Читать книгу Im Zentrum der Lust | Roman - Alissa Stone - Страница 4

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Kapitel 2

Der Schmerz an meinen Handgelenken riss mich aus dem Schlaf. Mein Atem stockte, während die Panik durch den Körper kroch. Ich schaffte es nicht, die Hände zu bewegen. Entsetzt blickte ich nach oben. Sie waren an ein schmiedeeisernes Bettgestell gefesselt. Das Seil schnitt in meine Haut, sobald ich daran zerrte. Oh mein Gott! Ich war noch bei ihm. So weit wie möglich drehte ich mich zur Seite und ließ den Blick durch das mir fremde Schlafzimmer schweifen. Ich war allein. Die Sonne brach durch die großen Fensterscheiben und warf ihren Schein über den hellgrauen Flokatiteppich, der den dunklen Parkettboden zierte. In der Ecke stand ein weißer Ledersessel, über den eine moderne Stehlampe ragte. Mein Körper war mit einem dünnen Seidenlaken bedeckt, darunter war ich nackt. Der zarte Stoff glitt über meine Haut, sobald ich die Beine bewegte.

Bilder von letzter Nacht füllten wie Bruchstücke meine Gedanken. Aber ich konnte mich nicht erinnern, wie ich von der Bar in dieses Haus gekommen war. Dabei hatte ich nur einen Mojito und den Martini, den er mir spendiert hatte. Wir hatten nicht einmal unsere Namen getauscht. Das waren Nebensächlichkeiten, die uns beim Flirten nur aufgehalten hätten.

Aber ich erinnerte mich deutlich an die Szenen, die mich in die jetzige Lage gebracht hatten. Wie er über meine Schulter gestreichelt hatte, während er meine Handgelenke geschickt im Rücken zusammenhielt. Ich wollte sie ihm entreißen, weil ich nicht wusste, was er vorhatte. Doch er hielt mich einfach fest. Drückte mich rücklings auf das Bett und stimulierte mit den Fingern meinen Kitzler. Er hörte nicht auf, meine Lust zu steigern, bis ich aufhörte, gegen ihn anzukämpfen. Seine Finger forderten meine gesamte Konzentration, ich bebte vor Verlangen. Plötzlich legte er mir die Bluse über den Kopf. Der helle Stoff nahm mir die Sicht, ich musste erst einmal realisieren, was geschah. Er zog meine Hände nach vorn und wickelte etwas um die Handgelenke. Ein Seil. Es schlang sich so fest um meine Arme, dass ich sie ihm nicht entziehen konnte. Als er sie über meinen Kopf hob und ich das Metall des Bettes ertastete, wusste ich, dass er mich daran festbinden würde. Ich warf den Kopf hin und her, wollte die Bluse von mir schütteln. Ich fühlte mich ausgeliefert, hilflos. Er war stark, ich konnte sie ihm nicht entreißen.

»Hab keine Angst. Ich tu dir nichts.« Seine Stimme klang sanft, einfühlsam.

Ich versuchte, ruhig zu atmen, der zarte Stoff verfing sich im Mund. Mein Herzschlag wollte sich nicht beruhigen, weil ich nicht wusste, ob er hielt, was er versprach.

Dann übersäte er meinen Körper mit Küssen. Knetete sanft meine Brüste, zwirbelte immer wieder die Warzen, bis ich zu keuchen und stöhnen begann. Er liebkoste mich, begehrte meinen Körper, streichelte ihn, als wäre er ein kostbarer Edelstein. Es fühlte sich fantastisch an. All meine Sinne konzentrierten sich nur auf das, was er mit mir tat. Er schob seine Zunge in meinen Spalt, bis Wellen der Erregung durch die Schenkel schwappten. Ich spürte alles so intensiv, als wäre mein gesamter Körper ein einziger Nerv. Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Meine Augen waren geschlossen, die gefesselten Hände vergessen. Bis er meine Hüfte packte und mich auf den Bauch drehte. Die Bluse wickelte sich um meinen Kopf, das Seil schnitt in die Handgelenke.

