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Kapitel 2: Günstiges Parkett und ehrliche Makler

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Nachdem mit den noch vorhandenen Mietern, der Bank, dem derzeitigen Besitzer und dem Immobilienmakler alles geklärt war und der Notartermin feststand, machten wir uns Gedanken um die Renovierungen, die anstünden. Neben ein paar Eimern frischer Farbe planten wir lediglich, den abgetretenen Teppichboden in Michaels zukünftigem Arbeitszimmer und in unserem künftigen Schlafzimmer gegen Parkettboden auszutauschen.


Einzugschaos

Mittelfristig wollten wir auch den Klinker an der Stirnseite des Hauses durch Natursteine ersetzen, die Dämmung zum Dachboden hin verbessern, das Haus von außen dämmen und uns eine hochwertige Küche anschaffen. Diese Liste war jahrelang ein Quell der Heiterkeit, denn auch nach acht Jahren war davon nichts umgesetzt.

Nachdem wir die Preise für Neuparkett ausgiebigst studiert hatten, kamen wir zu dem Entschluss, lieber gebrauchtes Parkett zu ersteigern. Und in der Tat wurden wir bei Ebay fündig. Ganze 100 qm super erhaltenes Buchenparkett in Dielenoptik für Selbstausbauer. Eine Tanzschule hatte nur ein Jahr nach Eröffnung bankrott gemacht. Zwar handelte es sich nicht um praktisches Click-Parkett, aber mit Hilfe einer Kreissäge, dachte ich, ließe sich das Parkett, sofern es sich nicht einfach auseinandernehmen ließe, in praktische Stücke schneiden, neu nuten und mit zugekauften Federn sicherlich problemlos neu verlegen. Das war natürlich nur Plan B. Nach Plan A ließen sich Nut und Feder problemlos voneinander trennen, reinigen und neu zusammenfügen. Also ersteigerte ich euphorisch die 100 qm Parkett für das läppische Mindestgebot von 50 Euro. Außer uns hatte sich das Selbstausbauen und Selbstabholen wohl niemand zugetraut.

Dummerweise traten dann doch völlig unerwartet Schwierigkeiten auf. Die Mieter weigerten sich, ihren Abfindungsvertrag zu unterzeichnen, solange sie noch keine neue Bleibe gefunden hatten. Und solange sie den Abfindungsvertrag nicht unterschrieben hatten, wollte der bisherige Besitzer den Notartermin nicht vollziehen und sagte ihn deshalb überraschend ab. Uns drängte jedoch die Zeit in mehrfacher Hinsicht. Zum einen hatten wir unsere Wohnung bereits zu Ende Dezember gekündigt, um auf keinen Fall Miete und Rate gleichzeitig erbringen zu müssen, und unsere Nachmieter wollten pünktlich zum 01.01. einziehen und hatten ihre alte Wohnung ebenfalls bereits zum 31.12. gekündigt.

Zum anderen hatte die Bundesregierung in der Zwischenzeit mitgeteilt, sie wolle die Eigenheimzulage zum Jahreswechsel abschaffen. Sollte der Kauf also erst im Januar erfolgen, wäre die Eigenheimzulage, die ein wesentlicher Bestandteil unserer Tilgungspläne war, futsch. Sollte der Kauf bereits im Dezember erfolgen, der Einzug aber erst im Januar, würde die Fördersumme um ein volles Jahr gekürzt werden. Zudem hatten wir die Befürchtung, dass die Energieeinsparverordnung, die ebenfalls im Januar in Kraft trat, uns sofort dazu verdonnern würde, kostenintensiv das Dachgeschoss zu dämmen. Auch war das Darlehen mit der Bank bereits fest zum ursprünglich geplanten Kauftermin Ende Dezember vereinbart und es würden bei verspäteter Abrufung Bereitstellungszinsen fällig. Und dann hatten wir auch noch die 100 qm Parkett ersteigert, das wir unmöglich in unserer Mietwohnung im zweiten Stock einlagern konnten. Michael schlief in dieser Nacht sehr schlecht und tat kein Auge zu. Er sah Land unter, die Kreditzusage flöten gehen, Kosten für Parketteinlagerung auf uns zukommen und uns obdachlos auf der Straße. Unser erster Lösungsansatz sah einen Schlägertrupp für die sich zierenden Mieter vor, doch davon wollte der Makler nichts wissen.

