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Kapitel 11
ОглавлениеRumänien, Bukarest
Der Vampir mit dem anmutigen Gesicht war völlig in Gedanken versunken, während er in der stockfinsteren, aber wolkenlosen Nacht besagte Vampirin beschattete.
Natürlich geschah dies ohne das sie es bemerkte. Er hatte schon zu oft andere Wesen heimlich beobachtet und konnte für sein Opfer völlig unsichtbar wirken.
Obwohl er noch nicht mal ein Foto von ihr hatte, erkannte er sie sofort, an dem Ort, wo man ihn hingeschickt hatte, als den von ihm gesuchten Vampir.
Irgendetwas verband ihm mit ihr. Er spürte es. Jedoch wusste er nicht, was oder wieso, aber er hatte noch genügend Zeit darüber nachzudenken.
Angel beobachtete sie mit seinen stechenden eisblauen Augen von einem majestätischen Gebäude aus. Es war aus dem vorigen Jahrhundert und im neu spanischen Barock gehalten.
Der junge Vampir rätselte wofür es wohl damals benutzt worden war. Alles, was er über das Gebäude wusste, war, dass es heute als Bürogebäude genutzt wurde.
Eine Schande, früher zu Zeiten vor den drei Weltkriegen, musste es noch hundertmal schöner gewesen sein. Genauso stelle ich mir ein Vampiranwesen, in dem dutzende Blutsauger hausen, vor, dachte Angel.
Auch wenn dem Jungen das Gebäude gefiel, konnte er sich nicht auf die schöne Aussicht konzentrieren, da er das Mädchen immer noch im Auge haben musste.
Der schwarzhaarige Mann war sich bei seiner weiteren Vorgehensweise noch unsicher, er hätte sie natürlich gleich umbringen können, aber dann wäre ihm alles noch genauso unklar wie jetzt auch, also ließ er es.
Er wollte wissen wieso „Die Sechs Heiligen“ ausgerechnet ihn für diese Mission auserwählt hatten und nicht jemanden der Anderen im Vatikan anwesenden Vampire.
„Was führen sie jetzt nur wieder im Schilde? Ich kann diese Männer nicht einschätzen und deswegen traue ich ihnen auch nicht.“ Angel hatte, seitdem die Höchsten des Vatikan gewechselt hatten und sie viele fragwürdige Entscheidungen getroffen hatten, große Probleme, den neuen Heiligen zu vertrauen.
Der junge Mann betrachtete das unscheinbare Wesen, was nicht wirklich gefährlich aussah, obwohl man sich bei Vampiren nie wirklich sicher sein konnte. Denn der Schein trügte in den meisten Fällen immer. Gerade die unschuldig wirkenden Vampire waren die gefährlichsten. Das beste Beispiel dafür war schließlich er selbst. Sein gelassenes engelsgleiches Äußeres täuschte nicht über seine Fähigkeiten und seinen Erfolg als Jäger hinweg.
Warum muss mein neustes Opfer ausgerechnet so eine völlig aufgedonnerte Vampirtussi sein.
Angel mochte keine Vampirfrauen, er zog die Sterblichen immer noch ihnen vor. Er hatte sie schließlich schon in seinen letzten Jahren zur genüge kennengelernt und hatte diesbezüglich nur schlechte Erfahrungen gesammelt.
Doch die einzige Frage, die ihm jetzt im Kopf herumgeisterte, war: Was will der Vatikan nur von dir?
Nachdem er einige Sekunden den Blick hatte umherschweifen lassen, war sie nun wieder sein einziges Ziel.
Du bist doch nichts besonderes. Oder wollen sie mir irgendwie eine Lektion erteilen weil ich in den letzten Jahren immer arroganter gegenüber den menschlichen Päpsten und deren Vertrauten geworden bin.
Vielleicht wollen sie mir so auch zeigen, dass ich auch nicht immer so tough bin, wie ich versuche mich zu geben, aber für diese Erkenntnis brauche ich sie nicht. Ich kenne meine Schwächen selbst sehr gut, aber vielleicht interpretiere ich da auch wieder zu viel hinein.
