Читать книгу Von Sisyphus bis VAMP - Andre Bauer - Страница 8
6. Kapitel „Der große Tag „
ОглавлениеHeute sollte es soweit sein. Unser großer Tag war angebrochen. Ein Tag eigentlich wie jeder andere, doch einen Unterschied gab es: Wir mussten heute als Band "Sisyphus" vor einer Jury spielen, um eine Einstufung zu bekommen. Eingeladen dazu wurden wir vom Kreiskabinett für Kulturarbeit Apolda (KfK), für den 01. April 1986, von P., dem Fachberater für Diskotheken. Musik und Zauberkunst.
P. war ein Typ an sich, der schon etliche Jahre die Oberstufe
für seine Diskothek, die mit seiner Position im Kreiskulturkabinett Wen. Es hatte auch lange Gespräche gegeben, bis wir zur Einstufung konnten. Der 01. April sollte doch wohl kein Scherz werden?
Eine Einstufung. Das war nichts anderes als die Bewertung von einer Jury, bestehend aus Musikern, die die jeweilige Kapelle beurteilte und in Kategorien einstufte, damit diese Kapelle bei den Veranstaltern einen entsprechenden Stundenlohn bekam.
Wir mussten nicht daran teilnehmen, doch wir wollten und waren heiß darauf, denn es galt ja unseren Marktwert zu bestimmen in der Szene. Wenn wir irgendwann auftraten wollten wir uns auch nicht unter Wert verkaufen und für'n Appel und n' Ei spielen. Man ja war schließlich wer.
Also ging es an diesen Tag um etwas sehr Wichtiges für uns. Ich liebäugelte mit einer sehr guten Bewertung, da wir eigene Titel im Programm hatten, was für viele Bands nicht normal war, denn die spielten alle nur nach. Bei den Titeln hatten wir unterschiedliche Arrangements, so dass wir vielseitig waren, musikalisch gesehen. Das war für mich rein gedanklich ein großes Plus. Hatte ich doch schon viel gelesen über Einstufungen, Bands mit eigenen Titel, Rundfunkproduktionen und vieles mehr. Dazu gab es eine DDR-Zeitschrift mit den Namen „Profil- Methode zur Tanzmusik“. In dieser besagten Zeitschrift, die jeden Monat erschien, ging es um Bands, Proben, Technik und ähnlich gelagerte Themen. Höchst interessant, aber oft auch langweilig, im Nachhinein gesehen, denn es hatte auch viel mit FDJ zu tun und deren Einfluss auf die Musiklandschaft in der DDR. Ich verschlang aber trotzdem die meisten der Artikel und hielt alles für bare Münze. So war ich theoretisch gut gerüstet für die Einstufung.
Bei den Einstufungen gab es unterschiedliche Klassen, die Grundstufe für die, die ein gewisses Basisprogramm-und wissen hatten, die Mittelstufe, die Oberstufe und die Sonderstufe, bevor man dann Berufsmusiker wurde. Ein langer Weg dorthin- bis zum Berufsmusiker. Zur Einstufung der jeweiligen Band gab es einen Ausweis mit Passbild und entsprechenden Eintrag, also wie du eingestuft wurdest, wie viel du als Musiker pro Stunde verlangen konntest, ob du etwas für Technik bekommst und solche Sachen. Man wurde auch nicht jedes Jahr neu eingestuft, sondern in einen gewissen Rhythmus und der Schwierigkeitsgrad von Stufe zu Stufe wurde immer höher angesetzt. So konnte man, wenn man Glück hatte, am Anfang vielleicht die Grund- oder Mittelstufe bekommen, wenn man gut nachspielte und gut interpretierte. Bei Ober- und Sonderstufe war es schon schwieriger. Die Transparenz musste stimmen, man musste gut nachspielen können und eigene Titel haben, der Sound musste stimmen, wenn möglich noch ein Showprogramm gestalten und viele Dinge mehr.
Ich dachte und schätze uns so ein, dass wir mindestens eine Mittelstufe bekommen müssten, um auch richtig Kohle zu machen und wer zu sein. Aber im Leben kommt immer alles anders als man denkt.
