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Kapitel 5
ОглавлениеEinige Tage nach der Tragödie, der sechs Werwölfe und fünfundzwanzig Menschen zum Opfer gefallen waren, sollte die Feier zum einjährigen Jubiläum des neuen Papstes stattfinden.
Nachdem Tiberus, der Erste seines Namens, sehr große Anfangsschwierigkeiten gehabt hatte und „Die Sechs Heiligen“ schon damit gespielt hatten, den fünfunddreißigjährigen und somit den jüngsten Papst seit dem Mittelalter, wieder seines Amtes zu entheben, war es ihm doch gelungen, seinen Pflichten gerecht zu werden. Er sah aber trotz seines jungen Altes schon sehr verbraucht aus und wurde gerade von Angel immer als alter Mann bezeichnet. Man wusste über seine Vergangenheit, und wie er zu dieser Postion gekommen war, nicht viel. Alles, was bekannt war, war der Aspekt, dass er es früher ziemlich bunt mit harten Drogen und Alkohol getrieben hatte. Sein Gesicht hatte dadurch viele Falten und tiefe Furchen davon getragen. Seine Nase war riesig und seine Augen trüb geworden. Sogar seine Zähnen waren angegriffen und fast alle durch künstliche ersetzt wurden. Augenscheinlich wirkte er nicht wie Mitte dreißig, sondern eher wie Mitte fünfzig. So alt war er auch für die Menschen um ihn herum. Nur wenige wussten die Wahrheit.
Seine Haare, die er unter der Papsthaube versteckte, waren durch den Stress und die Aufregung mittlerweile auch schon grau geworden.
Ein Jahr war es also schon her, seitdem Tiberus durch das, was er erfahren hatte, einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.
Angel, der vom allerersten Papst, unter dem er gedient hatte, zum Stellvertreter seiner Heiligkeit ernannt worden war, musste für einige Wochen seine Aufgaben übernehmen.
Dieser etwas nervenschwache Mann war mit der Welt, in die er eingeführt worden war, und dem, was sie mit sich brachte, nicht klargekommen.
Besonders die Andersartigkeit der Vampire und ihre Dickköpfigkeit machte es ihm auch nicht immer leicht. Aber nachdem sich die Heiligen intensiv mit ihm auseinandergesetzt hatten, kam er damit doch noch irgendwie zurecht. Doch seit diesen Momenten, die der Papst mit den Heiligen verbracht hatte, war er laut Angels Meinung nur noch zu ihrem Schoßhund degeneriert.
Auf der heutigen Feier waren alle versammelt, die da sein wollten und auch die, die es mussten. Nonnen, Priester, Soldaten und einiges an alltäglichem Personals waren anwesend, doch zwischen diesen menschlichen Männer und Frauen drängten sich auch ebenfalls einige Vampire.
Natürlich waren nicht alle Vampire gekommen, aber eine Anweisung vom Papst befahl, dass wenigstens einige von ihnen zu erscheinen hatten.
Wolf, der 1.82 Meter große Werwolfmischling, hatte die Geschehnisse der Vortage noch nicht ganz verdaut. Ihm machte es immer noch enorm zu schaffen, dass alle Werwölfe sich nur wie Monster verhielten und sie dafür verständlicherweise von allen gehasst wurden.
Der zahme Wolf wusste leider nicht, dass diese Wesen nur hier gewesen waren, um ein Mitglied ihre Familie zu befreien. Aber er selbst hatte eben auch schon zu viele negative Erfahrungen mit seiner eigenen Art gemacht.
Seine Artgenossen hassten ihn und wollten ihn nicht unter ihresgleichen haben, weil er halb Mensch war, aber auch die Menschen hassten ihn jeweils für seine andere Seite. Diese Missachtung ging sogar soweit, dass er sich selbst für ein Monster hielt.
Angel versuchte ihn zwar immer mit den Worten, „Egal wie man äußerlich aussieht, wenn man eine reine Seele wie du besitzt, ist man kein Monster, besonders wenn man Tränen vergießt, denn Monster weinen nicht.“, zu trösten, aber es half nur selten.
Was die Abwesenheit der anderen Vampire anging, so war Salomone nach Indien geschickt worden, um einen namhaften, vampirischen Diktator, der das Land schon seit einigen Jahren beherrschte und tyrannisierte, auszuschalten.
Sakuya wiederum war in seine alte Heimat aufgebrochen, um seinen eigentlichen Beruf als Spiritist und Exorzist nachzugehen. Seine derzeitige Aufgabe bestand darin, einen traditionellen Tempel von bösen Geistern zu befreien.
