sage.“
„Bin ich etwa eine Plaudertante?“
„Sie wissen vermutlich nicht, dass ich mich seit nunmehr acht Monaten darum bemühe, Ihre Aufnahme in die gehobene Laufbahn und Ihre Beförderung zum Inspector durchzudrücken. Bisher ist mein Plan immer wieder an bürokratischen Schwierigkeiten gescheitert. Wenn es uns aber gelingt, den Fall Elga Ashburton zu einem guten Ende zu führen, können Sie sicher sein, dass ich Ihre Verdienste dabei gebührend herausstreichen und mich außerdem hinter Colonel Ashburton stecken werde. Und dann klappt es vielleicht.“
Der Sergeant errötete, straffte sich und nahm stramme Haltung an. „Sir, ich bin Ihnen zu größter Dankbarkeit verpflichtet, bitte aber zugleich, klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen zu dürfen, dass ich nicht deshalb meine Pflicht voll und ganz erfülle, um tausend anderen Kameraden vorgezogen zu werden!“
„Das hat auch niemand behauptet!“ Taggart klopfte dem Sergeant beschwichtigend auf die Schulter. „Wir zwei — wir sind ein gutes Gespann — nicht wahr? Ehe ich es vergesse, möchte ich Ihnen noch sagen, dass Ashburton bei mir war.“ Er informierte den Sergeant über den Verlauf des kurzen Besuches, und hernach hatte es Hulbert eilig, noch eine Meldung an den Mann zu bringen. Er sagte:
„Die Affäre Worcester hat selbstverständlich nicht meinen ganzen Arbeitstag in Anspruch genommen, Sir. Ich habe außerdem Stunden im Archiv verbracht und nach dem Namen Waynal gesucht. Ich habe insgesamt fünfundzwanzig Waynals gefunden, aber es ist so gut wie ausgeschlossen, dass einer davon mit dem gegenwärtigen Besitzer von Dunster Castle identisch ist. Der nächste Weg wäre meiner Ansicht nach, ein Foto von Waynal und seine Fingerabdrücke zu beschaffen ...“
„Daran habe ich auch schon gedacht“, gab der Inspector nachdenklich zu. „Wollen aber erst abwarten, was Starr an Neuem bringt ...“
Taggart unterbrach sich, ging zum Telefon, das geklingelt hatte, nahm ab und meldete sich.
„Ist gut“, sagte er, „schicken Sie ihn herauf!“
Er legte den Hörer in die Gabel und sagte zu Hulbert: „Wenn man von der Sonne spricht, sendet sie ihre Strahlen. Eben erfahre ich, dass Inspector Starr aus Somerset zurück ist. Bin gespannt, was er uns bringt.“ —
Ein untersetzter, rundlicher Mann in einem grünen Lodenanzug betrat Taggarts Büro und grüßte unbefangen. Jim Starr wirkte äußerlich wie ein uninteressanter, ein wenig träger Durchschnittsmensch, war aber in Wirklichkeit der jüngste Inspector, der je beim C.I.D. Dienst getan hatte, und galt in eingeweihten Kreisen als außerordentlich tüchtig.
Er machte einen erschöpften Eindruck. Deswegen bot ihm Taggart einen Whisky an, wobei er nicht versäumte, auch Hulbert ein Glas zuzuschieben.
Starr setzte sich in einen Sessel, kippte sein Glas und sagte einige Schmeicheleien über den Whisky, ehe er sein Taschenbuch aus dem Jackett zog und zu berichten begann.
„Wir sind methodisch vorgegangen“, sagte er. „Während ich mit den Beamten nach Ihren Angaben den Standort des heimlichen heimtückischen Schützen suchte, schickte ich Fisher mit dem Wagen zum Grafschaftsgericht, um einen Durchsuchungsbefehl für Dunster Castle zu erwirken. Als wir dann am Tatort vier Patronenhülsen gefunden hatten, fuhr ich selbst zum Gericht. Dort war inzwischen Fisher — ganz wie ich angenommen hatte — nicht weitergekommen, aber von mir ließ sich der Richter dann doch breitschlagen, weil er meinem Fund das gleiche Gewicht beimaß wie ich. Ich bekam also meinen Befehl und wir zogen im Parademarsch nach Dunster Castle.“ Starr unterbrach sich und zog eine hässliche Grimasse. „Das eine sage ich Ihnen, Taggart: Wenn Hammond Waynal ein gesetzestreuer Bürger und braver Steuerzahler ist, dann bin ich ein Gewohnheitsverbrecher.“
„Genau mein Gedanke!“, pflichtete ihm Taggart bei. „Aber machen Sie's nicht so spannend. Wie ging das Gesellschaftsspiel weiter?“
„Es bewegte sich im üblichen Rahmen. Mr. Waynal zeigte sich entsetzt und erschrocken, als ich ihm von dem gemeinen Überfall auf Sie berichtete, und schwor Stein und Bein, davon nichts geahnt zu haben. Ich zeigte ihm den Haussuchungsbefehl, der ihm Tränen der Entrüstung in die Augen trieb, aber er machte keine Schwierigkeiten. Das Ergebnis?“ Der kleine Inspector seufzte. „So viel wie einmal durch die hohle Hand. Hatten Sie mehr erwartet?“
„Nein, nicht“, meinte Taggart begütigend.