Diese Umstände wurden dann zum Inhalt einer in Panik verfassten ausführlichen E-Mail an die Immobilienfirma, welche mit dem Verkauf betraut war. Und diese sah sich dann dazu genötigt, den bisherigen Makler vom Fall abzuziehen. Stattdessen schaltete sich der oberste Chef und Firmeninhaber höchstpersönlich ein und vereinbarte für den kommenden Tag einen Termin in seinem Büro. Das Wetter war gut und unsere Laune am Boden. Wir waren panisch und wütend, letztlich auf uns selbst und unseren fehlgeleiteten Optimismus. Der Chef war bereits jenseits des Pensionsalters, versuchte sich jedoch durch gefärbtes Haar einen jüngeren Anstrich zu geben. Es stand für uns jedoch völlig außer Frage, dass wir es hier mit dem Kopf eines alteingesessenen Familienunternehmens mit hervorragender Reputation zu tun hatten. Auch bevor er uns die Fotos an den Eingangswänden von den Zweigstellen zeigte, die durch seine Kinder geleitet wurden, und seine nagelneue Kaffeemaschine, die bereits lange vor dem allgemeinen Trend italienische Kaffeespezialitäten fabrizierte. Er entschuldigte sich vielmals für seinen derzeit etwas angeschlagenen Gang, denn er sei immer noch als angesehener und viel angefragter Bausachverständiger und Wertermittler im Einsatz und habe sich dabei gestern leider das Knie verdreht, weil er bei einer Begehung eine Treppenstufe übersehen habe. Ausgesprochen schmerzhafte Angelegenheit. Ob wir mal sehen wollten?

Ohne unsere Entgegnung abzuwarten, zog er sich die Hose herunter. Ich wusste nicht, wo ich hinstarren sollte. Unter seiner Anzugshose trug er eine silberne Seidenshorts.

Mein Mann hingegen besah sich das geschwollene Knie und bestätigte, dass es wirklich übel aussähe. Anschließend zog der Grand Seigneur seine Hose zu meiner Erleichterung wieder hoch und erklärte, dass es hinsichtlich des Kaufabschlusses keine Hindernisse gäbe. Die Mieter hätten ja schon etwas Neues in Aussicht, und so ein Notartermin ließe sich auch kurzfristig vereinbaren, man kenne sich. Den Schlüssel von der leerstehenden Haushälfte könnte er uns auch schon vorab überlassen, da können wir das Parkett problemlos einlagern und vielleicht sogar schon mit dem Streichen anfangen. Keine zehn Minuten hatte der Termin gedauert, von denen er sicherlich sechs Minuten Small Talk gemacht, Familienfotos gezeigt, zwei Sätze zur allgemeinen Beruhigung geäußert und uns anschließend freundlich verabschiedet hatte. Ach ja, und die Hosen runtergelassen hatte er auch. Michael war zufrieden. »Ich weiß nicht, was du willst. Ein Immobilienmakler, der die Hosen runterlässt. Ehrlicher geht’s ja wohl kaum.« Alle Probleme lösten sich dann in der Tat binnen einer Woche in Wohlgefallen auf. Und wir konnten uns wieder Gedanken um den Ausbau des ersteigerten Parkettbodens machen.

