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Kapitel 5: Das Schätzchen offenbart weitere Geheimnisse

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Da wir uns für die Fortführung des bestehenden Wartungsvertrages für die Heizung entschieden hatten, stattete uns im Frühjahr ein entsprechender Mitarbeiter der Sanitär- und Heizungsfirma einen Wartungsbesuch ab. Der kleine, bebrillte Mann ging routiniert zu Werke. Einer der Vorteile, wenn man die Zusammenarbeit mit den bereits mit dem Haus vertrauten Handwerkern fortführt. Als ich gegen Ende seines Einsatzes in den Keller ging, erläuterte er mir ausführlich, was er die letzte Stunde alles gemacht hatte. In jedem Fall hatte er geraucht. Der Keller stank nach Zigaretten, und ein Aschenbecher mit fünf Kippenstummeln stand auf unserer Heizungsanlage.

Ich bin da ja nicht so, letztlich muss er selbst wissen, was er da tut, und die Wäsche hatte ich vor seinem Eintreffen aus dem Keller geschoben. Immerhin hatte er seinen eigenen Aschenbecher mitgebracht. Ich schilderte ihm die Schwierigkeiten mit der Elektrik des Hauses und dass wir inzwischen eine Idee davon hätten, warum das Haus relativ günstig verkauft worden sei. »Ja, Sie haben da ein echtes Schätzchen«, sagte er, »und dass die Elektrik mal auf Vordermann gebracht werden musste, das wusste der Vorbesitzer auch. Aber das war nicht der Hauptgrund für den Verkauf, aber das wissen Sie sicher.« Nee, wusste ich nicht. Dann erläuterte er mir, dass der Vorbesitzer jahrelang einer Affäre gefrönt hätte. Mit seiner Geliebten hätte er sogar ein gemeinsames Kind gehabt und ihr auch ein Appartement auf seine Kosten für sie und das Kind zur Verfügung gestellt. Auch sonst sei er durchaus finanziell für sie eingestanden. Und all die Jahre sei er davon überzeugt gewesen, seine Frau wüsste nichts von der Affäre. Eines Tages aber, als er gerade seine Freundin besuchte, sei plötzlich die Haustür aufgegangen und seine Ehefrau sei hereingekommen. Mit den fertig vorbereiteten Scheidungspapieren. »Da musste er natürlich schnell, um sie auszahlen zu können, für Bargeld sorgen. Deshalb hat er seine ganzen Häuser verkauft.«

Mein Hinweis, dass das Ehepaar aber gemeinsam und guter Dinge die Verkaufsgespräche geführt hätte, wischte er beiseite, dann hätten sie sich inzwischen vielleicht wieder vertragen. Anschließend befragte ich ihn (durch die Sache mit der Elektrik vorsichtig geworden) zum Zustand der Heizung und ihrem Tank. Der Tank ist nämlich unterhalb der nördlichen Terrasse in einem unterirdischen Raum eingelassen.

Dieser Raum ist weder nach oben noch zur Seite wirkungsvoll gegen eindringendes Regen- und Sickerwasser geschützt, weshalb er dauerhaft einige Zentimeter hoch unter Wasser steht. In den fünfzig Jahren seit dem Bau des Hauses sind optisch schöne Stalaktiten von der Decke herabgewachsen sowie Stalagmiten vom Tank hoch zur Decke. Noch sind sie jedoch nicht miteinander verbunden. Von außen ist der Tank mit Teer eingepinselt, ebenso wie der restliche Raum. Mit dem richtigen Keller und dort mit dem Heizungsraum ist dieses Tankkabuff nur durch eine Art Durchreiche verbunden, die auf halber Höhe des Raumes angebracht ist und gerade eben groß genug für ein Hindurchsteigen. Sofern man das Bedürfnis dazu verspürt, zum Beispiel weil man einige Stalaktiten pflücken möchte, um damit den Weihnachtsbaum zu dekorieren. Diese Art der Unterbringung für einen Heizöltank erschien mir etwas kritisch, deshalb wollte ich beim Fachmann nachfragen, wie er die Angelegenheit einschätze. Wir für unseren Teil hatten sicherheitshalber kurz nach Kauf des Hauses eine Gewässerschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen, welche den Schaden durch ein eventuelles Leck im Tank übernehmen würde.