Die Übrigen hatten sich einfach nur weggeschlichen um sich in einer richtigen Vampirbar, die einige Kilometer vom Vatikanstaat, in einer größeren Stadt entfernt, war, noch ein bisschen zu amüsieren.
Aber zwei Vampire waren nun doch in der Menge aus Menschen auszumachen. Sie unterhielten sich über die hübschen und weniger hübschen Nonnen und Angestellten, die mit ihnen arbeiteten.
Angel, der als Stellvertreter erscheinen musste, hatte nämlich ausgerechnet den Miesepeter Mike dazu verdonnert, mit ihm dazubleiben. Er wollte unter den vielen Menschen nicht allein sein und da sein bester Freund erst in einigen Stunden wieder zurückkehren würde, musste nun mal Mike herhalten.
Während das alte Gesprächsthema abflaute, begann auch schon ein neues, in dem Mike fragte: „Was meinst du, liebt mich die Prinzessin oder spielt sie nur mit mir?“
Angel lachte süffisant: „Sag jetzt nicht, dass du dich ausgerechnet in DIE verliebt hast. Die hat doch einen echt schlimmen Charakter und als ich was mit ihr hatte, war ich froh als es vorbei war.“
Mike lief, etwas beleidigt und verlegen, rot wie eine Tomate an.
„Red doch keinen Quatsch, ich und mich in DIE verliebt? Niemals! Außerdem ist Liebe was für Idioten. Ich will nur nicht, dass sie so klammert wie bei dir damals.“
Angel seufzte. Er hatte seinen Freund längst durchschaut und wusste, dass er wirklich in sie verliebt war. Jedoch würde sie ihn niemals lieben, sie spielte nur mit ihm. Allerdings war es schon ewig her, dass er mit ihr zusammen gewesen war.
Und vielleicht geschehen doch noch Zeichen und Wunder, dachte er. So klar wollte er es allerdings seinem Freund auch nicht sagen.
„Wenn du das wissen willst, musst du sie schon selbst fragen. Es ist doch besser als hier Vermutungen anzustellen.“
Während sich nun beide über dieses ernste Thema anschwiegen, gesellte sich ein braunhaariges, junges Mädchen mit, kleinen Augen und einer mittelgroßen Nase zu ihnen, um die Situation etwas aufzulockern oder zu verschärfen.
Dieses Mädchen, was an die ein- oder zweiundzwanzig Jahre alt sein musste, versteckte ihre natürlichen Reize unter einer schwarzen Nonnenkluft. Allerdings konnten Beobachter sehen, dass sie eine sehr frauliche, vielleicht zu dünne Figur mit großen Brüsten hatte. Sie fragte die beiden jungen Männer: „Na Hallo, ihr Zwei, seid ihr auch angehende Würdenträger? Aber wartet mal... Wenn das so wäre, wo sind dann eure Uniformen oder die alltägliche Kluft?“
Mike, der jetzt seine Gelegenheit zum Verschwinden sah, tat so, als wäre er schon jetzt von der 1,75 Meter großen jungen Frau mit dem perfekten Gesicht und den angedeuteten Krähenfüßen genervt. Obwohl ihm das Gequatsche dieses Menschenmädchens mit den vollen Lippen schon etwas missfiel.
„Wir sind keine Diener Gottes, sondern seine Vollstrecker, merk dir das, du blöde Tussi. Ich weiß sowieso nicht, wie man so dumm sein kann, sich in deinem Alter auf ewig der Kirche zu verpflichten. So was find ich voll zum Kotzen.“
Die Frau, die sich in ihrer Ehre verletzt fühlte, wollte gegen diese Beleidigung etwas sagen, aber noch bevor sie ihren Mund zu einem Wort formen konnte, war Mike auch schon dabei zu verschwinden.
Während sie ihre Blicke auf den zurückgebliebenen Mann richtete, blickte Angel nur noch Mike hinterher, der ihm lediglich ein arrogantes Lächeln aus den Augenwinkeln zuwarf.
Der Junge, der seine Augen nun auf das Mädchen richtete, dachte bei sich: Mike, du Ratte, du wirst dafür bezahlen, dass du mich mit der Nervensäge allein gelassen hast!
Das Mädchen blähte beleidigt die Backen auf bemerkte aber binnen weniger Momente, dass sie jetzt mit dem attraktiven Jungen mit den schwarzen Haaren allein war.
„Ist der immer so dumm drauf. Ich hasse Männer, die so sind wie er. Der heißt bestimmt irgendwas mit M oder C. Kerle mit diesen Anfangsbuchstaben sind alle Idioten. Mein Ex-Freund zum Beispiel hieß Maik, der war ganz genauso. Schrecklich solche Männer.“
Angel erwiderte darauf erstmal nichts und lächelte nur skeptisch.