Wir waren uns einig: Im gleichen Maße, wie unser eigener Wagen ungeeignet war, wäre zum Transport des Parketts der Kombi meines ältesten Bruders perfekt. Der weigerte sich aber dummerweise, uns seinen Wagen zur Verfügung zu stellen. Er ist immer sehr auf sein Eigentum bedacht. Vielleicht ist das zwangsweise so, wenn man zwei jüngere Geschwister hat. Man weiß ja, wie die mit den Sachen von einem umgehen. Nun fügte es sich aber so, dass mein Bruder just im fraglichen Zeitraum in Urlaub fuhr und meinem Vater seinen Hausschlüssel überlassen hatte. Im Haus befand sich am Schlüsselbrett der Wagenschlüssel. Meinem Vater war es ebenso unverständlich wie mir, dass mein Bruder mir seinen Wagen nicht zur Verfügung stellen wollte. So hatten wir also den Wagen meines Bruders zur Verfügung und zusätzlich auch noch den meines Vaters, der sich den Spaß seinerseits auch nicht entgehen lassen wollte. Denn 100 Quadratmeter fest verleimtes Parkett selbst auszubauen – das empfindet man entweder als Spaß oder lässt es direkt bleiben. Im Übrigen wäre es im Falle eines Unfalls mit dem Wagen meines Bruders familientechnisch und schadenbehebungstechnisch sicherlich besser, wenn mein Vater und nicht ich am Steuer gesessen hätte. Die Jungs von der Tanzschule, die uns beim Ausbau behilflich waren, waren ein sehr unterhaltsames Völkchen. Meine Kreissäge kam glücklicherweise nicht zum Einsatz, der vorgestellte Plan B sorgte denn auch eher für allgemeine Belustigung. Das Parkett war nur außen mit Silikon befestigt worden und ansonsten nur äußerst sparsam verleimt. Binnen einer Stunde war das gesamte Parkett ausgebaut, auseinandergenommen und in den Fahrzeugen verstaut, eine Stunde später dann auch schon im leerstehenden Teil des Hauses eingelagert.

Beim Einbau des Parketts wollte uns ein Freund helfen, der ausgebildeter Tischler gewesen war, ehe er mit der Kreissäge in seine Hand geraten war. Nun lebte er recht gut von der Leibrente der Genossenschaft und von seinem neuerlernten Beruf als Buchhändler. Er erläuterte uns, dass wir das Parkett nicht einfach auf den vorhandenen Teppichboden auflegen könnten. Dieser würde zu stark federn. Also rissen wir gemeinsam mit ihm den Teppichboden heraus. Unter diesem befand sich eine Art stabile Pappe. Und unter dieser Pappe wiederum befand sich, zu unser aller Erstaunen, ein erstklassiger Dielenboden. Nun fanden sowohl Michael als auch ich, dass wir so einen perfekten Dielenboden einem gebrauchten und nur mit Mühe verlegbarem Parkett doch eindeutig den Vorzug geben würden. Das anschließende Rausreißen des Teppichbodens in der Garderobe offenbarte darunter einen Parkettboden. Wozu hatten wir nun aber das Parkett ersteigert?

»Den Rest kriegt ihr auch ohne mich hin«, verkündete der Tischler und schwirrte wieder ab. Nachdem jedoch die Entfernung der Klebereste auf dem Parkettboden (denn hier war der Teppich direkt auf das Parkett geklebt worden) von Hand unter Zuhilfenahme von Holzmeißeln sich als äußert schwierig erwies, beschlossen wir, unseren ersten Einkauf im Baumarkt zu tätigen. Wir erwarben einen Elektroschaber von Bosch und mehrere Liter Abbeizer. Nach drei Stunden und etwa einem halben Quadratmeter war klar, dass wir so nicht weiterkamen. Der Abbeizer verwandelte zwar den festen Kleber in flüssigen, dieser jedoch verklebte den Elektroschaber, so dass man ständig innehalten und von Hand den gelösten Leim vom Schaber herunterpulen musste.

Es dauerte nicht lang und alles klebte voll von diesem gelösten Leim. Man selbst, die Handschuhe, die Kleidung, der Boden, der Schaber, einfach alles. Wandte man den Schaber mit zu wenig Kraft oder im zu flachen Winkel an, lösten sich die Kleberreste nicht ganz ab. Drückte man jedoch zu fest, fraß er sich ins zuvor unbeschadete Holz des Bodens. Zudem löste der Abbeizer nach einiger Zeit auch das Gehäuse des Elektroschabers auf. Das Gehäuse wurde weich und schließlich ebenso flüssig wie der abzulösende Leim. Frustriert riefen wir unseren geflüchteten Tischler an. Er kam nochmals vorbei, drückte uns zwei Spitzmeißel in die Hand und erklärte uns, zunächst müssten beim Dielenboden alle Nagelköpfe im Holz versenkt werden. Anschließend sollten wir uns eine Schleifmaschine im Baumarkt ausleihen. Und weg war er wieder.