„Ich hoffe, dass meine weiteren Maßnahmen Ihr Placet finden“, fuhr Starr, ein wenig verlegen, fort. „Ich habe Fisher in Sandhurst einquartiert und ihm versprochen, ihm schnellstens Fotos der Verschwundenen sowie Fotos von Benham und Miss Peacock zu schicken.“
„Ich bin voll und ganz einverstanden“, sagte Taggart mit ehrlicher Anerkennung im Ton.
„Die Abzüge der Fotos Mrs. Ashburtons sind längst fertig“, warf Hulbert eilig hin. „Bilder von Eleanor Peacock und Captain Benham müssen erst besorgt werden. Darf ich das übernehmen?“
Taggart nickte. „Haben Sie sonst noch etwas?“, wandte er sich an Starr.
Dieser bejahte. „Ich wollte Nägel mit Köpfen machen und schickte deswegen mein Team allein zurück. Selbst fuhr ich mit dem zweiten Wagen allein nach Lynhead, um dort einiges über Waynal zu erfahren. Das Ergebnis war aber mehr als mager. Waynal scheint eine jener Typen zu sein, die der Krieg nach oben geschwemmt hat, während der Durchschnittsbürger an der Front seinen Schädel fürs Vaterland hinhielt. 1947 war Waynal ganz einfach 'da' und kaufte von einem als Nachlassverwalter eingesetzten Rechtsanwalt um einen Pappenstiel Dunster Castle. Besagter Anwalt ist 1948 gestorben, die Praxis ist eingegangen, wo sich die Akten befinden, konnte ich in der Eile nicht feststellen.“
„Dürfte im Augenblick nicht wichtig sein“, meinte Taggart. „Was um Himmelswillen nicht heißen soll, dass ich Ihre ehrlichen Bemühungen gering veranschlage. Wo haben Sie die gefundenen Patronenhülsen?“
Starr griff in die Tasche, holte einen kräftigen Umschlag heraus, öffnete ihn und ließ den Inhalt auf den Schreibtisch rollen. „Man darf sie anfassen“, meinte er erklärend dazu, „denn es gibt keine Prints.“
„Das habe ich auch gar nicht angenommen“, murmelte Taggart und betrachtete grimmig im Licht der Schreibtischlampe die Hülsen, die ihm am Abend zuvor um ein Haar zum Verhängnis geworden wären.
„Kein englisches Fabrikat“, stellte Sergeant Hulbert fest. „Und das Kaliber der dazugehörigen Geschosse dürfte zehn Millimeter übersteigen.“
„Zweifellos ...“ Taggart nickte. „Tippe auf Munition für die amerikanische Thompson-MP. Die hat, wenn ich nicht irre, Kaliber 11,2 Millimeter. Die dazugehörige Maschinenpistole haben Sie nicht zufällig auf Dunster Castle aufgespürt, Starr?“, fragte er zynisch.
„Selbstverständlich nicht! Was soll mit den Drecksdingern jetzt geschehen?“
„Das will ich Ihnen genau sagen: Lassen Sie im Zentrallabor Mikrofotos von jeder Hülse anfertigen. Abzüge davon sind an alle britischen Polizeistellen zu senden, ebenso an Interpol. Danach soll die ballistische Abteilung sich die Patronenhülsen vornehmen. Könnte doch schließlich sein, dass man aus der gleichen Waffe stammende Hülsen oder Projektile schon früher festgestellt hat. Dann kämen wir auf diese Weise weiter. Große Hoffnung habe ich freilich nicht.“
Inspector Starr packte seine Hülsen wieder ein. „Wenn Sie nichts mehr für mich haben, möchte ich mich verabschieden. War ein langer Arbeitstag heute.“
Taggart seufzte. „Immerhin haben Sie Erfolg gehabt — was ich von mir nicht behaupten kann ...“
*
„Sind Sie heute wieder mit Claire Egham verabredet, Chris?“, fragte Taggart verdächtig freundlich.