Die ist echt eigenartig. Sie beurteilt Menschen nach ihren Namen. Obwohl sie mit Mike eigentlich fast recht hat, irgendwie passt das zu ihm.
Er erwiderte lächelnd, nach einigen Momenten des Nachdenkens: „Was bist du denn für eine Nonne, so was habe ich noch nie erlebt. Du bist eine richtige kleine Zicke. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du dich entschieden hast, eine Nonne zu werden und wie bist du dann auf die Idee gekommen ausgerechnet in den Vatikan zu gehen?“
Das Mädchen grinste nun auch und spielte mit ihren grünen kugelförmigen Ohrringen.
„Naja, ich hatte eigentlich alles, was man sich nur wünschen konnte. Eine Arbeit, die mir großen Spaß machte und bei der ich auch gutes Geld verdiente. Eine gute Freundin, die immer für mich da war und der ich einfach alles erzählen konnte und einen Mann, der bereit war, alles für mich zu tun. Doch eines Tages änderte sich alles für mich, nur weil ich mich von irgendwelchen dummen Mädchen auf meiner Arbeit manipulieren ließ. Erst kehrte ich meiner besten Freundin und schließlich sogar meinem Geliebten den Rücken und danach ging alles den Bach hinunter. Ich dachte damals sie brauchen mich und die zwei kommen schon wieder zurück zu mir, aber da war ich so was von ignorant. Die Zwei sind ohne mich besser zurecht gekommen als mit mir. Anfangs hielt ich es ja noch für eine gute Idee, aber dann zeigten meine neuen Freunde ihr wahres Gesicht, erst dann erkannte ich meinen Fehler.“
Das Mädchen war kurz davor zu weinen, weil sie ihr Leben so gegen die Wand gefahren hatte, sprach aber mit zitternder Stimme weiter.
„Das ist ja so blöd. Wieso erkennt man seine Fehler immer erst dann, wenn es zu spät ist. Ich habe versucht, alles zu reparieren, aber mein Liebster ließ mich abblitzen. Nachdem ich mich vor ihm so gedemütigt hatte, wollte ich nicht auch noch zu meiner Freundin gehen, aus Stolz und auch aus Angst, sie könnte mich auch nur verhöhnen. Außerdem wollte ich nicht, dass sie mich auch hasst, ganz ehrlich da war mir die Ungewissheit schon lieber. Alles war zerstört und nachdem schließlich meine geliebte Mutter an einem plötzlichen und unerwarteten Herzinfarkt starb, war ich völlig auf mich gestellt und ganz allein auf der Welt. Geschwister hatte ich keine und meinen ganzen Freunden hatte ich, dank meiner schlechten Freunde, den Rücken zugekehrt. Ich hatte letztendlich also nur noch meine Arbeit, wo die Personen waren, die mir mein ganzes Leben ruiniert hatten. Außerdem war ich völlig von Marijuana abhängig geworden, ich hatte aus Angst und Stress damit angefangen, hatte aber nicht mehr die Kraft, allein davon loszukommen. Also entschloss ich mich, meinen Job sausen zu lassen und ein ganz neues und anderes Leben anzufangen. So begab es sich, dass ich von meiner Heimat, dem fernen Finnland, hier in Italien gelandet bin. Von dort aus war es dann eine eher fixe Idee, in die Kirche zu gehen um Nonne zu werden.“
Plötzlich schwieg sie und auch Angel erwiderte nichts, sondern dachte sich nur: Was die für Sorgen hat. Okay, es ist schon traurig, dass ihre Mutter tot ist und dass sie abhängig von Gras ist, aber der Rest ist doch nur Firlefanz. Die müsste mal unsere Probleme haben.
Es ist zwar schön, dass sie endlich den Mund hält, aber irgendwie ist sie so traurig, ich würde sie ja trösten, aber ich weiß nicht wie. Sie glaubt, dass sie alles verloren hat. Vielleicht stimmt das sogar. Eins muss man ihr aber zu gute halten: Sie hatte zwar Fehler gemacht, war aber mutig genug um sie sich einzugestehen. Allerdings leider zu stolz um sie zu bereinigen.
In diesem Saal voller Feiernder, auf dem der Papst mit einem Glas alkoholfreien Sekt mit einem seiner Berater anstieß, war die Stimmung ausgelassen. Die einzig dafür bestellten Musiker spielten einen fröhlichen Song der zum tanzen animieren sollte.