Vergütungssätze für Amateurschallplattenunterhalter
Die Vergütung der Amateurschallplattenunterhalter erfolgt nach der AO über Diskothekveranstaltungen — Diskothekordnung — vom 15. August 1973. Gesetz¬blatt Teil I, Nr. 38 und der Anordnung Nr. 2, Diskotheken 081. Teil 1, Nr. 23 vom 30. Juni 1976
Grundstufe A: 5,00 Mark
Mittelstufe B: 6,50 Mark
Oberstufe C: 8,50 Mark
Sonderstufe 5: 10,50 Mark
Techniker je Veranstaltung 30,00 Mark (abzüglich 10 Prozent Steuern)
Vergütungssätze für Amateurtanzmusiker
Anordnung über die Vergütung der Tätigkeit von nebenberuflich tätigen Ama-
teurtanzmusikern, Berufsmusikern und Kapellensängern — Vergütungsregelung
für Tanz- und Unterhaltungsmusik im Nebenberuf — vom 1. Oktober 1973,
Gesetzblatt Teil I, Nr. 48, Seite 494, Ausgabetag: 29. Oktober 1973 Leistungsgruppe Grundtarif
(bis Mark pro Stunde)
Sonderstufe 8,50 Mark
Oberstufe 6,50 Mark
Mittelstufe 5,00 Mark
Grundstufe 4,00 Mark
(Elementarstufe — Unkostenbeitrag bis zu 10,00 Mark pro Person und Spieltag)
Wir glaubten also, dass wir mit unseren eigenen Titeln Eindruck auf die Jury machen konnten und legten uns bei den Proben mächtig ins Zeug.
Die Einstufung der Künstler und Kapellen sollte im Klubhaus der Jugend stattfinden. Folgende Künstler traten vor die Einstufungsjury: Laux junior, ein stadtbekannte Musikerfamilie, die hauptsächlich Schlager spielten, also "Bums" wie wir das damals nannten; dann kam ein Liedermacher - Christoph Richter und zuletzt wir, die Jugendtanzkapelle "Sisyphus"
In dieser Reihenfolge sollte die Einstufung auch ablaufen. Die Organisation dieser Veranstaltung war schlecht, denn so hatten wir zum Beispiel nicht mal die Chance bekommen am Vortag unsere kleine bescheidene Technik aufzubauen, um nochmals zu üben und den Sound zu checken. Im Gegensatz zu Laux Junior, der sich schon am Vortag auf der Bühne breit machte. So waren wir gezwungen unsere Anlage unten im Saal(!) aufzubauen und das kurz vor Beginn der Veranstaltung. Zum Soundcheck reichte die Zeit kaum. Und dann ging es auch schon los!
Als erstes dieser saubere "Bums" von Laux Junior Kapelle (Gruppe Kess) mit Songs von Modem Talking. Dann war Christoph Richter dran, der Liedermacher, der mit seinen Liedern viel Beifall erntete und uns auch gefiel. Nach Auswertung der Jury mit diesen 2 Teilnehmern bekam von denen jeder eine Oberstufe zuerkannt, was uns auf einen guten Tag der Jury hoffen ließ. Dann waren wir dran. Wir begannen mit dem Rock'n Roll-Knaller "Tutti Frutti" und erinnerten an die alte Rock-'n Roll Zeit der 60er.
Dann kam ein eigener Titel, ein RAP. Zu dieser Zeit eigentlich ungewöhnlich, denn vielleicht waren wir die ersten, die in der DDR so einen Rap-Song geschrieben hatten. Die Profiband Rockhaus aus Berlin behauptete immer, dass sie die ersten gewesen seien, die rappten mit so einem Song. Aber ich glaube, wir waren unbemerkt von der Öffentlichkeit des Landes, die allerersten. Der Titel hieß" Prinzessin Eitelkeit"
Wir bekamen Beifall von den Anwesenden, die auch aus der Apoldaer Musikszene stammte, wie Bluesband Huflatich, Laux und Memory-Rockband.
Nach 6 Titeln, mehr durfte keiner spielen, war Schluss, auch mit Lustig. Wir mussten uns mitten in den Saal begeben, wo sich die Jury an einem Tisch befand. Dort saßen neben P., wichtige Herren der Musikschulen aus Weimar, von der normalen Musikschule bis zur Hochschule für Musik "Franz Liszt" .
Nachdem wir Platz genommen hatten ging es los. Die zerrissen uns in der Luft!
Wir jungen Leute und diese alten Gockel. Kein gutes Verhältnis. Wir wurden kritisiert und kritisiert, wie schlecht wir eigentlich waren, was man noch alles verbessern musste und solche Sachen. Alles nur Bla, Bla, kein Wort der Unterstützung für eine junge Band. Schäbig so etwas.
Mir sagten sie, ich würde als Sänger nasal, also durch die Nase, singen. Ein Schwachsinn, denn ich habe das später mal nachprüfen lassen und mich bei einer Musikerin kundig gemacht. Die fand das ganz und gar nicht.
Weiter ging es um unseren Namen, wo die Jury hoffte, dass er nicht der griechischen Sage entspricht. Doch der entsprach er und das wäre frech und aufmüpfig von uns. Diese Trottel kamen nicht dahinter - Gott sei Dank!
Na ja, ich habe mal die gesamte Auswertung des Abends im DDR-Kultur-Jargon mit beigelegt.
Wir erhielten eine Grundstufe, die unterste Stufe aller zu vergebenen Stufen. Das enttäuschte uns sehr und wir gingen mit traurigen Gesichtern nach Hause. Es dauerte eine Weile bis wir die Jury und diesen Abend verdauten und uns über die Einstufung freuen konnten. Besser als nix!