Der Sergeant verneinte entschieden. „So weit geht mein Hang fürs Dienstpersonal denn doch nicht, Sir! Außerdem sucht Claire was Solides zum Heiraten ...“
„... und da haben Sie kalte Füße bekommen?“
„Kalte Füße? — Eisbeine, Sir, Eisbeine!“
„So ist das also.“ Der Inspector amüsierte sich königlich über die Verlegenheit seines Mitarbeiters. „Falls Sie auch nichts anderes vorhaben, möchte ich Sie zum Abendessen einladen. Das 'Silver Mirror' hat einen französischen Küchenchef.“
„Es lebe Frankreich“, rief Hulbert begeistert, „zumindest, was seine Küche anbetrifft! — Tausend Dank für die ehrenvolle Einladung, Sir ...“
Obwohl der schlimmste „Rush“ des Abendverkehrs bereits vorüber war, ging es bis Clapham nur zähflüssig vorwärts. Erst auf der Straße nach Wandsworth wurde es besser, und Taggart trat kräftiger auf den Gashebel.
„Verwechseln Sie bitte den Cisitalia nicht mit einem Düsenjäger, Sir!“, bat Hulbert kläglich.
„Wird Ihnen etwa schwummerig vor den Augen?“ Taggart wandte interessiert den Kopf.
„Im Gegenteil, ich finde Ihr Tempo 'chic', Sir!“, stöhnte der Sergeant verzweifelt. — Merton, Morden und Malden flogen vorüber. In Coombe bog der Inspector auf die Straße nach Surbiton ab, fuhr einige Meilen weiter, verließ die Hauptroute und fuhr auf einem jämmerlichen Weg durch einen alten Park, an dessen Ende ein geräumiges Bauernhaus mit tief herabgezogenem, strohgedecktem Dach stand. „Silver Mirror“ stand in bläulich sprühenden Leuchtbuchstaben über dem Eingang zu lesen. Der Parkplatz gegenüber war nahezu völlig besetzt.
„Kommen Sie, Chris, ich habe einen Bärenhunger!“, drängte der Inspector seinen Adlatus zur Eile.
Das Farmhaus diente nur als Staffage, wie Hulbert erkannte, nachdem ihn Taggart über eine steile Wendeltreppe in ein unterirdisches Gewölbe geführt hatte. Dort standen klobige Tische, Stühle und Bänke, und auf den weiß gescheuerten Eichenplatten Windlichter mit schmiedeeisernen Rahmen. Eine Three-Man-Band spielte leise und überlangsam Parlez moi d'amour. Der Raum war dicht besetzt. Die Gäste schienen sich aus den Kreisen der Upper Ten zu rekrutieren. Die Herren waren zuallermeist im Frack oder Smoking erschienen, bei den Damen herrschten Abend- und Cocktailkleider vor, ein Beweis, dass sie das Lokal nur als Ausgangsbasis für nächtliche Exkursionen betrachteten.
Mit dem Gehabe eines entthronten Fürsten näherte sich der Oberkellner, um die Herren gemessen zu begrüßen.
,/n Abend, Francois!“, sagte Taggart vertraulich. „Haben Sie noch für zwei hungrige Wanderer Platz?“
„Mais oui“, erwiderte der würdige Mann, „isch immer 'abe Platz für eine gute Gast wie Sie, Monsieur Taggart!“ Er sprach den Namen des Inspectors „Dagaahr“ aus. „Eh bien, wollen die 'erren 'aben die Güte, misch zu begleiten ...?“
„Ein waschechter Pariser!“, sagte Hulbert begeistert, als sie endlich an einem versteckten Tisch im Seitenflügel Platz gefunden hatten.
„... dessen Wiege vermutlich in Soho oder Hackney stand“, grinste Taggart. „Seinen französischen Akzent verdankt er jahrelangem Training. — Ah, da kommt er ja mit der Karte. Darf ich für uns beide wählen, Chris?“
„Mit Wonne, Sir!“
Das Dinner war Gegenstand langer Verhandlungen zwischen Taggart und Francois, aber das Resultat konnte sich dafür auch sehen lassen: Coomassie Cocktail — Hors d'oeuvre nach Art des Hauses — klare Zwiebelsuppe — Severn-Hechtfilet mit Kartoffelcroquetten — Steakspitzen à la Gortschakow — Salatplatte — Halbgefrorenes.
„Darf isch Ihnen offerieren eine Flasche Haut-Brion 1953?“, fragte Francois.
„Güteklasse sieben und entsprechend teuer, wie?“, grinste Taggart.