»Auf die Knie«, forderte er. Es war ein Befehl, der mich komplett aus den Empfindungen riss. Ich musste mir erst klar werden, was um mich herum geschah. Plötzlich traf ein Schlag meinen Hintern. Nicht fest, aber fest genug, dass ich aufschrie. Er ließ mir keine Zeit, schlug immer wieder zu. Abwechselnd auf beide Backen. Ich zog die Knie an und kroch nach oben. Mein Po ragte in die Luft, ich konnte mich vor Geilheit kaum halten. Seine Dominanz erregte mich. In mir zog sich alles zusammen, sehnte sich nach seiner Männlichkeit. Mein Kopf lag auf dem Bett, eingewickelt in die Bluse. Der Atem prallte daran ab und erhitzte mein Gesicht. Dann endlich drang er in mich. Ritt mich mit festen Stößen, während die Fesseln mich an Ort und Stelle hielten. Er war tief in mir. Sein schweißnasser Körper schmiegte sich an meinen. Unser Stöhnen flirrte durch die Stille.

Er hatte sich genommen, was er wollte und hatte es wahrlich geschafft, mich mit in eine Welt zu entführen, die mit einem unbeschreiblichen Höhepunkt explodiert war. Der Sex mit ihm war unglaublich gewesen. Es gab kaum Männer, die mich dazu brachten, nur noch in Lust zu schwelgen. Die meisten zogen Schema F durch, begrapschten meine Brüste und begnügten sich bis zum schnellen Ende mit der Mis­sionarsstellung. Wahrscheinlich, weil sie es von ihrer letzten Beziehung so gewohnt waren. Vor einem halben Jahr hatte mich zum ersten Mal jemand beim Sex gefesselt und mir den Hintern versohlt, wenn ich mich nicht so verhalten hatte, wie er das wollte. Die Affäre mit ihm hatte zwei Wochen gedauert. Damals war ich zum Dolmetschen auf einer Konferenz in Paris geladen gewesen. Als ich Frankreich wieder verlassen hatte, verloren sich unsere Wege. Trotzdem hatte es schon damals eine unerwartete Lust in mir entfacht.

Schwere Schritte schoben meine Erinnerungen mit einem Mal beiseite. Ich atmete flach und starrte auf die Tür, die sich langsam öffnete. Dann hörte ich ein Scheppern und einen Tritt gegen das Türblatt. Mein Herz pochte und der Druck in der Brust legte meine Atmung für Sekunden lahm.

Er trat ins Schlafzimmer. Sein Blick war auf ein Tablett aus weißem Acryl gerichtet, das er in den Händen hielt. In dem blauen, einwandfrei gebügelten Hemd und der schwarzen Hose sah er genauso attraktiv aus wie gestern. Kaffeeduft erfüllte den Raum und ich erspähte einen Korb mit Weißbrot und Konfitüre. Dann sah er zu mir und lächelte mich an. Ich hob die Brauen. Es war mir unangenehm, gefesselt vor ihm zu liegen.

Er setzte sich neben mich aufs Bett und stellte das Tablett auf dem Boden ab. Der herbe Duft seines Aftershaves schwang in meine Richtung und legte sich auf das Kaffeearoma. Sprachlos sah ich in sein Gesicht, so, als sähe ich ihn das erste Mal.

Er sagte nichts, sah mich nur an. Sein Blick wirkte friedlich, zufrieden und auf eine gewisse Art selbstgefällig. Er schmunzelte und riss mit einem Ruck das Laken weg. Ich stöhnte auf, zog die Beine an und versuchte meine Scham zu verbergen. Ich fand es dreist, weil er angezogen war und ich nicht einmal mit den Händen meine privaten Stellen verdecken konnte.

»Gehört das auch zu deinem Spiel?« Ich gab mich verärgert, weil ich nicht zeigen wollte, wie nervös er mich machte.

Gleichwohl strichen seine Finger über meine Lippen, hinab über die Brüste, bis hin zu meinem intimsten Bereich. So zart, als wollte er mich besänftigen. Ich konnte meine Erregung nicht verbergen, die allein durch diese Geste erwacht war.

»Hat es dir gefallen gestern?«, fragte er und arbeitete sich mit dem Finger zum Zentrum meiner Lust vor.

