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Letzter Abend

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Während ich meine Sachen packte, überhäufte mich meine Mutter mit guten Ratschlägen, was ich in Istanbul tun solle und was nicht. Unvorbereitet, wie ich war, würde ich morgen früh an einen Ort fliegen, der mir völlig fremd geworden war, auch wenn dort immer noch mein Vater begraben lag. Worin vielleicht der einzige Reiz an meinem Flug nach Istanbul lag: Zum ersten Mal würde ich sein Grab besuchen. Es war, als könnte ich nach Jahren wieder zu dem Moment zurückkehren, in dem er uns verlassen hatte, als könnte ich ihn umarmen, mit ihm sprechen, wieder sein kleines Mädchen sein.

Denn Töchter, die ihren Vätern begegnen, werden wieder zu kleinen Mädchen, egal, wie alt sie sind; bei der Beerdigung meines Vaters hatte ich beobachtet, wie meine Mutter meinem Großvater um den Hals gefallen war, wie erleichtert sie dabei wirkte und wie sie an seiner Schulter zu schrumpfen schien, ganz so, als hätte sie nie geheiratet, wäre nie ausgezogen, hätte nie Kinder bekommen. Das war das lebendigste Bild, das mir von damals in Erinnerung geblieben war. Ich musste daran denken, dass ich nie wieder einen Augenblick wie diesen erleben würde, in dem ich mich so geborgen und so sicher fühlen konnte.

„Vergiss nicht, deinen Kopf zu bedecken, wenn du auf den Friedhof gehst“, sagte meine Mutter, während ich mir überlegte, welche klimatischen Bedingungen wohl in Istanbul herrschen mochten. Den Telefonhörer am Ohr, lief ich durch die Zimmer meiner Wohnung und suchte meine Sachen zusammen. „Wird gemacht“, sagte ich. „Ich habe ja noch den roten Schal, den du mir geschenkt hast.“

„Wie wäre es mit dem passenden Lippenstift dazu?“, erregte sie sich. „Damit auch jeder sieht, dass du was zu feiern hast? Ich glaube, du hast sie nicht mehr alle. Man geht doch nicht mit einem rosaroten Kopftuch auf den Friedhof! Such dir ein dunkles, dezentes heraus. Zur Not kaufst du dir eins am Flughafen. Takel dich bloß nicht zu sehr auf. Und pass auf, dass man deine Tätowierung nicht sieht.“

„Ich fliege doch nicht nach Teheran, Mama! Und ich habe bestimmt nicht vor, in Istanbul einen Tschador zu tragen.“ Das Thema Tätowierung überging ich geflissentlich. Meine Mutter brauchte nicht zu wissen, dass sich inzwischen zu dem einen Tattoo sechs weitere hinzugesellt hatten, alle größer als das erste. Dieses Geheimnis war bis jetzt nicht einmal Emmanuelles Geschwätzigkeit zum Opfer gefallen. Meine Mutter hatte nämlich bereits beim Anblick meines ersten Tattoos so heftig reagiert, dass wohl selbst Emanuelle sich nicht getraut hatte, ihr die weitere Entwicklung zu schildern. Obwohl das erste noch ganz klein gewesen war. Ein Datum auf der Innenseite meines Arms: 15. 07. 1983.

Sticht in meine Seele

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