Der Oberkellner grinste zurück. „Ein Monsieur Taggart nischt fragt nach die Preis, wenn er kann 'aben Haut-Brion 1953!“
„Da haben Sie allerdings recht!“ —
„Wer soll das bezahlen?“, fragte Hulbert entsetzt, als sich Francois entfernt hatte.
„Dreimal dürfen Sie raten!“, schmunzelte der Inspector, aber sein Adlatus war mit den Gedanken schon wieder woanders. „Zwischen Balham und Merton hat er uns verloren“, meinte er nachdenklich.
„Wer ...?“
„Der Sportwagen, der sich hinter Southwark an uns gehängt hat. Könnte ein Turner gewesen sein.“
„So? Ich habe nichts davon bemerkt.“
„Na ja — bei Ihrem Tempo!“, beschloss der Sergeant missbilligend das Thema ab.
*
Das Gala-Diner — Hulbert nannte es freilich eine fulminante Feinschmecker-Orgie — dauerte bis kurz nach zehn. Der Sergeant gab begeistert zu, dass er nie zuvor derart wundervoll gespeist habe. Taggart beglich die Rechnung und erhob sich. „Kommen Sie, wollen jetzt in aller Ruhe und ganz langsam nach Hause fahren!“
Als die beiden C.I.D.-Beamten ins Freie traten, spürten sie, dass es inzwischen empfindlich kühl geworden war. Aus Sheerness-Edge wehte eine mehr als steife Brise und trieb bizarre Wolkenfetzen nach Westen. Zuallermeist war der zunehmende Mond verdeckt. Außer dem Knirschen des Kieses unter den Schuhsohlen und dem Raunen des Windes in den Wipfeln der Alleebäume war kaum ein Geräusch zu vernehmen.
„Unheimlich hier!“, seufzte Hulbert. „Man könnte meinen, die Geisterstunde sei heute um einhundertzwanzig Minuten vorverlegt ...“
„Abergläubisch?“, fragte Taggart erstaunt.
„Mein Vater war Schotte, Sir“, bekannte der Sergeant schlicht.
„Gehen wir“, scherzte Taggart, „damit uns die Geister nicht doch noch einholen!“
Sie schlenderten zum Parkplatz hinüber, wo immer noch zwei Reihen wartender Wagen seltsam konturenlos hintereinanderstanden. Der Sergeant zog seinen Vorgesetzten am Ärmel zurück.
„Da — ein Schatten bei Ihrem Wagen!“, flüsterte er.
Zwei Augenpaare versuchten die Dunkelheit zu durchdringen.
„Ich sehe nichts“, meinte Taggart nach einer ganzen Weile, „gehen wir weiter.“
Die nächsten Ereignisse spielten sich schneller ab, als der Inspector gedanklich verkraften konnte. Er sah einen zuckenden Blitz neben der linken Tür des Cisitalia, hörte ein gedämpftes Plopp ... — und dann versetzte ihm ein übermächtiger Riese einen Boxhieb gegen die Brust, der ihn mit unwiderstehlicher Gewalt umwarf. Das Letzte, was er bewusst spürte, war ein stechender Schmerz im Schädel und — fast im selben Moment — eine süße, beglückende Lähmung.
*
Taggart hörte sich selbst sagen:
„Vermutlich — hat — jemand — mit — meiner — Figur — sämtliche — Treppenstufen — des — Eiffelturms — nass — gewischt! — Von ... oben ... bis ... unten ...!“
„Heavens, Doktor, er hat sie wieder alle beisammen!“
Die Stimme kennst du doch?, rätselte Taggart. Richtig, Christopher Hulbert. Goddam, ich liege lang! Seit wann stehen im Silver Mirror Betten für die Gäste ...?
In seinem Schädel hatte sich ein Bienenschwarm unerlaubt eingenistet, und seine linke Brustseite war eine einzige schmerzende Wunde. Die Luft im Raum roch nach Jodoform, Äther und Desinfektionsmitteln.
„Ich bin im Krankenhaus!“, schlussfolgerte er messerscharf und versuchte sich aufzurichten, sank aber mit einem Wehlaut wieder zurück.