»Hatte ich denn eine Wahl?«

Sein animalischer Blick hielt mich gefangen. Feuchtigkeit bildete sich zwischen meinen Schamlippen und machte mich bereit für mehr.

»Du hast mir schnell vertraut.«

Ja, weil er gut war, aber das wollte ich ihm nicht auf die Nase binden. Plötzlich stieß sein Finger gegen meinen Kitzler. Gerade noch konnte ich ein Seufzen unterdrücken. Mein Körper sehnte sich nach seiner warmen Haut, ich wollte seinen Geruch aufsaugen und das Salz seiner Poren auf der Zunge schmecken. Doch obwohl er meine Erregung mit seinen Fingern zu bemerken schien, zog er die Hand zurück.

»Dabei kenne ich nicht mal deinen Namen«, sagte ich. Ich musste cool bleiben, damit er nicht merkte, dass ich enttäuscht war, weil er nicht weiter machte.

»Jeff. Ändert das was?«

»Vielleicht.«

Er schmunzelte.

Obwohl ich nichts von ihm wusste, hatte ich das Gefühl, ich könnte ihm vertrauen. Vielleicht, weil er genau wusste, was ich brauchte.

Am liebsten hätte ich protestiert, als er mit wenigen Griffen die Fesseln löste und mich zeitgleich aus meiner freudigen Erwartung warf.

Er stand auf und ging zu einem großen Wandschrank, der sich in das Weiß der Wände fügte. Schnell setzte ich mich auf und zog das Laken nach oben, bedeckte meinen Körper bis über die Brüste. Es gab keinen Grund, mich ihm weiterhin nackt zu präsentieren. Offenbar hatte er nicht vor, das Spiel von gestern zu wiederholen.

Er schob die schwere Schranktür beiseite und holte ein ordentlich zusammengelegtes Handtuch heraus. Ohne mich anzusehen, legte er es neben mich aufs Bett. Dann hob er das Tablett auf und stellte es mir über die Beine.

»Iss etwas. Ich muss noch kurz was erledigen und bin gleich wieder bei dir. Das Badezimmer findest du dort drüben.« Er deutete auf eine große, satinierte Glasschiebetür und verließ das Zimmer, ehe ich all die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, in Worte fassen konnte. Ich wollte wissen, wie ich zu ihm gekommen war und ob er mir ein Taxi rufen könnte.

Verwirrt über seinen kurzen Auftritt strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich blickte auf ein Gedeck und eine Tasse Kaffee. Schwarz, wie ich ihn mochte. Obwohl ich es befremdlich fand, nach einem One-Night-Stand in einem fremden Schlafzimmer zu frühstücken, und das auch noch allein, legte ich mir eine Scheibe Weißbrot auf den Teller, bestrich sie mit Erdbeerkonfitüre und biss davon ab. Ich wollte höflich sein und außerdem war es ohnehin egal, ob ich hier frühstückte oder später im Hotel.

Mein Blick fiel durch das große Fenster. Das Haus lag offenbar an einem Hang und eröffnete eine Aussicht auf weitläufige Wälder und eine am Horizont besiedelte Stadt, die etliche Kilometer entfernt schien. Das konnte doch unmöglich London sein. Wo genau war ich hier? Und warum nur konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich hierhergekommen war?

Je länger ich darüber nachdachte, desto merkwürdiger fand ich die Situation. Ich stellte das Tablett auf die Bettseite neben mir und stand auf. Auf dem Ledersessel entdeckte ich meine Bluse, den Rock, BH und Tanga-Slip, fein säuberlich zusammengelegt und aufeinandergestapelt. Jeff war ohne jeden Zweifel sehr ordentlich, denn ich war das bestimmt nicht gewesen. Ich packte die Kleidungsstücke, ging zur Glasschiebetür und schob sie beiseite. Vor mir zeigte sich ein Bad, das dem modern eingerichteten Schlafzimmer in nichts nachstand. Ich schritt über das dunkle Parkett. Wie sauber es in diesem Wellnesstempel war! Weder standen Shampooflaschen auf der Ablage hinter der großen, weißen Eckwanne noch konnte ich Kalkflecken an den glänzenden Wandfliesen entdecken. Als wäre das Haus gar nicht bewohnt. Hinter einer Glaswand zeigte sich eine großzügige Sauna, von der aus man dieselbe atemberaubende Aussicht genießen konnte, wie im Schlafzimmer.

