Читать книгу Tierisch gute Gespräche - Amelia Kinkade - Страница 12
Die Gabe entwickeln
ОглавлениеIch war damals vierundzwanzig Jahre alt. Mein Job als Jazztänzerin laugte mich aus, und als Schauspielerin musste ich mich ziemlich abstrampeln. Ich war hochgradig abgestumpft und hielt mich gerade noch am Funktionieren. Zwar hatte ich auch ein paar übersinnliche Erfahrungen gehabt, aber das waren eher Zufallstreffer gewesen. Im Nachhinein sehe ich meine frühen Zwanziger als eine Zeit an, in der ich verzweifelt versuchte, meine Sensibilität zu unterdrücken, was mir nur allzu gut gelang. Die Gefühle von Tieren kümmerten mich nicht im mindesten, und einmal war die Katze eines Mitbewohners sogar auf meiner Couch gestorben, ohne dass ich es bemerkt hätte. Aber die Tiere weckten mich auf. Die Tiere lehrten mich.
Ich war mit dem Tanz und mit metaphysischen Büchern aufgewachsen. Ich tanzte sechs Tage pro Woche, manchmal acht Stunden am Tag. Das hatte mich gelehrt, mich in Stille zu konzentrieren. Ich hatte gelernt, ohne Worte zu beobachten und zu kommunizieren, zuzuhören und sofort zu antworten, mich vollkommen dem Moment hinzugeben, in der Bewegung zu meditieren, dem Schmerz nicht auszuweichen, sondern durch ihn hindurch zu atmen, trotz Schweiß, Krankheit, Leid und Verletzung weiter zu arbeiten und durch die mächtigste Kraft des Universums Selbstachtung aufzubauen – durch Anmut. Wenn ich nicht tanzte, las ich. Ich verbrachte Jahre hinter den Bühnen der verschiedenen Theater, kauerte im Halblicht, blinzelte über den Schriften von Edgar Cayce, Jane Roberts, Taylor Caldwell und Ruth Montgomery. Medien faszinierten mich, ich suchte sie auf, ich las über sie, aber ich glaubte nie an meine eigenen übersinnlichen Fähigkeiten. Ich hätte mich totgelacht, wenn man mir vor zehn Jahren gesagt hätte, dass ich einmal als berufliches Medium arbeiten würde.
Allerdings war ich so sehr von der metaphysischen Philosophie durchdrungen, dass ich an jedem neuen Wohnort immer sofort zur zuständigen Hexe oder zum widerwilligen Ghostbuster auserkoren wurde. Völlig normale, unauffällige Leute riefen mich an, wenn sie psychisch im Schlamassel steckten, und erzählten mir Dinge, die sie keinem anderen gegenüber zu erwähnen gewagt hätten. Eine recht harmlose Freundin rief an und erzählte mir, dass ein Poltergeist in ihrer Garage ihre Plastik-Babypuppen in der Luft schweben ließ. Wen sollte sie rufen, um dem Spuk ein Ende zu setzen? Mich natürlich. Eine andere, sehr schwatzhafte Freundin klagte mir, ihr neuer Freund hätte ihr anvertraut, dass er sich in einen Wolf verwandeln könne. Sie ließ ihn sofort fallen, und bei wem deponierte sie ihn? Bei mir natürlich. Eine andere Freundin erzählte mir, sie hätte einen Mann getroffen, der erklärte, von den Pleijaden zu stammen - nicht etwa ein Geist von einem entfernten Planeten, der sich im Körper eines Erdlings inkarniert hatte, sondern ein Außerirdischer, der direkt von den Pleijaden kam. (Ich zuckte mit keiner Wimper. Halb Los Angeles stammt angeblich von anderen Planeten.)