Durch sein hohes Alter hatte Angel eine relativ gute Vampirkenntnis, aber bei ihr wusste er nicht so recht woran er war. Sie ließ sich von außen nicht in die Karten sehen. Wobei das jetzt aber auch nicht von belang war.
Der Junge war sich hundert Prozent sicher, dass er sie wohl umbringen sollte. Umsonst hatte man ihn nicht für diesen Auftrag ausgesucht. Als der jugendliche Vampir so darüber nachdachte und die Frau weiter aus der Ferne beobachtete, durchbohrte ihn plötzlich ein Gedankenblitz.
Ihr Aussehen, wie sie sich bewegt und eigentlich alles an ihr erinnern mich an einen anderen Vampir.
Er überlegte nochmal einige Sekunden um sich nicht zu irren. Aber dann sprach er seinen Verdacht flüsternd aus: „Der Graf.“
Jedoch war das unmöglich, da dieser Vampir, an den er in diesem Moment dachte, schon lange tot war. Er kannte diesen mysteriösen Mann zwar nicht so gut, er wusste allerdings genau, dass er einen Sohn hatte und keine Tochter.
Diesen Sohn, hatte der Graf aber hingegen schon selbst zu seinen menschlichen Lebzeiten, umgebracht.
Sein eigener Vater, schnitt ihm bei lebendigem Leib das pochende Herz aus dem Körper, oder hat er ihn enthauptet? Ich weiß es nicht mehr genau. Ich muss da nochmal etwas überlegen. Auf jeden Fall hat der Graf es getan, nur weil sein Sohn ihm seinen Posten als König streitig machen wollte.
Der junge Vampir, sah sie noch einmal, jetzt mit völlig anderen Augen, an. Sie war ein junges Mädchen, goldenes Haar, grüne Augen und wunderschön anzusehen. Wenn er mit Vampirinnen nicht schon sooft auf die Nase gefallen wäre, würde er sich glatt an sie heranmachen.
Andererseits war dies jetzt nicht der richtige Moment, um mit seinem Unterleib zu denken. Der Junge musste unparteiisch und objektiv bleiben.
Der Vampir mit den schwarzen Haaren dachte bei sich: Soll ich vielleicht mit ihr in Verbindung treten oder über sie eventuell nachforschen?
Sollte ich aber mit ihr in Verbindung treten, würde ich sie nicht mehr länger unbemerkt verfolgen können. Andererseits könnten Nachforschungen ewig dauern und mit ewig meine ich auch ewig im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem, wenn sie nicht geschichtlich bekannt ist, werde ich nichts über sie finden, besonders weil ich auch nicht weiß, wann und wo ich nach ihr suchen soll. Die meisten Aufzeichnungen über Geburten und Todesfällen sind während der verheerenden Weltkriege zerstört worden. Die Dokumente, die noch vorhanden sind, sind nicht nur ungenau, sondern auch noch unvollständig.
Er seufzte und flüsterte vor sich hin. „Oh Mann, das wird ewig dauern und da habe ich jetzt keine Lust drauf.“
Im Vergleich dazu musste er sich wohl mit dem Gedanken anfreunden, mit ihr in Kontakt zu treten. Also musste er sie befragen und das ohne das sie den kleinsten Verdacht schöpfte, sonst konnte er den Auftrag wohl vergessen. Wenn er diesen Weg nicht einschlagen würde, würde er auch niemals etwas über sie erfahren.
Nachdem Angel sie nochmal einen ganzen Tag lang intensiv verfolgt hatte, kannte er ihren exakten Tagesablauf und besorgte sich kurzerhand einen Job in ihrer Lieblingsbar.
Die junge Dame tat nicht viel, sie ging tagaus tagein immer nur ins „Fairies“, das war der Name ihrer Lieblingsbar.
Dort blieb sie dann bis sie wieder schloss und wenn sie des späten Nachmittags öffnete, war sie die Erste, die sich in den Schuppen reinsetzte.