Ich drehte mich zum Waschbecken und betrachtete mein Spiegelbild. Die Nacht hatte eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Hellrote Wangen brachten mein Gesicht zum Leuchten, und der schwarze Kajal um die Augen war so verwischt, dass es verrucht wirkte.

Ich legte meine Sachen auf eine der Holzablagen, die neben der Dusche hingen, und stellte das Wasser an. Ich sollte mich besser beeilen. Um 15 Uhr musste ich den Flieger nach Marseille erwischen, denn morgen Früh hatte ich ein Meeting zu dolmetschen mit Wirtschaftsbossen aus Frankreich und Großbritannien. Wenn ich dort nicht auftauchte, konnte ich alle Folgeaufträge wieder aus dem Kalender streichen.

Außerdem hatte jeder bekommen, was er wollte, es gab nichts, was mich hier noch hielt.

Als ich im Bad fertig war, öffnete ich die Schiebetür zum Schlafzimmer. Jeff saß auf dem Ledersessel und sah zu mir. Vor Schreck riss ich die Augen auf. Ein groß gewachsener Mann, dessen muskulöse Oberarme sein Jackett zu sprengen drohten, lehnte am Türrahmen und musterte mich argwöhnisch. Eine Narbe zog sich über seine linke Wange und die schwarzen Haare hatte er zu einem Zopf gebunden. Er wirkte bedrohlich. Allein durch sein Äußeres und wie er dastand. Breitbeinig und mit beiden Händen in den Hosentaschen. Was machte dieser Mann hier? Ich hätte nackt sein können. Vorwurfsvoll blickte ich zurück auf Jeff. Der stand auf und schmunzelte.

»Wer ist das?«, fragte ich.

Jeff ging langsam auf mich zu, immer noch mit diesem Schmunzeln im Gesicht. Mein Gefühl sagte, irgendetwas stimmte nicht. Er sah mich so durchdringend an. Als passte er nur den richtigen Moment ab, um zuzuschnappen.

»Ich habe dir doch gesagt, dass es nach meinen Regeln läuft«, sagte er so ruhig, wie er sich bewegte, und neigte den Kopf zur Seite. »Es wäre in deinem Interesse, wenn du freiwillig mitspielst. Ansonsten müssen wir dich zwingen es zu tun.«

»Zwingen? Zu was zwingen?« Ich sah zu dem Mann an der Tür, dann wieder auf Jeff. Ein eiskalter Schauder zog sich durch meine Adern.

Ich musste hier weg, so schnell wie möglich. Kurzerhand zwang ich mich an ihm vorbei. Doch ich kam nicht weit, denn der Fremde versperrte mir den Weg. Er lachte, laut und dreckig.

»Was wollt ihr von mir?« Mein Herz pochte.

Der Mann wich keinen Schritt zur Seite. Plötzlich streckte er die Hand aus, packte meinen Oberarm und riss mich zu sich.

»Wie Jeff schon sagte, ein bisschen spielen«, hauchte er mir ins Ohr. Ich roch seinen fauligen Atem und geriet in Panik. Mit aller Kraft drückte ich mich von ihm weg und boxte mit der freien Hand auf seinen Brustkorb. Mühelos wirbelte er mich herum und drückte meine Arme grob hinter meinen Rücken.

»Hör auf, lass mich sofort los!«

»Theo! Sei vorsichtig mit ihr«, rief Jeff, woraufhin der Mann knurrte.

Ich zerrte an seinen Händen und trat mehrmals gegen sein Schienbein, damit er mich endlich losließ. Zwar lockerte er den Griff, doch ich schaffte es nicht, mich daraus zu lösen. Er bog meinen Arm nach hinten, sodass ich ihn nicht mehr bewegen konnte. Der Schmerz wurde stärker, sobald ich daran zerrte.

