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Cap. 16

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Da also der Apostel die Sünde nachließ, auf welche Auctorität hin verweigert ihr die Nachlassung? Wer ist denn wohl ein treuerer Verehrer Christi, Novatian oder Paulus? Aber Paulus kannte die Barmherzigkeit des Herrn, er wußte, daß der Herr Jesus mehr durch die harte Strenge, als durch das Erbarmen seiner Jünger beleidigt wurde.

Um nur ein Beispiel anzuführen: Als Johannes und Jakobus sagten, sie wollten Feuer vom Himmel herabflehen, die zu vernichten, welche dem Herrn die Aufnahme verweigert hatten, da wies sie der Herr zurück mit den Worten: „Ihr wisset nicht, weß Geistes Kinder ihr seid: des Menschen Sohn ist nicht gekommen, die Seelen der Menschen zu verderben, sondern sie selig zu machen.“ Jenen sagte er: „Ihr wisset nicht, weß Geistes Kinder ihr seid,“ und doch waren sie seines Geistes. Euch aber sagt er: „Ihr seid nicht meines Geistes, weil ihr meine Milde nicht bewahret, weil ihr mein Erbarmen zurückweiset, weil ihr die Buße ausschließet, die ich doch durch meine Apostel in meinem Namen gepredigt wissen wollte.“

Ihr saget ohne allen Grund, daß auch ihr Buße predigt, da ihr ja die Frucht der Buße ausschließet. Die Menschen werden nämlich lediglich durch Belohnung oder durch die Aussicht auf die Frucht ihrer Bemühungen zu ernstem Streben angeeifert; und jedes Streben ermattet durch die Verzögerung dieser Frucht. Gerade deßhalb sagte auch der Herr, um den Eifer und die Hingabe seiner Jünger zu steigern, daß derjenige, welcher Alles verlassen und ihm gefolgt sei, Hundertfältiges erhalten werde, sowohl hier als im Jenseits. Zuerst verheißt er den Lohn in der Gegenwart, um den Widerwillen, der aus der Hinhaltung des Lohnes hervorgeht, zu heben; dann weiset er auf das Jenseits hin, damit wir lernen, gläubig zu vertrauen, wie auch im Jenseits der Lohn unser wartet. Die Belohnung in der Gegenwart ist ein Zeugniß für die Belohnung in der Ewigkeit.

Wenn nun Jemand, mit geheimen Vergehen belastet, um Christi willen doch eifrig der Buße sich unterzogen hat, wie wird ihm jene Belohnung zu Theil, wenn ihm die Gemeinschaft mit der Kirche nicht erschlossen wird? Ich will, daß der sündige Mensch auf Verzeihung hoffe, daß er sie erflehe mit Thränen und Seufzern, daß mit ihm die Thränen des ganzen Volkes um Verzeihung flehen. Wenn dann zum zweiten und dritten Male die Wiedervereinigung ihm versagt ward, so möge er sich überzeugt halten, daß er immer noch zu wenig ausdauernd gefleht hat: seine Thränen mögen reicher fließen, er möge jammervoller zurückkehren, er möge die Füße der Vorübergehenden mit seinen Armen umfassen, mit Küssen bedecken, mit seinen Thränen baden und nicht nachlassen, bis der Herr Jesus auch zu ihm sagt: „Ihm sind viele Sünden vergeben, weil er viel geliebet hat!“

Ich habe Büßer kennen gelernt, deren Antlitz die Trauer durchfurcht, in deren Wangen die steten Thränenströme tiefe, scharfe Linien gegraben hatten. Sie lagen am Boden, als wollten sie Allen ihren Leib darbieten, über ihn hinzuschreiten; ihrem todtbleichen Antlitz war der Stempel der Entbehrung und des Fastens aufgedrückt.

Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 2

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