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2. Kapitel- „Die Geburt“

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Also, alles begann irgendwann in den legendären 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als sich zwei Jungs im zarten Alter von 15 Jahren aufmachten aus ihren tristen Dasein als Singeclubmitglied der jeweiligen Schule in der thüringischen Provinzstadt Apolda, die Sache selber in die Hand zu nehmen, um eine Band zu gründen!

Nun war der Singeclub nicht schlecht für die ersten Gehversuche in der harten Musikbranche, wenn man wie ich sang und der Andere Klampfe spielte, aber so richtig Spaß hat das letztendlich nur bedingt gemacht. Wir sangen kämpferische Lieder von der "Sache", die damals Sozialismus hieß, von Standpunkten, von Krieg und Frieden und wie schön es in unserem Land war. War es das wirklich?



Alles wurde immer schön besungen, man gab sich immer kämpferisch im landeseigenen Blauhemd und trällerte vor Brigaden, Kollektiven, Altersheimen, welche dankbar unserer hohen Kunst lauschten. Sie kannten es aber wohl nicht anders.

Irgendwann machte ich mich mit meinem Freund und Klassenkameraden Rüdiger in dieser Zeit auch daran, als Disjockey, ein anderes Terrain zu betreten, wo man die richtige Musik hören und spielen konnte.

Wir konnten aber nicht alles abspielen, was wir wollten, was wir hörten und was gerade aktuell war, den es gab in unserem kleinen Land eine goldene Regel für all Diejenigen, die Musik machten oder abspielten. Sechzig, vierzig, hieß die und bezog sich nicht auf das Alter irgendeine Person. Nein, es war das sozialistische gesunde Maß für Musik aus dem Osten und der Musik, die aus den Westen kam. Letzterer konnte man sich genauso schwer entziehen wie unserer damaligen heißen Ostmugge. Die Westmusik kannte ja keine Grenze und konnte ohne Visum uneingeschränkt in unser Ohr dringen. Natürlich nur zu Hause am Radio oder im Westfernsehen, wo es neben Hitparade, Rockpalast, Formel 1, noch andere diverse Musiksendungen gab.

Wissen durfte das keiner, wenn wir am Radio hingen mit unseren schwer erkauften Kassettenrecordern und den immer teuren Kassetten und Sendungen wie die Hitparaden von HR3 aufnahmen, um die neuesten Hits der westlichen Hemisphäre zu besitzen. Manchmal musste man auch Titel löschen, die man eine Woche vorher aufnahm, weil man zuwenig Kassetten besaß, Westkassetten. Jedenfalls war ich sehr froh, wenn ich immer Westmusik besaß, die mir sehr gefiel und die ersten Gefühle, Träume und Sehnsüchte auslösten. Platten aus dem Westen gab es fast gar nicht, außer ein paar Lizenzplatten von Nena oder BAP.

Aber auch das war ein schweres Unterfangen, denn krieg erst mal so eine lizenzierte Westplatte im Laden. Dafür musste ich mich beim damaligen Schallplattenladen

Stundenlang anstehen und wenn ich Pech hatte und ich an der Reihe war, dann gab es die nicht mehr. Alles gab es nur in einer bestimmten Anzahl oder gar nicht. Ostplatten gab es auch und da war es mitunter ähnlich, anstellen, stundenlang warten und dann der große Moment. Ich hatte mir aber, soweit mein Geld reichte, schon etliche Schallplatten von unseren Musiker zugelegt. Pankow, Rockhaus, Silly, Karat u.a. - meine Stars! Damals jedenfalls, heute auch noch, aber das will immer keiner hören. Jedenfalls kostete eine große Platte 16, 10 Mark der DDR, eine so genannte Quartett-Platte mit 4 Liedern drauf, zwei vorne auf der A-Seite, zwei auf der B-Seite kosteten auch schon stolze 8,10 Mark. Kassetten, bespielt oder unbespielt, waren auch ganz schön teuer. Ich glaube mit 20 Mark warst man dabei.