»Hör auf. Lass mich los, was soll das? Du tust mir weh!«

Schon presste sich seine Hand auf meinen Mund. Ich atmete hektisch und versuchte in die Finger zu beißen. Doch sein Griff war zu fest. Er schleppte mich durch das Treppenhaus, hin zu einem Aufzug. Ich hatte Angst. Mein Gesicht war heiß und die Knie ganz weich. Mein Zwerchfell zuckte, während ich mit aufgerissenen Augen Jeff dabei zusah, wie er den Aufzugknopf drückte. Dann schob sich die weiß lackierte Tür zur Seite. Oh mein Gott, was geschah mit mir? Noch nie im Leben hatte ich solche Panik gehabt wie jetzt! Ein weiteres Mal trat ich mit den Füßen und grub die Fingernägel in Theos Hände. Doch ich konnte mich nicht befreien. Im Gegenteil, er presste mich so fest an sich, dass ich auf Zehenspitzen vor ihm herlaufen musste. Ich keuchte, schnappte nach Luft und versuchte, mich aus seinem Griff zu winden. Er ließ sich nicht von meinem Widerstand abhalten und zerrte mich in den Aufzug. Das quadratische Neonlicht in der Decke blendete mich, weil Theo nicht aufhörte, meinen Hinterkopf gegen seine Brust zu drücken.

Jeff stellte sich neben uns und tippte irgendwelche Zahlen auf einem Nummernblock. Ich schwitzte und mein heißer Atem stieß gegen Theos Hand, die meinen Mund und das Kinn umfasste wie ein Gipsverband. Dann schloss sich die Tür. Der Aufzug ruckelte kurz und setzte sich in Bewegung. Die rote Ziffer schnellte von 1 auf 0.

Noch immer versuchte ich mich von ihm wegzudrücken, aber mir fehlte einfach die Kraft. Mein Kopf dröhnte und meine Finger pulsierten, weil Theo sie so fest zusammenhielt. Es war sinnlos, mich gegen diesen Koloss zu wehren. Ich sollte die Kräfte sammeln, bis er den Griff irgendwann lockerte.

Die Metalltür auf der anderen Seite öffnete sich. Es zeigte sich ein Raum, etwa so groß wie eine Doppelgarage. Er glich einer steinernen Höhle. Fackellampen spendeten düsteres Licht und am hinteren Teil des Gemäuers erkannte ich eine Nische, die durch eine Glasscheibe vom restlichen Raum abgetrennt war. In der Mitte dieses Glaskäfigs stand eine senkrechte Eisenstange, die wie eine Tanzstange vom Boden bis zur Decke reichte. Ein merkwürdiger Bügel aus Metall war daran befestigt. Alles wirkte so düster, so unheimlich. Theo drängte mich an einem schwarzen Ledersofa vorbei, das wie eine kleine Zuschauertribüne außerhalb des Glaskäfigs stand.

Mein Herz schlug schneller, ich schwitzte und fror gleichzeitig, obwohl es hier weder heiß noch kalt war.

Ein Schlüssel klirrte und Jeff schloss den Käfig auf. Ich wimmerte bei jedem Atemzug und versuchte noch einmal, mich von Theo wegzudrücken. Aber es war zwecklos. Er schob mich an Jeff vorbei in den Käfig, als wäre ich ein Sack gefüllt mit Federn.

Plötzlich zog Jeff ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche, klappte es auf und hielt mir die Spitze entgegen. Ich zuckte zusammen. Theo ließ meine Hände los, dann das Gesicht. Er fasste meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und hielt ihn wie einen Strick fest. Mit aufgerissenen Augen fixierte ich die Klinge.

»Zieh dich aus, Lydia!«, sagte Jeff und kam mit dem Messer bedrohlich nahe. Er kannte meinen Namen? Woher wusste er den? Meine Tasche! Sie hatte nicht auf dem Sessel in Jeffs Schlafzimmer gelegen. Aber in ihr war nichts weiter als mein kleiner Geldbeutel und der Zimmerschlüssel. Meine Papiere und mein Handy lagen im Hotel.