„Im Chelsea Hospital“, sagte eine fremde Stimme. „Ich bin Doktor Glyth.“
„Aha! Sind lebenswichtige Teile kaputt?“
„Nein — obwohl Sie von Rechts wegen ins Leichenhaus gehören. Danken Sie Gott auf den Knien, dass Sie mit einem blauen Auge davongekommen sind!“
„Das will ich tun!“, versprach Taggart, sehr ernst geworden. Jetzt endlich sank der Nebelschleier von seinen Augen und er erkannte Hulbert. „Da sind Sie ja, Chris. Man hat auf mich geschossen, nicht?“
„Sicher, Sir“, murmelte der Sergeant bewegt, „die Kugel hat sie genau in Herzhöhe getroffen. Wie wenn Sie etwas geahnt gehabt hätten, hatten Sie beim Verlassen des Lokals Ihr Zigarettenetui in die Brusttasche anstatt in die Seitentasche gesteckt. Deshalb hat Sie das Geschoss nicht getötet, sondern sich am Etui plattgedrückt. Die Wucht warf Sie um, Sie schlugen mit dem Kopf auf einen Stein auf, und damit war der Film gerissen.“
„Mensch, so ein Glück! Ich muss wirklich Gott danken! — Hm, wenn mich die Auftreffwucht umgeworfen hat, muss das Geschoss wenigstens Kaliber siebenfünfundsechzig gewesen sein ...“
„Viel ist nicht davon übrig geblieben, Sir, aber doch genug, um zu erkennen, dass es eine Neun-Millimeter-Patrone war.“
„Neun Millimeter kurz?“
„Mhm! Neun Millimeter Parabellum. — Ihr Schutzengel hat sich wirklich hart anstrengen müssen, Sir!“
„Scheint mir auch so! — Well, wie ging das Spiel weiter, nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte?“
Hulbert zog eine Grimasse. „Der Lump hat auf mich noch zwei Schuss abgegeben und mich um ein Haar verfehlt. Zum Glück kam ein Wagen der Außenring-Streife vorbei, und Mister X bekam kalte Füße. Weg war er. Wie verzaubert. Ich tippe auf den Mann im Turner.“
„... was uns gar nicht weiterhelfen wird.“ Taggart seufzte.
„Chris!“
„Sir?“
„Ab heute Dienst mit Schusswaffe!“ (Britische Polizeibeamte tragen auch im Dienst Schusswaffen nur auf spezielle Anordnung, die auf den Einzelfall beschränkt ist, bei sich.)
„Aye, aye, Sir!“
„Uhrzeit?“
„Zwo Uhr siebenundzwanzig, Sir.“
„Fahren Sie nach Hause. Sorgen Sie vorher dafür, dass mein Wagen ...“
„Den Cisitalia habe ich hier, Sir!“
„Sie lassen auch nichts anbrennen!“
„Ungern!“
„Okay; nehmen Sie den Cisitalia und fahren Sie am Morgen mit ihm zum Dienst. Ich bin gegen acht Uhr dreißig beim Yard.“
„Oho“, protestierte Dr. Glyth, „da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden!“
„Sie sind ein Optimist, Doktor!“, sagte Taggart freundlich und schloss die Augen.
*
Punkt acht Uhr dreißig betrat Raymond Taggart sein Yard-Büro.
Sergeant Hulbert erhob sich erstaunt.
„Morgen, Chris!“
„Guten Morgen, Sir! — Wie geht es Ihnen?“
„Bis auf die Mattscheibe vor der Stirn und diverse Blutergüsse auf der Brust tut's der Kadaver wieder.“ Taggart setzte sich vorsichtig an seinen Arbeitsplatz und fixierte seinen Mitarbeiter forschend. „Was Neues, Chris?“
„Ich denke doch! Miss Peacock hat gestern Abend zwischen einundzwanzig Uhr und dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig insgesamt siebzehn Mal vergeblich die Nummer Kensington 4-4852 angerufen. Beim achtzehnten Versuch — um dreiundzwanzig Uhr fünfzig — bekam sie endlich Antwort. Hier, bitte, die Reinschrift der Bandaufnahme.“ Hulbert schob seinem Vorgesetzten ein Formular hinüber. Der Inspector las es interessiert durch:
... wurde festgestellt, dass die Nummer Kensington 4-4852 dem Importkaufmann Cordon Tresk, Kensington High Terrace 19, zugeteilt ist. Beginn des Gespräches: Dreiundzwanzig Uhr einundfünfzig.
Wortlaut:
Tresk: „Kensington vier/vier-acht-füneff-zwo.“
Peacock: „Na endlich! Ich bin es, Gordy ...“
D: „Keine Namen!“
P: „All right! Ich sitze seit Stunden wie auf Kohlen! Hast du ...“, zögert, sucht nach Worten — „... hast du ...?“
D: „Klappe halten! Ja, ich habe!“
P: „Ich bewundere dich, Süßer!“
D: „... aber nur zu fünfzig Prozent.“
P: (enttäuscht) „Ooooch ...!“
D: „Dann mach's doch selber, wenn du's besser kannst!“
P: (schnell): „Aber ich mache dir doch gar keinen Vorwurf! — Welche fünfzig Prozent?“
D: „Die entscheidenden!“
P: „Wie ich mich freue! Damit ist ein großer Teil unserer Sorgen ...“
D: (unterbricht sie): „Stopp, Mädchen! Du hast schon genug gequatscht. Ab sofort Nachrichtensperre.“
P: „Und wenn ich dich dringend sprechen muss?“
D: „Dann nur auf dem bewussten Weg. Ende!“
P: „Goddam, Gordy... ! — Shit, der blöde Kerl ist weg ...!“
Ende des Gesprächs: dreiundzwanzig Uhr vierundfünfzig ...
