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Prolog

Eine Frau, sie ist soeben 35 geworden, hat einen wiederkehrenden Traum: Sie geht mit Gerda im Zoo Lake Park spazieren, sie trägt einen Picknickkorb, Gerda eine Decke, auf der sie sich ausbreiten werden. Sie werden den ganzen Tag im Park verbringen. Das haben die Freundinnen oft getan, und es ist eine ihrer besten Erinnerungen an Johannesburg. Der Park ist unter der Woche ausgestorben: Die Familien, jungen Pärchen und Gruppen von Freunden, die sich am Samstag und Sonntag auf dem Rasen tummeln, finden sich unter der Woche nicht hier ein. Ab und zu sieht man einen Hundesitter, der seine zwei, drei oder auch mehr Hunde ausführt. Ein paar Obdachlose schlafen im Schatten der Bäume, doch sind es überraschend wenige. Die Wasservögel haben das Gebiet übernommen: Sie, die an den Wochenenden vor dem Lärm ins Gebüsch flüchten, haben sich nun ihr Revier zurückerobert. Sie stellen die größte Gefahr in den verlassenen Parks Johannesburgs dar, denn sie scheuen sich nicht davor, mit allen Mitteln die mitgebrachten Snacks der wenigen Besucher zu ergattern.

Die beiden Frauen entfalten das Tuch in sicherer Distanz zu den Wasservögeln und packen ihre Esswaren aus. Wie immer haben sie viel zu viel dabei, sie schauen ihren Proviant an und sagen, dass sie niemals alles essen werden. Und dann, ein paar Stunden später, werden sie dennoch alles verputzt haben. Sie bleiben oft den ganzen Nachmittag im Park – diese Tage sind für beide die seltene Gelegenheit, dem Alltag zu entfliehen und alles vergessen zu können, was ihnen das Leben schwermacht.

Die Frau, die diesen Traum in ihrer Wohnung in einem wohlhabenden Stadtviertel im Süden Rio de Janeiros träumt, weiß, dass ihre Freundin damals etwas belastete, doch diese sprach nicht gerne über ihre Angelegenheiten. So fragt sie sie auch im Traum – wie damals im echten Leben – nicht danach, denn sie weiß, wenn Gerda nicht von selbst erzählt, wird sie auch auf Fragen keine Antwort geben.

Dennoch ist die Stimmung unbeschwert. Sie genießen beide das Beisammensein, das Miteinanderscherzen und Lästern.

In diesem wiederkehrenden Traum ereignet sich nie etwas, das die Idylle stört und das dazu führen könnte, sie aus dem Schlaf aufschrecken zu lassen. Tagsüber ist die Frau überzeugt: Wenn sie nicht irgendwann aufgeweckt würde durch den Wecker, den sie sich am Vorabend auf spätestens elf Uhr stellt, damit sie nicht den ganzen Tag verschläft, dann würde sie diesen Traum ewig weiter träumen, sie würde nie wieder aufwachen, und es würde daher nie etwas anderes als sie und Gerda und den verlassenen Park mit den Enten und Schwänen geben.

Doch diesen Morgen wird sie aus ihrem Schlaf geschreckt. Wodurch? Ihr Mann ist schon lange fort, sie hat so tief geschlafen, dass sie ihn nicht hat aufstehen hören. Sie schaut auf die Uhr. Es ist neun. Etwas ist anders heute, denkt sie, etwas ist merkwürdig. Dann erst spürt sie den Schmerz. Und dann weiß sie, was los ist, denn auch dies ist ein wiederkehrendes Phänomen, aber kein Traum, sondern Realität. Diesmal bleibt sie ruhig, die Panik, die sie die ersten beiden Male heimgesucht hat, macht sich nicht in ihr breit. Sie weiß nun schon, was zu tun ist.

Als es vorüber ist, kehrt sie zurück ins Schlafzimmer, wo sie lange auf dem Bett sitzen bleibt und die Schatten an der Wand ihr gegenüber anstarrt.

Einige Stunden später ruft sie vom Handy ihren Mann an. Von dem, was soeben passiert ist, sagt sie nichts. Sie sagt bloß: „Ich gehe nicht mit dir nach Kanada. Ich verlasse dich.“

Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlt sie sich wieder ein kleines bisschen frei und glücklich.

Mabena

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