»Woher kennst du meinen Namen? Ich habe ihn dir nie genannt, oder doch?«

Jeff grinste. »Nein, das hast du nicht. Aber es spielt auch keine Rolle, woher ich das weiß. Zieh dich aus.«

Ich konnte kaum mehr atmen, die Kehle schnürte sich zusammen. Mein Blick sauste durch den fensterlosen Raum. Neben einer Tür führte eine Treppe nach unten. Womöglich in den Keller. Der Aufzug war geschlossen. Wieder sah ich zur Tür neben der Treppe. Ich musste hier weg! So schnell wie möglich. Zwei Schritte, mehr schaffte ich nicht. Denn Theo wickelte meine Haare um seine Hand und zog daran. In dem Moment war mir der Schmerz egal, ich schlug mit den Fäusten auf ihn ein und traf genau zwischen seine Beine. Theo krümmte sich und ließ endlich meine Haare los.

»Du verschwendest deine Energie«, sagte Jeff und versperrte mir den Weg. »Es wäre wirklich besser für dich, wenn du einfach tust, was wir sagen.«

Er drehte das Messer, sodass die Klinge das Licht einfing und kurz aufblitzte. Ich atmete schneller und sah ihn an. Was sollte ich tun? Mich an ihm vorbeizwängen und einen Stich ins Herz riskieren? Wie weit würde er gehen? Mich umbringen? Aber wozu?

»Was habt ihr mit mir vor?«, fragte ich, um Zeit zu gewinnen. Egal was sie mit mir vorhatten, ich wusste, es würde mir nicht gefallen.

»Zieh dich aus oder wir helfen dir dabei«, sagte Jeff. Seine Stimme klang ruhig, konsequent.

Theo hielt noch immer die Hände an den Schritt und sah mich finster an.

Ich schüttelte den Kopf. »Damit kommt ihr nicht durch!«

»Ich weiß, du glaubst mir nicht. Das kann ich dir auch nicht verübeln. Du denkst, ich sei ein Verbrecher. Und du hast recht, das bin ich. Das bringt dieser Job mit sich. Aber ich verspreche dir, wir werden dir nichts tun, wenn du dich an das hältst, was wir sagen. Du wirst keinen Schaden nehmen.«

Sollte ich ihm das wirklich glauben? Hielt er mich für dumm?

»Lasst mich hier raus!« Ich ging auf ihn los, packte seinen rechten Ärmel, um mir das Messer vom Leib zu halten und versuchte, mich an ihm vorbeizuzwängen. Theo griff mir in die Haare und zog mich zurück.

»Lydia«, sagte Jeff, kam einen Schritt auf mich zu und streifte seinen Ärmel glatt. »Es ist, wie gesagt, nicht meine Absicht, dir wehzutun, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo ich zu Maßnahmen greifen muss.« Mein Blick krallte sich am Messer fest. Immer näher führte er es an mein Gesicht, bis es meine Wange berührte. Ich spürte das kalte Metall an meiner Haut und wagte kaum zu atmen.

»Bitte«, flehte ich.

»Tu einfach, was ich dir sage. Wenn nicht ...« Er sprach nicht weiter, stattdessen zog er mit der stumpfen Kante eine Linie über meine Wange.

Oh Gott, er würde mich töten! Mein Atem ging flach und meine Finger zitterten. Hecktisch tastete ich nach den kleinen Perlmuttknöpfen der Bluse und öffnete sie. In mir verkrampfte sich alles, mein Gefühl sagte, es war vorbei. Sie waren stärker, und wenn ich nicht tat, was sie verlangten, würden sie mich womöglich umbringen.

Ich streifte den seidigen Stoff von den Schultern und warf die Bluse auf den Holzboden. Erst jetzt bemerkte ich das Seil, das rechts vor mir in der Ecke lag.

Jeff ließ das Messer über meinen Hals gleiten. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, tastete ich nach dem Reißverschluss des Rockes. Ich schob ihn samt Slip von den Beinen. Dann führte Jeff das Messer an meine Schulter und durchschnitt die Träger des BHs. Ich zuckte. Als er beide durchtrennt hatte, zog er mit der flachen Kante eine Linie über meine Haut, bis hin zum Halter zwischen meinen Brüsten. Er setzte das Messer kurz an und zog es zu sich, schon fiel der BH zu Boden. In dem Moment war mir egal, dass ich nackt vor ihnen stand. Die Angst, er könnte mich mit der scharfen Klinge verletzen, übertönte jedes Schamgefühl.