Warum sie aber jeden Tag wieder herkam, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären. Es gab keine Vorzüge an diesem Laden, er war widerlich, schmutzig und die Bedienung war unhöflich. Allerdings kann mir das auch egal sein, ist schließlich ihre Entscheidung, wo sie ihr Gift trinkt, dachte er.
Als die junge Vampirin die Bar betrat, arbeitete er bereits dort. Es war erst sechzehn Uhr und seine Schicht hatte gerade erst angefangen. Das „Fairies“ war, eine Bar in der Vampire ein und ausgingen und sie selbst sein konnten.
Es arbeiteten auch nur Vampire darin und von den monströsen Türstehern, die ebenfalls keine Menschen waren, wurden auch nur ihresgleichen eingelassen. Manchmal wurden aber auch Ausnahmen gemacht. Wie in jedem Club dieser Art in der Ecke der Welt, kam ab und zu auch mal ein Mensch mit hinein.
Bei den Menschen, die eingelassen wurden, war es aber so, dass keiner von ihnen diese einzigartige und aufregende Nacht überlebt hatte. Sie waren schließlich nichts weiter als Nahrungsquellen auf zwei Beinen.
Das Erschreckende aber war, dass die Obersten der vereinzelten Städte genau wussten, was in den Vampirclubs vor sich ging, aber sie unternahmen nichts gegen diese Tatsache.
Angel hatte nur eine Erklärung, wieso sie nichts dagegen taten. Höchstwahrscheinlich aus Angst, in allen Winkeln der Welt war es so, dass sich die Wesen der Finsternis von niemanden etwas vorschreiben ließen.
Sie betrachten besonders diesen östlichen Teil des Planeten, als ihre Welt und diese würden sie verteidigen, egal wie viel Blut dabei fließen würde. In Rom gab es natürlich auch Vampirbars, aber ich meide sie lieber, dachte der Junge. Obwohl er sie lieber mied, war er aber auch schon einige Male in solchen Bars gewesen.
An diesen für die meisten Menschen unzugänglichen Orten konnten Vampire ganz Vampir sein. Das heißt Blut, Sex, Orgien und Reisszähne.
Er erinnerte sich noch gut an seinen letzten Besuch, in so einer Bar. Der junge Mann musste mit ansehen, wie ein mächtiges und altes Reinblut einen Säugling bestellte. Dieses kleine Kind wurde dem hochgestellten Vampir dann ohne einen Moment des Zögerns auf einem goldenem Tablett serviert.
Angel, der das Ereignis damals nur angewidert mitangesehen hatte, wollte eingreifen, aber in einem Nachtclub voller Vampire, die dem Reinblut bis aufs Blut treu ergeben waren, wäre das sein sicherer Tod gewesen. Er beschloss damals also, nichts zu tun, aber sein Nichtstun bedauerte er bis heute.
Angel ging seiner Arbeit nach und schaffte es mehr schlecht als recht die Kunden der Bar „Faries“ zu bedienen. Er war einfach nicht mehr an so eine Art von Arbeit gewöhnt.
Als er noch ein Mensch gewesen war, hatte er kaum gearbeitet, da seine Eltern schon immer reich gewesen waren. Er hatte schließlich zum ersten Mal wirklich mit körperlicher Arbeit zu tun gehabt, als er zu seiner Zeit als neugeborener Vampir zwar schon einmal hinter einer Theke gearbeitet hatte, aber noch nie hatte er dumme Hinterwäldlervampire bedienen müssen.
Endlich war es an der Zeit, die hübsche Frau, die er Tage lang beschattet hatte, zu fragen was sie trinken wollte. Sie erwiderte nur leicht genervt: „Einen Wodka.“
Sogleich goss er ihr ein Glas ein und stellte ihr das gewünschte Getränk vor ihr auf die Theke hin und begann vorsichtig ein Gespräch zu eröffnen.