Der Kettenraucher zeigte sich ausgesprochen auskunftsfreudig. Unser Heizöltank (den er liebevoll als »Dinosaurier« bezeichnete) fasste zwar von Werk aus ursprünglich 10000 Liter, jedoch sei er im Laufe der Jahre verschlammt. Da er innen bereits mit einer Tankauskleidung versehen gewesen sei, hätte sich keine der angefragten Firmen getraut, das Absaugen und Reinigen zu übernehmen. Zu hoch sei ihnen das Risiko erschienen, bei dieser Aktion aus Versehen die Innenauskleidung mit anzusaugen, so dass diese einklappen und Verwerfungen bilden würde. Deshalb habe man einfach das Ansaugrohr um zehn Zentimeter gekappt, um den unten befindlichen Schlamm künftig nicht mehr mit anzusaugen. Die untersten 1000 Liter des Tanks seien also reiner Schlamm, würden aber nicht mehr mit angesaugt. Nun hätte er aber trotzdem eben den Filter der Heizung austauschen müssen, da er deutliche Verschmutzung aufwies. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Schlamm sich weiter vermehrt hätte und wieder die Unterkante des Einsaugrohres erreicht hätte. Als Ratschlag gab er auch, nach der Betankung die Heizung erst einmal mindestens eine Stunde lang nicht in Betrieb zu nehmen, um dem durch die Befüllung aufgewirbelten Schlamm wieder Gelegenheit zu geben, sich abzusetzen. Und wenn sich herausstelle, dass die Filter jetzt ständig ausgetauscht werden müssten, sei über andere Maßnahmen nachzudenken. Also man könne das Ansaugrohr erneut verkürzen. Wer brauche schon einen 9000-Liter-Tank, 8000 Liter würden ja auch reichen.

Das Vorhaben, den Tank auszutauschen, könnten wir hingegen knicken. Wäre ja denkbar, ihn durch ein neues Modell auszutauschen. Das seien heute stabile Kunststofftanks, die würden in ausreichender Anzahl aneinander gekoppelt. Aber in diesem Verschlag da würde ja kein Mensch arbeiten können. Und dann sei ja auch der Tank von außen mit Teer angestrichen. Wenn man an den Tank mit der Flex dranginge, würden giftige Gase entstehen. Eine vernünftige Belüftung gäbe es aber nicht und auch kein Licht. Die müssten also im Dunkeln, geduckt, im Nassen (der Verschlag steht eigentlich immer unter Wasser) und mit Sauerstoffgeräten arbeiten.

»Also, wenn Sie den Tank da raus haben wollen, müssen Sie eine von den Firmen anrufen, die ohne Namensnennung nur mit Angabe der Mobilfunknummer in Käseblättchen inserieren. Aber auch die würden vermutlich mittendrin einfach alles hinschmeißen. Mein Rat: Wenn es mal so weit ist, stellen Sie auf Gas um und mauern das Kabuff mit Tank drin einfach zu und vergessen, dass er überhaupt existiert.« Die Wahrscheinlichkeit, dass der Tank tatsächlich kurz vor dem Durchrosten stünde, schätzte er gegenwärtig aber nicht allzu hoch ein. »Das passiert so selten. Aber wenn es passiert, ist das natürlich eine Katastrophe. Bei einem Freund von mir hatte der Tank ein Leck, und die haben dann das Haus sofort räumen müssen, und dann wurde es abgerissen und der Erdboden unten drunter bis auf zehn Meter ausgebaggert und als Sondermüll entsorgt. Das zahlt keine Versicherung. Der war ruiniert und stand dann auch noch ohne Haus da.«