»Bitte, tut mir nichts«, brachte ich wimmernd hervor.

Ich zitterte und bekam nur in kurzen Zügen Luft. Theo packte meine Unterarme und zog mich rücklings gegen die Eisenstange. Hinter der Stange presste er meine Arme zusammen. Seine Finger gruben sich in meine Unterarme und umschlossen sie wie eine Schraubzwinge. Ich drückte dagegen, doch mir fehlte die Kraft. Jeff stellte sich neben ihn, legte die Hand an meinen Hals und drückte meinen Kopf gegen die Stange.

»Mach den Mund auf«, sagte er.

Nein, warum? Ich presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Er hob die Brauen und sah mich eine Sekunde lang geduldig an. Ohne eine Miene zu verziehen, verengte er den Griff um meinen Hals. Er würgte mich. Oh mein Gott, ich drohte zu ersticken! Ich riss den Mund auf und schnappte nach Luft. Plötzlich legte sich etwas in meinen Mund. Es hielt den Kiefer geöffnet. Jeff ließ meinen Hals los, aber ich konnte den Kopf nicht mehr bewegen. Weder nach unten oder oben noch zur Seite. Er war fest mit dieser Stange verankert. Es musste der Metallbügel sein, der meinen Kopf umfasste, und ein Bolzen aus hartem Kautschuk spreizte meinen Kiefer. Obwohl ich ungehindert atmen konnte, hatte ich das Gefühl, mir blieb die Luft weg.

Ich wollte mir das Teil aus dem Mund reißen, aber Theo hielt noch immer meine Unterarme fest. Dann sah ich Jeff das Seil aufheben, das in der Ecke lag. Er kam zu mir und fesselte meine Handgelenke. Erst dann ließ auch Theo von mir ab.

»Höher«, sagte Jeff, der nun wieder vor mir an der Glaswand stand.

Ich hörte ein Schraubgeräusch neben dem linken Ohr. Dann drückte sich der Knebel nach oben. So weit, dass ich auf Zehenspitzen stehen musste. Wieder war da dieses Schraubgeräusch. Jeff nickte.

Wozu das alles? Ich konnte keinen Gedanken formen, der mir eine logische Erklärung gab, warum sie mich hier fixierten. Mit weit geöffneten Augen starrte ich die beiden an. Wie sie vor mir standen und mich zufrieden taxierten. Der starre Knebel erlaubte mir nicht mal zu schlucken. Warmer Speichel kroch mir aus dem Mundwinkel und tropfte auf meine Brüste. Ich hatte solche Angst. Tränen begannen meine Augen zu trüben und bahnten sich einen Weg über die Wange. In meinem Kopf hämmerte es, ich atmete zu schnell und mein Hals fühlte sich trocken an. Warum sagten sie mir nicht, was sie von mir wollten?

»Kümmern wir uns um die Formalitäten«, sagte Jeff. »Wir haben noch eine viertel Stunde, dann kommt Shazar.«

Theo nickte. Er schenkte mir einen hämischen Blick, bevor er Jeff durch die Tür neben der Treppe folgte. Als sie hinter ihnen zufiel, beherrschte Stille den Raum. Nur hin und wieder durchbrochen von einem metallischen Knirschen, sobald ich versuchte, den Kopf zu bewegen. Ich fühlte mich so hilflos. Und ich hatte Angst. Angst vor dem Ungewissen. Ich befand mich in der Gewalt von Menschen, die ich nicht kannte. Plötzlich musste ich an die Vermisstenaufrufe aus den Nachrichten denken. War ich jetzt eine von denen? Eine von denen, die niemals zurückkehrten, weil man ihre Leiche irgendwo verscharrt hatte? Ich kannte die Gesichter meiner Entführer, egal was sie mit mir vorhatten, ich konnte ihnen gefährlich werden. Sie durften mich nicht laufen lassen. Und es gab niemanden, der nach mir suchen würde. Der Kontakt zu meinen Eltern war schon lange abgebrochen, weil ich irgendwann keine Zeit mehr gefunden hatte, mich bei ihnen zu melden. Bei den wenigen Freunden, die ich im Laufe der letzten Jahre gehabt hatte, war es nicht anders. Niemand würde mich vermissen. Meine Kunden schon gar nicht. Es gab genügend Dolmetscher, die bereit waren, meinen Platz einzunehmen, so wie es auch leicht sein würde, einen Ersatz für meinen Ausfall in Marseille zu finden. Was interessierte schon Wirtschaftsbosse und Politiker oder deren Assistenten, wo ich war, wenn ich nicht ans Handy ging oder ihre E-Mails beantwortete!