Naja und dann war ich eigentlich ein großer Volkschädling in der DDR in diesen Bereich. Heute kann ich es ja erzählen, denn ich muss dafür nicht mehr ins Gefängnis, was mir bei damaligem Recht bestimmt eine große Strafe eingebracht hätte.

Ich habe sämtliche neue kleine Quartett-Schallplatten damals aus der hiesigen Bibliothek geklaut, so heiß war ich auf die Musik und die Platten! Die Bibliothek, deren Kunde ich seit frühester Kindheit war, möge mir verzeihen, aber die

Versuchung war zu groß, weil ich mir das unmöglich hätte leisten können und selbst vor den größten Scheiß der damaligen AMIGA-Produktionen (staatliches Plattenlabel) machte ich nicht halt, wie zum Beispiel bei Tina und Ihrer "Liebe auf dem Meeresgrund". Mein Bruder zog mich dann später damit immer auf, mit der Tina meine ich, es wäre meine "Freundin". Ich meine, eine Hübsche war die schon, braungebrannt und treuherzige braune Augen, der Sound hatte mir für einen Moment auch gefallen, aber letztendlich war es musikalischer Schrott.

Meine Diebestour zog sich weiter bis in das ehemalige Pionierhaus, wo wir ab

und zu mal Disko machten. Beim Aufräumen kam so manche Quartett-Platte unter meinen Pullover. Das war die beste Methode, die Dinger unbemerkt aus dem jeweiligen Haus zu schleppen. Meiner Plattensammlung tat es gut und ich war glücklich jeden Tag eine andere Musik auf meinen Plattenspieler abzuspielen.

Jedenfalls hatte ich dann Ost-und Westmusik genügend zu Hause, getreu dem Motto: "Sechzig/vierzig". Somit leiste ich wohl auch unbewusst einen Beitrag für die goldene sozialistische Regel der Pop-und Rockmusik.

Wir hatten so auch Musik für unsere Diskothek und konnten ab Und zu mal einen Abend damit bestreiten. Mein Freund und Kumpel Rüdiger sorgte für die Musik und ich machte die Ansagen für die Titel oder irgendwelche Spiele und Aktionen. Das war schon eine andere Welt, als die strammen FDJ-Lieder mit ihren Wahrheitsanspruch. Außerdem konnte ich mich, bewusst oder unbewusst, im Ansagen üben, was für einen Frontmann und Sänger einer Rockband wichtig ist, vor allen Dingen in der DDR, wo man bei seinen Ansagen schon drauf achten musste, was man vor seinen Publikum sagte. Ist heute nicht mehr so. streng wie damals, aber man sollte sich als Musiker schon Gedanken machen, was man seinem Publikum mitteilen möchte oder nicht.

So sind wir mit unserer Diskothekensache im damaligen Hans der Pioniere, kurz Pionierhaus, gelandet, wo wir ein Paradies der damaligen Technik und einem Equipment vorfanden. Was sich doch die Genossen so alles leisteten!

Es gab Schallplatten, wie schon unrühmlich erwähnt, Mikrophone, Boxen, Endstufen, Verstärker, Tonbandgeräte und noch viel mehr.... Ein sozialistisches Kleinparadies. In der Zeit überlegten wir, auch beeindruckt von dem technischen Equipment des Pionierhauses, eine eigene Band zu gründen. Rüdiger spielte Gitarre und Klavier und ich sang für meine Leben gern und auch nicht schlecht, wie mir damals alle bescheinigten.