Ich selbst habe weder Babypuppen beim Picknick in den Lüften gesehen noch eine Verwandlung à la Ein Amerikanischer Werwolf in London erlebt. Auch den Außerirdischen konnte ich nicht überreden, mir sein Raumschiff zu zeigen. Aber wo auch immer ein ausgeflippter Poltergeist, ein Werwolf oder ein Außerirdischer die Stadt unsicher machten, wurde ich als erste konsultiert. Warum? Meine Freunde hätten auf diese Frage sicherlich einstimmig geantwortet: „Ich wusste nicht, wen ich sonst hätte anrufen sollen. Niemand sonst hätte mir geglaubt.“
Schön und gut, aber jetzt Themenwechsel. Nun bin ich an der Reihe. Dieses Buch wird deine Grenzen auf die Probe stellen. Sehen wir mal, ob du die Nerven hast, mir zu glauben. Ich weiß, diese Erzählungen klingen fantastisch, aber um mir so etwas auszudenken, müsste ich schon genial fabulieren können, und ich versichere dir, das ist nicht der Fall. Ich habe lediglich die Namen und Identifizierungsmerkmale einiger Menschen und ihrer Tiere verändert, um ihre Privatsphäre zu schützen.
Ein einziger Tier-Workshop öffnete mir magische Schleusen – Schleusen, die nach all den Jahren transzendentaler Meditation bereits am Bersten gewesen waren. Ich habe schon immer Lust auf Meditation gehabt. Ich habe jahrelang an wöchentlichen Meditationskursen teilgenommen, die sich auf das Öffnen des dritten Auges konzentrierten, habe mein ganzes Leben lang als erstes begeistert morgens meditiert. Weil Telepathie ohne eine umfassende Schulung in Meditation praktisch unmöglich ist, enthält dieses Buch eine Ansammlung von Meditationstechniken, die mich meiner Ansicht nach zu der Entdeckung führten, dass ich Tiere hören kann. Ich möchte hier die Techniken weitergeben, die meine übersinnlichen Kräfte mobilisiert haben. Telepathie ist eine geistige Disziplin, kein Firlefanz und kein Hokuspokus. Sie kann und sollte keine halbherzige Sache sein. Die Psyche muss genügend Form und Substanz haben, um ihr standhalten zu können, und sie lässt sich niemals erzwingen. Wenn du die Telepathie erlernen möchtest, um Tiere besser beherrschen zu können, werden die Tiere nicht so reagieren, wie du es dir wünschst.
Sobald ich von dem ersten Workshop nach Hause zurückkehrte, übte ich fanatisch mit meinem Kater und konnte mich bald sehr gut in Katzen hineinversetzen. Auf Rodneys Bitte besuchte ich ein Tierheim, in dem man streunende Katzen nicht einfach tötete, und dort erwählte mich ein bezauberndes schwarzweißes kokettes Kätzchen namens Betty. Rodney verliebte sich auf der Stelle in sie, und all seine Probleme lösten sich in ihrer Gesellschaft in Luft auf. Im Laufe des Jahres fand ich dann den berüchtigten Mr. Jones, der sich aus einem Abfalleimer hinter einem der feinsten Fischrestaurants von Los Angeles mit Lachs verköstigte. (Er hatte immer den tadellosesten Geschmack der Welt.) Mr. Jones sollte bald meine Leidenschaft werden, mein Meister und mein Assistent: Wenn ich mir kein klares Bild von einem anderen Tier machen konnte, fragte ich Mr. Jones. (Wenn du gelernt hast, mit einem Tier zu kommunizieren, kann es dir auch deine Fragen über andere Tiere beantworten). Während ich dieses Buch schrieb, verlor ich Rodney. Betty blieb bei meinem Ex-Freund, aber dafür gewann ich Oscar, Billie, Cyrus und Ella, über die ich im letzten Kapitel dieses Buches schreiben werde.
Am Anfang war die Kommunikation mit meinen eigenen Katzen ein Kampf. Meine Emotionen blockierten mein Schaltsystem. Aber bald nachdem der Durchbruch bei dem Workshop erfolgt war, hatte ich lebhafte Träume, in denen Rodney auf meinem Brustkorb stand und laut mit mir Englisch sprach. Seine Schnauze bewegte sich beim Sprechen wie der Mund einer Marionette von Wallace & Grommit. Schließlich konnte ich ihm Fragen stellen, bevor ich nachts einschlief und dann sowieso nur träumte, dass er auf meinem Brustkorb stand und mir auf Englisch antwortete.