Auch wenn die Anderen die Musik genossen, war die Stille, die nun zwischen dem Mädchen und dem Vampir herrschte, so erdrückend, dass schließlich sie das von ihr hervorgerufene Schweigen selbst wieder brach.
„Wie heißt du eigentlich. Also ich bin Nicoletta und komme, wie ich schon gesagt habe, aus Finnland.“
Angel, der jetzt eigentlich Trauer und Tränen ihrerseits erwartete, antwortete schon leicht gelangweilt: „Ich bin Angel und komme aus Tokio. Ich schätze, wenn du jetzt hier bleibst, werden wir wohl Kollegen werden.“
Sie lächelte: „Das ist echt cool, du scheinst wirklich mal ein Kerl zu sein, der in Ordnung ist. Also ich gehe jetzt bald auf die Schwesternschule und mein Aufgabebereich nebenher ist noch das Waschen der Wäsche und Küchendienst und für was bist du eingeteilt, oder bist du wirklich ein Vollstrecker wie der Typ gesagt hat?“
Angel lächelte zurück: Sie will tatsächlich mit mir flirten, sie weiß noch nicht mal annähernd auf was sie sich bei mir einlässt.
„Ich bin Mitglied der Spezialeinheit und nebenbei bin ich noch beratend tätig.“
Nicoletta erschrak und ihre Nackenhaare sträubten sich.
„Ich habe schon von den anderen Nonnen gehört, dass es hier im Vatikan eine Spezialeinheit mit Vampiren und andere Monster gibt. Sag mir, du bist doch schon länger hier und du bist bestimmt auch in so einiges eingeweiht, ob es sie wirklich gibt? Die Vampire meine ich.“
Angel grinste und schüttelte mit dem Kopf.
„Ein paar Stunden erst hier und die Kleine will gleich alles wissen. Ja es stimmt, es gibt hier Vampire und andere Monster, wie du sie nennst, und ich bin einer davon.“
Das Mädchen staunte: „Du bist ein waschechter Vampir, aber du bist noch so verdammt jung.“
Der Junge wurde jetzt langsam flapsig.
„Was hat das Ganze denn damit zu tun wie alt ich aussehe. Wir sind ohnehin alle unsterblich, da spielt das Alter doch keine Rolle. Außerdem bin ich schon über hundert Jahre alt, also nicht mehr so jung.“
Das junge Mädchen, hörte gar nicht mehr richtig zu, denn seit dem Moment als Angel sich als das geoutet hatte was er war, musste sie unaufhörlich, an ihren größten Wunsch denken. Diesen teilte sie der begehrten Person auch gleich mit.
„Ich träumte schon lange davon, wie es wäre unsterblich zu sein und ewig zu leben, doch bis jetzt hielt ich das nur für den unerfüllbaren Traum eines kleinen Kindes. Doch er könnte noch heute wahr werden, wenn du ein hundertjähriger Vampir bist, ist es für dich doch kein Problem, Andere zu erschaffen, die so sind wie du. Erfülle mir meinen Wunsch und mach mich zu einer deinesgleichen.“
Sie kniete sich vorsichtig vor ihm hin, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen und begann zu flehen. „Bitte, bitte ich tue alles was du von mir verlangst. Verwandle mich!!“
Währenddessen hefteten sich nun alle Blicke der Anwesenden auf das eigenartige Schauspiel.
Der Vampir, dem das Geschehen anwiderte, sah sie jetzt nur noch mit einen abfälligen Blick von oben herab an und wurde wütend.
„Steh wieder auf und lass den Mist. Ich würde niemals jemanden verwandeln. Wieso sollte ich denn dann ausgerechnet dich verwandeln und wieso um Himmelswillen, willst du überhaupt ein Vampir werden? Gerade heulst du hier noch rum, dass dein Leben ein einziges Desaster ist und jetzt willst du, dass dieses auch noch ewig andauert!“
Sie kniete immer noch vor dem jungen Mann, ohne sich darum zu scheren, dass sie von allen unverhohlen angestarrt wurde.
„Du musst das auch nicht verstehen. Ja, ich hasse mein Leben, besonders weil ich mich so einsam und missverstanden fühle, aber ganz ehrlich. Ich habe mehr Angst vor dem mich zu erwartetenden Tod als vor der Einsamkeit. Glaube mir, ich würde alles tun um zu bekommen, was du hast.“
Der Junge setzte nun ein teuflisches Lächeln auf und kniete sich vor ihr auf den weißen Marmorboden. Er nahm ihr Kinn in seine linke behandschuhte Hand und zwang sie, in seine strahlenden blauen Augen zu blicken.