„Sie haben begriffen, Chris?“ Taggart hob witternd den Kopf.
„Na klar, Sir: Tresk teilte Miss Peacock die erfreuliche Nachricht von Ihrer Ermordung mit. Wollen wir ihn gleich schnappen?“
„Das muss ich mir erst überlegen, Chris. — Ja, herein!“
Nach kurzem Anklopfen betrat Inspector Starr das Büro. Mit den Worten: „Na, wieder von den Toten auferstanden?“, reichte er seinem Kollegen die Hand.
„Sieht so aus, Starr!“, erwiderte Taggart stirnrunzelnd. „Was bringen Sie Schönes?“
Starr nahm rittlings auf einem Stuhl Platz und legte das Kinn auf die auf der Lehne gefalteten Hände. „Ich komme als Glücksfee, Taggart! — Ihr Gedankenblitz mit der ballistischen Abteilung saß im Schwarzen, alles was recht ist. Culme-Anderson hat anhand der Hülsen einwandfrei festgestellt, dass der Mordanschlag auf Sie am Dienstagabend mit der gleichen Waffe verübt wurde, aus der man am 4. September 1956 in Exeter eine mysteriöse Persönlichkeit erschossen hat. Mehr als den Namen weiß man nicht: Goldie McCauley, vermutlich staatenlos, in England nicht polizeilich gemeldet, letzter Aufenthalt unbekannt. An der Stahleinlage von McCauleys Aktenmappe, die neben der Leiche lag, stellte man fremde Prints fest, und konnte sie später agnoszieren: als die des in Teheran, Persien, als Sohn amerikanischer Eltern geborenen guatemaltekischen Staatsangehörigen Samuel Sherwood, damals fünfundvierzig Jahre alt. Die Fahndung nach ihm hatte keinen Erfolg. Zwei Jahre später, am 11. Oktober 1958, wurde bei Spithead die Leiche eines Ertrunkenen an Land gespült und von einem Beamten der Interpol-Zentrale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als die Sherwoods identifiziert.“
„Das reinste Kreuzworträtsel!“ Taggart seufzte ärgerlich auf. „Was nützt uns ein Toter!“
„Irrtum, sagte der Hase, und so weiter ...“ Starr lächelte. „Der Interpol-Fritze — er ist im vergangenen Jahr gestorben; requiescat in pace! — hat sich getäuscht. Zufällig hab' ich ein Foto Sherwoods aufgetrieben. Hier — bitte!“
Starr gab seinem Kollegen eine vergilbte Profilaufnahme. „Bin gespannt, wann bei Ihnen der Groschen fällt!“
Taggart warf einen langen Blick auf das Foto, hob den Kopf und warf Starr einen erstaunten Blick zu. „Aber das ist doch Waynals Diener! — Heavens ...“ — er rieb sich die Hände — „... jetzt haben wir die Dunster-Castle-Bande, schätze ich. Rufen Sie bitte sofort Fisher an. Er soll mithilfe der Grafschaftspolizei die Beschattung Sherwoods sicherstellen. Fahren Sie danach los und nehmen Sie den Kerl als wichtigen Zeugen fest. Stopp, noch etwas: Nehmen Sie drei Mann mit und lassen Sie den Schlosskomplex unauffällig zernieren. Wollen auch mit Waynal so bald wie möglich kurze Fuffzehn machen.“
Starr erhob sich. „Wird sofort erledigt. Sie hören von mir ...“
„Und wir ...?“, fragte Chris Hulbert.
„... fahren zu Tresk“, erwiderte der Inspector kurz. „Ich habe den untrüglichen Verdacht, dass wir heute der Gerechtigkeit in verschiedener Hinsicht einen guten Dienst erweisen werden.“
„Leider ist damit das Rätsel um die verschwundene Mrs. Ashburton der Lösung um keinen Zentimeter näher gekommen.“
„Das würde ich nicht so ohne Weiteres behaupten, mein Lieber!“ — Taggart sperrte die unterste linke Schublade seines Schreibtisches auf, zog sie heraus und griff nach seiner Webley & Scott-Pistole. Während er sich seines Jacketts entledigte und ein ledernes Ac hselholster überstreifte, zeigte Hulbert einen Trommelrevolver — ebenfalls Marke Webley & Scott — vor.