Während wir also schon einige Tage mit zunehmend schwerem Werkzeug in der einen Haushälfte zugange waren, zogen dann auch die Mieter aus der anderen Haushälfte endlich aus. Wir konnten feststellen, dass auch in dieser Hälfte unter den hässlichen Teppichböden schöne Dielen lagen. Auch diese mit Kleberesten versehen. Also stellten wir unser ersteigertes und selbstausgebautes Parkett bei Ebay ein. Festverkaufspreis 400 Euro. Nach drei Tagen schlug ein Tischler zu. Er freute sich sehr über den ausgesprochen günstigen Preis, wollte das Parkett in seiner Werkstatt verlegen. 350 Euro Gewinn. Das war doch mal was. Vielleicht hätte ich professionell in den Handel mit gebrauchtem Parkett einsteigen sollen. Die Differenzsumme wanderte in diesem Fall dann aber sehr schnell und ungeschmälert in den Maschinenverleih des Baumarktes. Merke: Wer ein Haus hat, weiß immer, wofür er Geld ausgeben kann.

So eine Schleifmaschine ist nichts für schwache Gemüter. Sie macht höllischen Lärm, viel Staub und ist nur unter Aufbietung aller Kräfte über eine enge Wendeltreppe zu transportieren, da sie über ein Eigengewicht von etwa 100 kg verfügt und zudem alles Mögliche ist, aber nicht handlich. Was nun die Kleberreste auf dem Dielenboden anbelangte, stieß auch die Maschine an ihre Grenzen. Bis Michael feststellte, dass sie, wie der Elektroschaber auch, etwas mutiger abschleift, wenn man sie schräg hält. Was man vermutlich niemals tun sollte. Zumal wegen ihres Gewichtes. Und weil dann auf dem Boden unweigerlich Schleifspuren zu sehen sind, die auch durch weitere, gerade Schleifgänge nicht gänzlich zu entfernen sind.

Inzwischen ist das »in« und nennt sich »Vintage-Look«. Aber damals kündete das schlicht von mangelnden handwerklichen Fähigkeiten. Nun könnte man sich fragen, ob abnehmende Fähigkeiten von Handwerkern vielleicht überhaupt die wahre Ursache für das »Aus-der-Taufe-Heben« des »Vintage-Look« sind? Und aus der Unfähigkeit von heutigen Musikern rührt dann wohl die moderne Klassik. Das würde so manches erklären. Natürlich bietet es enorme Vorteile, schlampig zu arbeiten: Es geht viel schneller. Da habe ich doch letzthin einen Dielenboden gesehen, der vom Hausherrn selbst absolut makellos abgeschliffen worden war. Im Gegensatz zu unserem. Aber: Der hat da Monate dran gesessen. M-o-n-a-t-e. Also echt, dann lieber unbedingt an einem Wochenende fertig werden wollen.

An die Wände waren wir nicht gänzlich mit der Maschine herangekommen. Auch gab es verbliebene Schleifspuren vom schrägen Einsatz. Insbesondere im Schlafzimmer, wo Massen an Leim verarbeitet worden waren. Ebenfalls an der Stelle in Michaels Arbeitszimmer, wo ich den Elektroschaber so tief ins Holz gehauen hatte, dass ein sicherlich ein Zentimeter tiefes und fünf Zentimeter langes Loch im Boden verblieb. Trotzdem waren wir mit dem Ergebnis nach zwei Wochen angestrengtester Arbeit außerordentlich zufrieden. Ansonsten standen nur ein Wanddurchbruch durch eine Rigipswand inklusive Einbau einer Tür, die Entfernung einer Wandverschaltung in einer der ehemaligen Küchen, der Umzug der Küche in die bisherige Diele und das Wändestreichen an.

Der Lehrer ist kein Handwerker

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