„Eine so schöne Frau, die schon um sechzehn Uhr allein in einer Bar Wodka trinkt muss wirklich schlimme Probleme haben?“
Darauf bekam er allerdings keine Antwort. Es schien so, als ob sie einfach nur in Ruhe trinken wollte. Angel wusste aber, dass das nicht so bleiben würde. Jeder wird redselig wenn er trinkt, selbst Vampire, dachte er. Auch sie würde da höchstwahrscheinlich keine Ausnahme sein.
Der Junge musste einfach nur warten und das hatte er mit zunehmenden Alter gelernt. Also schenkte der junge Mann mit den blauen Augen ihr Glas immer wieder voll, sobald sie es geleert hatte.
Diese Geste schien sie nicht einmal zu bemerken. Was war nur mit ihr los? War das Mädchen etwa jetzt schon so betrunken, dass sie gar nichts mehr bemerkte? Oder hatte sie so einen tiefsitzenden Schmerz in sich, dass ihr alles egal war?
Nachdem er ihr noch viele weitere Gläser nachgeschenkt hatte, begann Angel sie nochmal behutsam auszufragen. „Kennst du einen Vampir, der sich selbst den Grafen nennt?“
Damit begann er, aber warum wusste er nicht. Eigentlich hatte er sich doch andere Fragen zurechtgelegt. Seit ihm allerdings vor einigen Stunden der Gedanke mit dem Grafen gekommen war, kreiste sich alles in seinem Kopf nur noch darum.
Der Vampir fürchtete sich nach seinem Verrat an dieser Person, welcher zwar schon ewig her war, dem alten Blutsauger noch einmal zu begegnen.
Nach langen Minuten des Schweigens begann sie plötzlich, und von ihm unerwartet, doch noch zu sprechen.
„Einen Vampir, der sich selbst so nennt, kenne ich. Na klar kenne ich so einen Idioten, der sich als Graf bezeichnet. Er ist mein Vater, Erzeuger trifft es wohl eher. Dieser Idiot hat meine Mutter vor über hundert Jahren verlassen. Damals war ich gerade einmal ein paar Monate alt. Wir hätte eine Familie sein sollen, sagte meine Mutter immer, aber er, er dachte niemals an seine Familie. Er wollte lieber einen unnützen Krieg gegen die Menschen führen, um den Vampiren die Vorherrschaft über diesen Planeten zu verschaffen. Was für ein Narr! Dieser alte Vampir wollte doch tatsächlich einen Krieg gegen die Menschen führen. Er muss völlig den Verstand verloren haben. Die primitiven Menschen, sind doch für uns nichts weiter als Vieh, dass wäre fast so ähnlich, als ob ein Bauer sich mit seinen Kühen bekriegen würde.“
Die Vampirin unterbrach ihre Erzählung und begann urplötzlich zu lachen. Angel war verwirrt, fragte sie aber weiter aus. „Was ist aus diesem Mann geworden?“
Sie lachte weiter: „Das weiß niemand, aber ich glaube, dass sich die Menschen an ihm gerächt haben. Genau weiß ich es aber nicht. Tot ist der Mistkerl wohl aber auf jeden Fall.“
Sie begann wieder zu lachen, doch dieses schallende Lachen verwandelte sich binnen von Sekunden in ein bitterliches Weinen.
„Ich bin ganz allein auf der Welt. Meine Mutter war bis vor einem Jahr noch bei mir, beschützte und liebte mich.“
Sie weinte immer schlimmer, sprach aber trotzdem weiter. „Sie ist tot. Getötet von einem dieser verdammten Vampirjäger. Die Ironie an der Sache ist aber, dass dieser Jäger selbst ein Vampir gewesen war. Ich glaube, dass es einer dieser verfluchten Vatikanjäger war, schließlich gibt es nur dort Vampire die andere Vampire töten.“
Viele der anwesenden Vampire drehten sich nach ihr um, jeden Einzelnen von ihnen war es möglich, ihre Geschichte zu verfolgen. Mitleid hatten diese Nachtwesen jedoch nicht für sie übrig, sondern nur Verachtung für ihr viel zu menschliches Verhalten.