Ich wies auf unsere existierende Gewässerschutzhaftpflichtversicherung hin. »Nee, die zahlen im Schadensfall garantiert nicht, weil sie dann nachfragen und erfahren, dass für den Tank kein Wartungsvertrag existierte.« So machte er mich auch darauf aufmerksam, dass bei einem Tank dieser Größe eine regelmäßige Wartung durch eine Fachfirma vorgeschrieben sei. Seine Firma würde ja nur die Heizung warten, nicht den Tank. Und das wäre nun ein Problem, weil sich damals, als sich der Vorbesitzer bemüht hätte, halt keine Firma gefunden hätte, die sich dieser Verantwortung stellen wollte. »Aber machen Sie sich keine Sorgen, das passiert so selten, dass so ein Tank undicht wird. Aber wenn, dann ist das natürlich Scheiße.« Anschließend sah er auf die Uhr, sagte »Och, so spät schon« und schrieb zwei Stunden auf. Die letzten 45 Minuten davon hatten wir verquatscht. Auf meine Kosten offensichtlich.

Keine drei Minuten später hing ich bei der Sachbearbeiterin unserer Gewässerschadenhaftpflicht in der Leitung und fragte nach, ob es stimme, dass für einen Tank dieser Größe eine Wartung vorgeschrieben sei. Hierzu hatte ich in der Versicherungspolice keine Aussage gefunden. Sie fragte ihrerseits nach, ob es sich denn um einen oberirdischen oder unterirdischen Tank handle. Es brauchte einige Zeit, bis das geklärt war, und die korrekte Antwort lautete dann, dass es sich offenbar um ein Modell unterirdischer Bauart handle (also eines, welches man im Erdreich einlassen könne), das jedoch oberirdisch (da rundum begehbar) verbaut sei. Deshalb seien wir nicht zur regelmäßigen Wartung durch eine Fachfirma verpflichtet. Dieses klare Statement hielt den Kettenraucher aber nicht davon ab, bei jedem seiner folgenden Wartungsbesuche Gegenteiliges zu behaupten. Im Schadensfalle würde die Versicherung das dann auch wieder wissen, es sei ihr nur vorübergehend entfallen. Er hatte eine klare Vorliebe für Horrorschilderungen von Häusern, die »ihre« Familie ins finanzielle Desaster stürzen. Ich mochte seine Geschichten nicht.

Auch wandelten sich seine Begründungen, weshalb der Vorbesitzer sein Haus verkauft hätte, bei jedem seiner Besuche und wurden aus meiner Sicht immer dramatischer.

Die in den Folgejahren von ihm angebrachten Erklärungen (Gespräche, die ich dann aber stets erst nach Abzeichnung seines Zeitzettels zuließ) umfassten den Zustand der Elektrik des Hauses. Oder die gescheiterten Versuche des Vorbesitzers, eine Wartungsfirma für den Tank zu finden. Variiert von seiner Sorge um die Energiebilanz des Hauses und die seinerzeit bevorstehenden Nachrüstungsvorschriften hinsichtlich der Wärmedämmung. Oder den Zustand der Kanalisation, alternativ die durchrostenden Heizkörper. Was soll ich sagen, seine erste Geschichte mit der gehörnten Ehefrau hatte mir aus nachvollziehbaren Gründen besser gefallen, denn sie hatte nichts mit dem Zustand unseres Hauses zu tun. Wenn mit dem eigenen Haus etwas nicht stimmt, es so krank ist, dass selbst Handwerker es nicht mehr retten können – dann ist das keine Lappalie. Das ist das Ende der Welt. Und das ist eine Angst, die man, wenn sie einen einmal gestreift hat, kaum noch loszuwerden vermag.

Der Lehrer ist kein Handwerker

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