Читать книгу Ėlænas - Alina Seywert - Страница 4
Prolog
ОглавлениеDie Sonne neigte sich dem Horizont zu und schickte ihre letzten Strahlen über das Land. Sie wärmte die Köpfe der Menschen, die sich noch draußen aufhielten und nun schnell in ihren Häusern verschwanden. Sie hatten Angst. Angst vor dem, was dort in der Dunkelheit auf sie lauerte. Zwischen den Hügeln mit dem dichten Gestrüpp und einigen kargen Feldern lag ein Dorf. Einige Meilen entfernt war ein Wald, den die Menschen mieden. Es schien dort zu spuken, und seltsame Wesen trieb es dort umher.
Aus der Richtung dieses Waldes kamen fünf Gestalten, die auf das Dorf zuschritten und es unbemerkt betraten. Von der Taverne aus tönten Rufe von feiernden Männern. Von Männern, die tranken, tanzten, aßen... Wenn in dieser Nacht etwas passieren würde, wären sie alle zu betrunken, um etwas zu unternehmen. Die Frauen hatten sie alle zuhause gelassen, damit die sich um die Kinder kümmerten, die langsam an Pocken erkrankten. Die Heilerin des Dorfes hatte alle Hände voll zu tun. Aus ihrer Hütte vom Dorfrand drangen Schreie von leidenden und sterbenden Kindern.
Die fünf dunklen Gestalten, alle in Kapuzenumhängen verhüllt, gingen langsam auf das Dorf zu. Sie traten zu der Hütte der Heilerin. Von außen hörten sie Stimmen:
"Marie, kannst du die hier zu Gerdi tragen. Er eitert noch die ganzen Betten voll", sagte die Stimme einer alten Frau.
Dann hörten sie eine zweite Stimme: "Die Kleine von den Bäckern ist soeben gestorben, Magda."
"Auch das noch...", stöhnte die Alte. "Wir werden es ihnen morgen sagen, wenn der Vater seinen Rausch ausgeschlafen hat. Dann wird er vielleicht seine Frau nicht schlagen, weil sie die Krankheit in das Dorf brachte."
"Tat sie das denn?"
"Was weiß ich? Der Junge von den Bäckern war jedenfalls der Erste, der krank war. Und dann seine kleine Schwester. Es kann natürlich sein, dass schon vorher Kinder starben und einfach verscharrt wurden. Der Bäcker ist der Ansicht, dass es seine Frau mitbrachte, als sie in Bregport war. Die Arme..."
Die Kleinste der Gestalten hob die Hand und klopfte an die Tür. Das Klopfen hallte unheilvoll durch das Dorf.
Die Alte öffnete die Tür. Ihr Haar war grau, und sie hatte schon viele Büschel davon eingebüßt. Die Falten zeigten ihr hohes Alter, das bei den Menschen eher selten war.
"Was wollt ihr?", fragte sie schroff. Trotzdem konnte man die Angst in ihren Augen lesen.
Die kleine Gestalt sagte laut und deutlich: "Wir möchten helfen."
"Helfen?", fragte die Frau und musterte die Leute argwöhnisch. Sie hatten die Kapuzen so tief in ihre Gesichter gezogen, dass man ihre Augen nicht erkennen konnte.
"Ja, helfen. Wir kommen aus einem fernen Land und haben Möglichkeiten, diese Epidemie aufzuhalten, ehe sie sich durch das ganze Dorf frisst. Wir verlangen nur eine kleine Gegenleistung", meinte die kleine Gestalt. Sie hatte eine hohe, klare Stimme. Die Stimme einer jungen Frau.
"Es tut mir leid, aber ich kenne euch nicht. Und Fremden vertrauen wir nicht", meinte die Alte und wollte die Tür schließen. Die kleine Gestalt stellte einen Fuß in die Tür und sagte: "Wollt ihr etwa Ärger mit uns haben?"
Die Frau sagte nichts und betrachtete die Gestalt ängstlich.
Die Gestalt seufzte und schob ihre Kapuze zurück. Spitze Ohren und mandelförmige Augen kamen zum Vorschein. Das erklärte auch den seltsamen Akzent, mit dem sie gesprochen hatte.
Die Frau weitete vor Angst die Augen und stolperte zurück, als die Elfe langsam die Tür aufschob. Ihre Begleiter waren ebenfalls Elfen und nur eine Sekunde hinter ihr.
"Teuflisches Pack!", kreischte die Alte, als die Elfe auf ihrer Schwelle stand. Sie nahm sich ein kleines Holzkreuz, das an der Wand hing, und streckte es vor sich. "Verschwindet Geister! Verschwindet aus meinem Haus."
Die Elfe lachte kalt und trat einen Schritt nach vorne.
"Der Teufel ist in meinem Haus!", schrie die Alte. Alle anwesenden Menschen im Raum sahen wie versteinert auf die Elfe.
Sie zog einen Dolch aus ihrem Umhang. Langsam und drohend schritt sie auf die schluchzende Alte zu und riss ihr das Kreuz aus der Hand. Ohne große Mühe zerbrach sie es und schleuderte die wertlosen Stücke in eine Ecke. Ein Kind, das mit lauter roten Pusteln übersät war, begann zu weinen. Die Elfe schritt zu ihm und schubste dabei unsanft eine Frau beiseite, die neben dem Kind hockte. Als der kleine Junge die Elfe über sich sah, verstummte er und begann vor Angst zu zittern.
Doch die Elfe gab ihm nur ein Kraut und sagte leise: "Iss das, dann gehen alle Schmerzen und Krankheiten weg."
Da der kleine Junge dachte, dass er sowieso sterben würde, steckte er sich das Kraut in den Mund. Nichts passierte. Eine Minute, zwei...
Es war totenstill in der Hütte. Nur das schwere Atmen schlafender Kinder und das Getöse der Taverne hörten sie.
Dann, wie durch Zauberei, verschwanden die Pusteln des Kleinen und sein Fieber sank. Verwundert betrachtete er die Elfe, die er vor kurzem noch für den Teufel selbst gehalten hatte.
Die alte Frau stand langsam auf und sagte: "Wie habt ihr das gemacht?"
"Ich sagte doch, dass ich nur helfen will", meinte die Elfe.
"Und die Bedingung?", fragte die Alte. Die Elfe grinste. Es war ein gewinnendes Grinsen. Ein Grinsen, das Freude und Kälte gleichzeitig ausdrückte.
"Ich bräuchte einige Männer, die wissen, wie man ein Schwert führt."