Fünf Minuten später saßen sie in einem unauffälligen Morris Minor, dem niemand das Polizeifahrzeug angesehen hätte, und fuhren an der Themse entlang über Westminster bis in die Nähe von Earls Court, wo sie in einer Seitenstraße den Wagen stehenließen und zu Fuß zur Kensington High Terrace weitergingen. —
„Ein richtiger Fuchsbau, dieses Haus“, meinte der Sergeant, nachdem sie das düstere Treppenhaus von Nummer 19 betreten hatten. „In jeder Etage vier Appartements, rechts und links Verbindung zu den Nummern 17 beziehungsweise 21, drei Hinterhöfe, zwei Rückgebäude und eine Hofbaracke. Wenn ich zu bestimmen hätte — also ich würde mich schleunigst zurückziehen, Sir, und mit einer größeren Streitmacht wiederkommen.“
„... und inzwischen wäre der Vogel auf und davon, wie?“
Hulbert zuckte schweigend die Achseln. Taggart zeigte sich selten unbelehrbar und eigensinnig, aber wenn schon, dann aus ganzem Herzen.
„Ein Gesetz müsste es geben, das den nachträglichen Einbau eines Lifts in solche Häuser vorschreibt“, nörgelte der Sergeant, als sie die fünfte Etage erreicht hatten und, tief Luft holend, auf dem abgeschabten Läufer stehen blieben. Taggart gab ihm keine Antwort, sondern versuchte die Türschilder zu entziffern:
„P. Ezzard — Maisie Nicholls — G. Tresk, hab ihn schon!“ Er drückte auf den Klingelknopf.
Nach einer ganzen Weile erst wurden drinnen schlurfende Schritte laut. Die Beamten postierten sich so, dass der Öffnende sie vorher nicht sehen konnte.
Die Schritte kamen näher und machten halt, zögernd öffnete sich die Appartementtür.
„Ja?“, fragte eine Stimme. Das eine Wort genügte, um Taggart davon zu überzeugen, dass er einen gebildeten Mann vor sich hatte.
Hulbert stieß die Tür mit einem einzigen kräftigen Ruck auf, sodass der Mann im Korridor zurücktaumelte und einen zornigen Protestruf ausstieß.
„Mister Tresk?“, fragte der Inspector.
„Wer sind Sie? Was wollen Sie?“, bellte der andere ihn an, ein statiöser Mann Ende vierzig in einem legeren Pfeffer-und-Salz-Anzug. Er war nicht sonderlich groß, hatte aber breite Schultern und muskulöse Arme. Sein gut geschnittenes, kantiges Gesicht wirkte brutal und intelligent. Das linke Augenlid flatterte ein wenig.
„Scotland Yard — Inspector Taggart!“ Taggart zeigte seine Marke vor. Er deutete auf seinen Begleiter. „Sergeant Hulbert.“
„Die Herren wünschen?“, fragte sein Visavis unbewegt, aber um vieles höflicher.
„Sie sind Mister Gordon Tresk?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Mister Tresk ist heute Morgen nach Paris geflogen, Sir.“
„Und wer sind Sie?“
„Ich heiße...“ — der Mann zögerte sekundenlang — „... Eliah Fitzherbert.“
„Schön, Mr. Fitzherbert: Können Sie sich ausweisen?“
„Sicher!“
„Darf ich bitten?“
„Muss meinen Ausweis erst holen.“
„Dürfen wir eintreten?“
„Wenn Sie mir den Hausdurchsuchungsbefehl zeigen, Sir!“
Jetzt hatte es Taggart satt. Ohne Fitzherbert noch Beachtung zu schenken, wandte er sich an Hulbert. „Bleiben Sie hier, Sergeant, in fünf Minuten schicke ich Ihnen drei Mann Verstärkung. Folgen Sie dem Herrn auf Schritt und Tritt, sofern er die Wohnung verlässt. Ich bin in anderthalb Stunden mit der richterlichen Verfügung zurück.“
„Sehr wohl, Sir!“
Fitzherbert sah recht missvergnügt drein und gab zögernd die Tür frei. „Machen Sie doch nicht so ein Affentheater, Inspector, kommen Sie schon rein!“
„Und warum nicht gleich so?“
Fitzherbert blieb Taggart die Antwort schuldig.
*
Das Herrenzimmer war geräumig und überraschend hoch. Die aus afrikanischem Nussbaumholz gefertigten Möbel mochten eine Unsumme gekostet haben. Durch das nachträglich eingebaute Drehflügelfenster konnte der Inspector bis nach Hammersmith und Chiswick hinübersehen.