Ich träumte nun auch von anderen sprechenden Tieren: von Giraffen, Dachsen, Elefanten, und Lamas. Etwas öffnete sich in meiner Psyche – etwas schlüpfte möglicherweise aus - etwas Exotisches, Zerbrechliches und schrecklich Verrücktes. Es ging drunter und drüber in meinen Träumen. In meinem Traumzustand nahmen die Tiere menschliche Gestalt an, wenn sie sich mit mir unterhielten. So bekloppt wie es sich anhört und so sehr ich dagegen anzukämpfen versuchte – es kam Information herein: medizinische Information, psychologische Information, akkurate Information. Ja, sie war erschreckend akkurat. Ich verpflichtete mich, dem Prozess vertrauen zu lernen. Sollte mir das Universum wirklich diese spektakuläre neue Fähigkeit schenken, dann musste ich mich einer gewaltigen Umwandlung unterziehen, um mich auf sie einstellen zu können.
Seit dieser Initiation ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen, in dem ich Tiere und ihre Menschen beraten und Unterricht in Kommunikation zwischen den Spezies gegeben habe. Es gibt noch viele Wunden, die die Menschheit heilen muss, dennoch sind die Faszination der Kontaktaufnahme und das Liebevolle an der Kommunion mit Tieren eine Belohnung ohne Ende. Auf dieser wenig bereisten Straße habe ich mehr Zauberhaftes in mir und in der Welt um mich herum gefunden, als ich jemals zu träumen gehofft hätte. Ich werde über einige der erstaunlichsten Gespräche und Enthüllungen schreiben, die ich über die Jahre erlebt habe. Aber zuerst möchte ich erklären, wie der telepathische Prozess funktioniert, damit du deine eigenen Fähigkeiten erwecken kannst.
Im zweiten Kapitel werde ich dich mit neuen Begriffen bekannt machen und dich schrittweise durch eine Reihe von Übungen führen, mit denen sich die Barrieren der Kommunikation überwinden lassen, die uns von den Tieren und von einander trennen. Um diese neuen Fähigkeiten nutzen zu können, musst du vielleicht viele deiner lebenslangen Glaubenssysteme aufgeben. Deine Transformation kann schnell geschehen, und dies ist oft bei meinen Studenten der Fall. Es ist aber auch möglich, dass sich deine psychischen Sinne langsam öffnen, so wie sich die Blütenblätter einer Rose langsam entfalten. Vertraue deinem Prozess. Dies ist eine Übung in Vertrauen.
Am Ende dieses Kapitels werde ich eine Reihe von Techniken vorstellen, die dir helfen können, eine Brücke zwischen dir und deinem Tier zu bauen und seine Bedürfnisse, Wünsche, Vorlieben und Abneigungen zu entdecken.
Im folgenden Kapitel über Hellfühlen werden wir uns auf die Gefühle deines Tieres konzentrieren, auf mögliche emotionale Traumata und auf Taktiken zum Auflösen von Verhaltensproblemen. Im Kapitel über Hellhören werden wir Techniken erforschen, die dich ermutigen, die Gedanken deines Tieres in gesprochenen Worten zu hören. Mit Hilfe der Gestalttherapie werden wir entdecken, wo es Tieren weh tut und was sie körperlich und ernährungsmäßig benötigen. Schließlich werden wir uns mit Übungen beschäftigen, mit denen du nicht nur lebende Tiere aufspüren kannst, die gestohlen wurden oder verloren gingen, sondern auch mit den Seelen von Tieren kommunizieren lernst, die diese Erde verlassen haben.
Die leichteste und am leichtesten zugängliche Fähigkeit ist Telepathie oder ASW, der Austausch von Bildern von einem Bewusstsein zum anderen. Aber da du zuerst ein Verständnis von der Natur der Gedanken entwickeln musst, lade ich dich ein, mit mir neun Schritte zu erforschen, bevor wir tatsächlich mit den Tieren üben.