Zu Hause bei Rüdiger übten wir immer. Er am Klavier und ich sang, obwohl ich damals am liebsten eigene Sachen machen wollte und Rüdiger seine Akkordfolge auf dem Klavier aber oft schrecklich fand. Er meinte zwar, wir sind wie John Lermon und Paul Mac'Cartney von den Beatles, aber das war mir dann doch etwas sehr hoch gegriffen, denn so richtig gefielen mir seine Kompositionen nicht. Ich begann damals auch anzufangen mit Texten und wollte immer meine Texte, die stark an Silly orientiert waren, mit einbringen. Irgendwie klappte das aber nicht, meine holprigen Texte, seine leirigen Akkorde. So taten wir zwar unser Bestes und übten oft sehr lange, aber so richtig kam wohl doch nichts dabei heraus. Ist halt nicht so einfach gleich ein musikalisches Duo zu bilden, welches auch drauf hatte.

Mit der Zeit kam uns der Gedanke, den wir ja noch immer hatten, eine Band zu gründen. Das war so Ende 1979/Anfang 1980 herum. Aber da war ich noch nicht so aktuell bei Rüdiger, der erst einmal seine eigene Gruppe gründete, ohne mich, und diese "The Fans" nannte.

Die Urbesetzung der Gruppe "The Fans" bestand aus 2 Mädeln und 2 Jungs, Andrea und Carola, Gesang und Gitarre, Rüdiger, Gesang und Gitarre sowie Peter Schlagzeug. Doch das hielt nicht lange, die Mädels verschwanden und auch dieser breakdancegesteuerte Schlagzeuger Peter. Jetzt war für Rudi guter Rat teuer und er fragte mich, ob ich nicht mitmachen wollte. Wir kannten uns ja aus dem Singeclub, wo ich sang. Doch die Band war nicht komplett.

So fehlten zu einer Band nur noch der Schlagzeuger und ein Bassist. Die fanden wir auch. Meinen Bruder Thomas setzten wir hinter ein Pappschlagzeug (Millboarddrum) welches nur aus Pappe bestand, wie der Name schon verrät. Es bestand genauer gesagtaus 2 0M0-Waschmittelbehältern und einen richtigen Becken, aber mit Nieten. Nun waren die OMO-Waschmittelbehälter schon etwas Besonderes, denn sie stammten aus den Westen, was damals nicht so üblich war. Eine Fußmaschine gab es dafür nicht am Schlagzeug, was wiederum ungewöhnlich war, aber wie sollten wir die zusammenbastelten.

Aber man muss schon sagen, es ist ein Graus für ein Schlagzeuger dieses Pappschlagzeug , aber wir hatten nichts anderes, auch wenn es das tolle Equipment im Pionierhaus gab, aber das war nur für unsere Diskothek gestattet. Einen 2. Gitarrist, der dann doch kein Bass spielte, fanden wir im Nachbarn und Schulkameraden Knut, der bei Rüdiger in der Nähe wohnte. So übten wir die ersten Songs bei Rüdiger im Wohnzimmer, was groß genug war für solche Zwecke. Ich glaube, wir sangen von John Lermon "Imagine". Wir hatten noch keine Zuschauer und Fans, außer Rüdigers Eltern. Wohin sollte die Reise also gehen?

Vieles war ja noch unklar, da wir ja auch keine Meister waren auf unseren Instrumenten,/ aber bei jedem war der Wille und ein bisschen Talent vorhanden. "The Fans" durften dann so langsam, aber sicher nicht mehr bei Rüdiger im Wohnzimmer spielen, denn das sah Rüdigers Mutti nicht so gerne mit der Zeit. Es durfte ja auch nicht wie auf dem Rummel vor sich gehen in den eigenen vier Wänden. Zwischendurch waren wir mal bei Knut in der Villa, der wohnte gleich nebenan und die Villa war zudem viel geräumiger als Rüdigers kleines Wohnzimmer. Aber auch das hielt nicht lange.

Dann erfuhren wir, dass im Pionierhaus der Stadt eine Band probte. Das war Ur-Vamp, obwohl sie damals noch nicht so hießen und die Diskothek "Speed 2000" legte dort auf. Wir gingen also zum Boss des Hauses und fragten an, ob es eine Chance gebe, da zu proben. Er schrieb erst einmal unsere Namen auf. Ordnung muss ja sein.