Fitzherbert deutete verdrossen auf die beiden Ledersessel hinter dem Rauchtisch. „Nehmen Sie Platz, meine Herren!“ Er selbst setzte sich hinter den Schreibtisch, der über Eck dem Fenster schräg gegenüberstand.
Taggart fixierte den Mann unauffällig. Er hätte darauf schwören mögen, dass Fitzherbert in Eton oder einer ähnlichen feudalen Schule erzogen worden war. Einen gewöhnlichen Verbrecher hatte er nicht vor sich.
„Darf ich fragen, in welcher Eigenschaft Sie sich hier aufhalten, Mr. Fitzherbert?“, eröffnete er das Verhör. „Nicht wahr, Fitzherbert war doch der werte Name, Josias Fitzherbert?“
„Stimmt!“
„Sagten Sie vorhin nicht Eliah Fitzherbert?“
„Bestimmt nicht! Ich sagte Josias.“
„Zeigen Sie mir Ihren Ausweis, bitte; ist eine reine Formsache.“
„Natürlich!“
Fitzherbert rückte ein wenig vom Schreibtisch ab und öffnete die Mittelschublade. Im nächsten Augenblick schnellte seine Hand zurück und hoch und brachte eine Parabellum-Pistole in Stellung.
Was bin ich doch heute für ein Tölpel!, dachte Taggart und ließ sich blitzschnell fallen. Dabei fand er noch Zeit, den Tisch umzuwerfen. Drei krachende Detonationen ertönten, die Geschosse bohrten sich blitzschnell ins Holz. Der ganze Raum stank nach Cordit. Hulbert stach hastig aus seiner Deckung hoch und hätte seinen Wagemut um ein Haar mit dem Leben bezahlt. Das Geschoss streifte seine gesträubten Haare, prallte gegen den Metallbeschlag des Bücherschranks und verwandelte sich in einen heulenden Querschläger.
... fünf — sechs — sieben — acht — neun ..., zählte Taggart insgeheim die Detonationen mit. Mehr als neun Schuss kann er nicht im Magazin haben. — Er federte auf, sah die Mündungsflamme. (Oh, ich Idiot! Er hatte a priori eine zehnte Patrone ins Laufmundstück geladen!), ging krachend zu Boden, schlug eine halbe Rolle, richtete sich auf und ...
Peng — peng — peng — peng ...
Der Corditgeruch wurde unerträglich. Mit einem wilden Aufschrei griff sich Fitzherbert ans Herz, drehte sich einmal um die eigene Achse und fiel haltlos mit dem Oberkörper über die Schreibtischplatte, wo er in einer sich rasch vergrößernden Blutlache liegen blieb.
Zur Salzsäule erstarrt stand Hulbert, steil aufgerichtet, hinter dem umgeworfenen Tisch. Aus dem Lauf seines Revolvers stieg ein dünner Rauchfaden zur Decke.
Mit einem Sprung stand Taggart auf den Beinen. Er eilte zum Schreibtisch hinüber, packte Fitzherberts Haare und hob den Kopf sanft an. Über der Nasenwurzel klaffte ein großes Loch ...
„Ist er ... ist... er tot...?“, hörte er eine gepresste Stimme hinter seinem Rücken fragen. Er wandte sich langsam um und nickte.
„Ja, Chris, aber machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe. Ich bin Ihr Zeuge, dass Sie in erlaubter Notwehr gehandelt haben. Wenn nicht Sie, dann hätte ich den Verbrecher erschossen. Andernfalls hätte er uns skrupellos abgeschlachtet.“
Hulbert machte eine vage Geste. „Ja, ich weiß, Sir, die juristische Seite habe ich gar nicht in Erwägung gezogen. Bloß ...“ — Er biss sich auf die Lippen.
„ ... wissen Sie, Sir: das Bewusstsein, einen Menschen mit eigener Hand getötet zu haben, ist eine entsetzliche Folter — ganz gleich, wie die Umstände liegen ...“
Mit einem Sprung stand Taggart vor seinem Sergeant, packte ihn an den Schultern, schüttelte ihn derb. „Diese Auffassung spricht mehr als alles andere für Sie, mein lieber Freund! Verlieren Sie jetzt nicht die Fassung. Was Sie getan haben, war harte Notwendigkeit. Sie haben kein menschliches und kein göttliches Gebot verletzt! —
Und jetzt rufen Sie den Yard an“, fuhr er in seinem normalen Ton fort. „Ich muss 'raus und das Volk beruhigen ...“
Im Haus wurde es lebendig. Der Lärm des Pistolengefechts hatte die Hausbewohner und die gesamte Nachbarschaft alarmiert ...