Oh mein Gott, ich befand mich in einer verdammt beschissenen Situation. Ich war meinen Entführern ausgeliefert. Warum nur hatte ich mich von meiner Geilheit leiten lassen? Ich hatte Prinzipien, ich hätte mich nur daran halten sollen und all das wäre nicht passiert.

Noch einmal ratterten die Erinnerungen an letzte Nacht durch meinen Kopf. Der Blickkontakt mit Jeff, das Glas Martini, das er mir entgegengestreckt hatte. Nicht ich hatte ihn ausgewählt, sondern er mich. Ich war auf ihn reingefallen. Er hatte mich absichtlich angemacht. Warum sonst kannte er meinen Namen? Er kannte mich. Ich war nicht einfach ein willkürliches Opfer. Aber warum? Warum ausgerechnet ich?

Ich verlagerte das Gewicht von einem Ballen auf den anderen, weil es inzwischen wehtat, auf Zehen zu stehen. Mit den Händen umfasste ich die Eisenstange, versuchte mich daran festzuhalten, damit ich die Füße entlasten konnte. Sie war kalt und glatt. Ich starrte auf die Aufzugtür, sah den runden Knopf daneben. Hätte es wenigstens scharfe Kanten an dieser Stange gegeben, an denen ich das Seil hätte aufscheuern können. Ich musste mich von diesem Apparat befreien, an den man mich montiert hatte. Ich wollte flüchten, ehe meine Peiniger ihr Verbrechen fortsetzen würden.

Das Seil schnitt in die Handgelenke, während ich unentwegt daran zerrte. Mein Herz galoppierte. Immer mehr Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn. Ich sah zur Tür, durch die Jeff und Theo gegangen waren. Wie lange hatte ich noch Zeit? Jeff sprach von einer viertel Stunde. Die war bald vorüber, sagte mein Zeitgefühl. Konzentrier dich!, ermahnte ich mich. Wie wild rieb ich die Handgelenke aneinander. Der Schmerz pochte unter der wund gescheuerten Haut. Doch die Fessel gab ein wenig nach. Es war ein Gefühl, als trennten mich nur noch wenige Handgriffe von der Freiheit. Ich rieb weiter, drückte immer wieder die Hände auseinander. Das Seil lockerte sich, ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich quetschte die rechte Hand so weit zusammen, bis es mir gelang, sie aus der Fessel herauszuziehen. Schnell streifte ich das Seil von der anderen Hand und griff an den Knebel. Meine Finger zitterten und die Fußballen hatten Mühe, das Gewicht meines Körpers zu tragen. Das Eisen war starr und unnachgiebig um meinen Kopf gespannt, als hätte man mich darin eingeschweißt. Schließlich fand ich die Schraube, an der Theo gedreht hatte. Sie bewegte sich keinen Millimeter. Ich ertastet eine zweite Schraube auf der anderen Seite des Knebels. Doch für meine vom Zittern geschwächten Finger saß auch diese zu fest. Ich konnte nicht mehr klar denken, zerrte an den Schrauben, ohne darüber nachzudenken, in welche Richtung sie sich öffnen ließen. Plötzlich hörte ich ein Knarren. Ich riss die Augen auf und versuchte leiser zu atmen. Langsam öffnete sich die Tür und blieb einen Spalt weit offen. Scheiße. Da waren Stimmen. Gefolgt von Gelächter. Ein letztes Mal rüttelte ich am Knebel. Trat mit dem Fuß gegen die Eisenstange, in der Hoffnung, der Knebel würde sich lockern.

Dann verstummten die Stimmen. Das Einzige, was ich nun hörte, war mein Atem und mein Herz, das wie verrückt pochte.

Im Zentrum der Lust | Roman

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