So sind wir dann zu Ludwig gekommen, Ludwig, den damaligen Leiter des Pionierhauses, für den wir ab und zu mal Disko machten, und wir sehnlichst baten, uns in seine heiligen Hallen aufzunehmen. Das Zeug, was da alles vorhanden war, stand eh nur sinnlos herum, denn die Jungs die darauf spielten und ihre eigene Band hatten, waren bis auf einen bei der Armee. Dem einen, ein gewisser Herr Müller, der zufälligerweise noch da war, konnten wir die Disko übergeben, da er das so oder lieber machen wollte. Später wurde er unter anderem ein Techniker von uns. Nun hatten wir endlich alles: ein richtiges Schlagzeug, Verstärker, Boxen, Endstufen, Mikrophone und Ständer, Knut seine E- Gitarre. Rüdiger legte sich einen Bass zu. Der Anfang war gemacht. Alles befand sich damals in einen kleinen Proberaum des Hauses, den wir nutzen konnten und dort fingen wir an zu proben. Und immer das Fenster offen, bei diesen heißen Sommertagen, damit uns auch jeder hören sollte und konnte. So erhoffte ich es jedenfalls, denn so viele Bands gab es in unserem Ort nicht, so dass ich auf viel Aufmerksamkeit hoffte, wenn jemand draußen vorbei lief. Aber ich glaube, dem war nicht so, denn irgendwie bekam uns trotzdem keiner mit. Waren wohl doch alle mit ihrem Alltag beschäftigt. Uns beschäftigte die Musik, und unser erstes Stück in neuen Gefilden und mit neuer Technik, hieß dann "Oh Diane" von Fleetwood Mac. Wobei ich damals weder Fleetwood Mac groß kannte noch war ich mir sicher, um welche Diane es sich in diesen Lied handelte. Es war aber schön, Musik machen zu können, richtige Rockmusik, wenn auch etwas schräg und nicht ganz richtig in den Harmonien.

So verging die Zeit und wir kamen eigentlich nicht so richtig weiter, auch wenn wir unser Proben mittlerweile auf die besseren Etagen des Hauses umsiedeln durften.

Ein größere Raum, bessere Akustik. Wir hatten sogar ein eigenes Stück im Programm, welches erst einmal erstellt werden musste und das hieß "Music in the Town", Musik in der Stadt und handelte von Jugendlichen, die sich langweilten und nur die Musik hatten wie in unserer Kleinstadt und sich damit ausdrückten. Es war eine einfache Melodie, mit drei Akkorden, das sehr stark archaisch gespielt und mit Hingabe von mir gesungen wurde, da ich ja auch den Text dazu beisteuerte. Rüdiger komponierte das Ganze, glaube ich, damals.

Wir hießen dann auch nicht mehr "The Fans" sondern nannten uns "Sisyphus", nachdem Typen aus der Sage, der immer den Stein den Berg her aufrollte und der immer wieder herunter kam in einem sinnlosen Unterfangen. So fühlten wir auch, Rüdiger und ich, der den Namen von der Rockband City besorgte, die ein gleichnamiges Lied dazu hatten. Es war alles immer ein Heraufwollen, also Arbeit, und dann rollte alles wieder zurück wie der Stein, was bedeutet, dass wir entweder nicht vorwärtskamen oder keine Erfolge in der eigenen Sache so richtig hatten.

Wir teilten den Anderen den Namen mit und die rissen natürlich gleich ihre Witze darüber, von wegen Syphilis und so, aber uns war es ernst und der Name blieb.

Wir bedachten nur ein bisschen, dass wir mit dem Namen Ärger bekommen könnten. Er war für viele, darunter auch Ludwig, so düster und depressiv. Wir hatten aber den Sinn der Sage als Metapher im Sinn. Unser Gründungsjahr war dann der September 1984.



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