Die junge Frau bemerkte die missgünstigen Blicke, ließ sich davon allerdings nicht stören. Es war ihr wohl egal, was der Rest der Welt über sie dachte.
Das Mädchen sprach einfach weiter und schüttete diesem völlig Fremden ihr Herz aus. Der Unbekannte jedoch hörte ihr nicht mehr zu. Er hatte die Vermutung das Mike-chan, chan ist eine japanische Verniedlichungsform mit der man kleine Kinder oder gute Freunde anspricht, die Mutter der Vampirin getötet hatte.
Angel erinnerte sich, das Mike vor genau einem Jahr hier einen Auftrag gehabt hatte. Er freute sich damals, das Ursprungsland der Vampire endlich einmal selbst kennenzulernen und erzählte ihm noch stolz davon. Des weiteren konnte ein Jäger, der ein Vampir war, nur einer von Ihnen sein. Da hatte sie schon recht. Vermutlich hatte man ihn deshalb hierher geschickt, weil die im Vatikan wohl davon ausgingen, dass sie den Mörder ihrer Mutter gesehen hatte, oder zumindest den Vatikan dahinter vermutete.
Der Junge verstand aber nicht, wieso die Mutter des weinenden Mädchen hatte sterben müssen. Er vertrat nämlich die Meinung, dass nur schlechte Vampire den Tod verdient hatten. Damit stand er jedoch alleine da.
Er konnte diesbezüglich aber auch nichts tun, da jeder seine Arbeit auf seine Art und Weise erledigte und niemand hatte da Mitspracherecht.
Genau für dieses Recht hatte sich Angel von Anfang an im Vatikan eingesetzt. Eigentlich sollte dieses Recht ihm seine Arbeit erleichtern. Er wollte nicht, dass ihm einer der Menschen in seine Arbeit reinredete. Das hatte er jetzt davon, für dieses Geschöpf war es zu spät.
Als er aus seinen Gedankengängen wieder erwacht war, bemerkte er, dass die Vampirin eingeschlafen war und auch die Bar hatte sich bereits gelichtet.
Plötzlich hörte er auch endlich, dass ein anderer Barkeeper, sein Chef, ihn anschrie weil er seine Arbeit nicht tat. „Du wirst hier nicht fürs Rumstehen oder Nichtstun bezahlt.“
Angel, der diesen Job nun nicht mehr brauchte, warf dem Vampir mit den brauen fettigen Haaren die weiße Schürze, die er noch bis eben um den Hüften getragen hatte, an den Kopf.
„Mach deinen Mist doch selber, Alter, ich kündige.“
Mit diesen Worten verließ er die Bar. Da er das, was er wissen wollte, nun wusste, gab es keinen Grund mehr, sich das hier noch langer anzutun.
Das Mädchen, welches schlafend mit dem Kopf auf der Theke lag, ließ er, ohne sie noch einmal anzusehen, zurück.
Es ist nicht nötig, sie zu töten, obwohl sie den Tod vielleicht mehr als alles andere in der Welt wollte. Aber wenn sie sich so sehr danach sehnt, muss sie es schon selbst tun. Anscheinend fehlt ihr dazu aber der Mut, sie lebt wohl lieber weiter so wie bisher, dachte Angel.
Der Vampir sprach vor sich hin. „Das wäre ja nicht so meins, aber jeder wie er es braucht.“
Er sagte das, obwohl er sie auch sehr gut verstehen konnte. Manchmal war ihm auch zum Heulen zu mute, aber irgendwann kommen auch mal wieder andere, schönere Tage auf einen zu. Man lernt neue Leute kennen, die einen mögen und einen beistehen.
Auch wenn es heute regnet und die Welt nur grau zu sein scheint, kommt früher oder später die Sonne wieder heraus und zeigt das diese Welt doch nicht so schlimm ist, wie sie noch vor einigen Momenten war.
Er grübelte. Vielleicht sollte er dieses arme Individuum doch erlösen. Nur einen Schuss in den Kopf und sie wäre all ihre Sorgen und ihren Kummer ein für alle mal los. Für ihn wäre es keine Schwierigkeit es zu tun. Er hatte immer seine zwei Desert Eagle und sein Katana, ein japanisches Schwert, dabei.
In ihrem Leben danach würde sie wahrscheinlich auch ihre Mutter wieder sehen, wenn er das aber tun würde, würde er all seine Prinzipien verraten.
Der Junge sprach wieder zu sich selbst: „Nein, wenn sie sterben will, soll sie es doch selbst tun. Ich mag kein Heiliger sein, aber ein kaltblütiger Mörder, der Unschuldige tötet, bin ich auch nicht.“
Diese Geschichte der jungen hübschen, blondhaarigen Vampirin erinnerte ihn an sein erstes Zusammentreffen mit dem Grafen. Die Treffen ähnelten sich zwar nicht im geringsten, aber der Charakter der beiden glich sich sehr.
Der schwarzhaarige Vampir war mittlerweile in seinem Hotelzimmer, was er schon seit seinem Hiersein bewohnte, angekommen.
Es war gerade erst fünf Uhr und noch stockdunkel draußen. Als er so auf dem mit gelber Bettwäsche bezogenen Bett lag, musste er unaufhörlich an den Vampir denken, der sich selbst als der Graf bezeichnete. Dieses Monster in Menschengestalt hatte er getötet.
Es war schon so lange her, doch nach dieser ganzen Sache war er sich nicht mehr so sicher ob er richtig gehandelt hatte. Vielleicht hatte er dieses eine Mal einen Fehler gemacht.
Ihn betrübte dieser Gedanke und er wurde abgrundtief traurig. Durch den Tod des Grafen hatte er diese Familie, oder mehr die, nicht einmal die Chance hatte, eine zu werden und von der nur noch das blonde Vampirgirl übrig war, zerstört.
Der Verlust ihrer Lieben hatte sie in den Alkohol getrieben, von dem sie bis jetzt nicht mehr los gekommen war. Irgendwie war dieses Verhalten für einen Vampir, aber auch mehr als erbärmlich.
Realität war damals aber auch, dass er keine andere Wahl hatte den Grafen anders unschädlich zu machen. Der damals Neugeborene musste es tun, da die Pläne ihres Vater mit dem Wohl der Allgemeinheit, in erster Linie dem Wohl der Menschheit, nicht zu vereinbaren waren.
Nichtsdestotrotz müsste er immer noch an dieses arme Mädchen denken. Was wäre wohl aus ihr und ihrer Mutter geworden, wenn ihr Vater da gewesen wäre um für sie zu sorgen und sie zu beschützten.
Diesen Gedanken verwies er aber schnell wieder. Er würde sich nur seelisch verletzten, wenn er weiter daran denken würde.
Aus diesem Grund, tötete er diese Monster lieber, als sich mit ihren Problemen und Gefühlen auseinander zusetzten, um sich aber noch einmal zu vergewissern, dass er keinen Fehler begangen hatte, rief er sich die Geschehnisse von vor über hundert Jahren noch mal ins Gedächtnis.
Damals fing alles an. Er wurde in unvorhergesehene Dinge hineingezogen. Diese zwangen ihn dazu seine Familie zu verlassen und auch das erste Mal ein anderes Leben zu nehmen, um sein eigenes und auch das Anderer zu retten.
Zurückblickend waren viele Entscheidungen die er zu dieser Zeit getroffen hatte, falsch. Aber jeder von uns hat schon einmal Entscheidungen getroffen, die er im Nachhinein bereute. Das war auch bei unsterblichen Vampiren nicht anders.
Doch auch wenn die Vampire ein langes Leben hatten, war es bei Ihnen genauso wie bei den Menschen auch, man kann seine Fehler nicht ungeschehen machen. Man muss damit leben, was immer man auch angerichtet hatte.