„Wenn du ein Monster werden willst, dann geh in irgendeine größere Stadt. Suche dann einen Club, der nach einem übernatürliches Wesen benannt wurde. An so einem Ort findest du andere Vampire, die dir das geben, was du hier von niemanden erhalten wirst. Dort hast du bestimmt auch das Glück, dass jemand auf dein Angebot eingeht. Du hast jetzt sowieso wieder genug Zeit, weil ich dich nämlich ganz eigenmächtig rauswerfe. So etwas wie dich, der nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist, hat im Dienst der Kirche nichts zu suchen.“
Sie stand auf und zog sich die Nonnenhaube vom Kopf: „Wenn ich dort unsterblich werden kann, ist es mir egal, ob ich hier arbeite oder nicht. Sobald ich einer von euch bin, kann ich doch ohnehin alles tun wonach mir ist. Zeit habe ich dann auch genug. Der Tod wird mich niemals ereilen und ich werde ewig jung sein.“
Angel erwiderte nichts mehr darauf, er schüttelte nur noch angewidert den Kopf und lief wortlos an ihr vorbei. Allerdings konnte er sich schließlich einen bestimmten Kommentar doch nicht verkneifen. „Du bist einfach nur erbärmlich.“
Der Vampir verließ nun endgültig die Feier, wo er nun nachdem Mike verschwunden war, der einzige Vampir war.
Der junge Mann ging einen fast endlosen Gang, der mit rotem Samtteppich bespannt war, entlang um auf sein Zimmer zu gelangen.
Dort angekommen entledigte er sich seines schwarzen Anzuges und des weißen Hemdes, welches er bis eben noch getragen hatte, um sich eine bequeme Jeans und ein weißes Shirt und eine graue Stoffweste anzuziehen.
Nachdem das erledigt war, begab er sich auf seinen Balkon und zog eine Zigarette aus der Schachtel, die er in der linken Tasche seiner Jeanshose trug, und steckte sie sich in den Mund.
Er knöpfte die Stoffweste zu und zog aus der selben Tasche der Jeans ein silbernes Sturmfeuerzeug mit dem eingravierten Wappen seiner Familien, einem dreiköpfigen Hund, welcher dem Höllenhund ähnelte, ließ es aufschnappen und zündete seine Zigarette an.
Während er sie in der linken Hand, zwischen Mittel- und Zeigefinger ruhen ließ, begann er zu lachen wie ein Geisteskranker.
„Ich würde alles darum geben, wieder ein Mensch zu sein und die, die will ein Vampir werden. Ich wollte niemals so werden, wie ich jetzt bin. Das ich jetzt ein Monster bin, ist nur die Schuld von Salomone. Ich hasse ihn dafür, was er mir angetan hat, irgendwann wird er dafür bezahlen, was er mir angetan hat, das schwöre ich.“
Er sah sich den dunkel geworden Nachthimmel und die darin hängenden leuchtenden Sterne an.
„Wenn ich nur an den Tag zurückdenke, an dem ich das geworden bin, was ich bin. Ich wollte nur in einem Club etwas trinken und vielleicht mit einem hübschen Mädchen etwas Spaß haben. Das hatte ich dann auch, aber dann entschied ich mich dummerweise in meinem angetrunkenen Zustand dafür, in einem vermeintlichen Hotel zu übernachten, weil ich mich für nicht mehr fähig hielt allein nach Hause zu kommen.“
Eine Träne lief langsam über seine Wangen und er musste mit weiteren kämpfen.
„Als Mensch ging ich hinein, um Tage später unter enormen Schmerzen und als Monster dieses Haus wieder zu verlassen. Meine geliebte Familie habe ich erst Jahre später wiedergesehen. Doch dieser Anblick hat mir fast das Herz gebrochen. Aber seitdem ich nur noch mit Vampiren zu tun habe, kommt mir manchmal der Gedanke, dass ich ihn zwar dafür hasse, was er mit mir gemacht hat, aber auch, dass ich nie wieder das elende Schicksal der Sterblichkeit erleben will.“
Nachdem Angel einige Male tief durchgeatmet hatte, hatte er sich wieder so weit beruhigt um endlich einen Zug von seiner halb abgebrannten Zigarette zu nehmen. Nur um sie dann wieder zwischen Mittel und Zeigefinger der linken Hand ruhen zu lassen.
Nachdem er nicht noch einmal seine Gedanken laut äußern wollte, dachte er jetzt in sich hinein an das Mädchen.
Sie ist den weiten Weg aus Finnland hierhergekommen, um nach noch nicht mal einen einzigen Tag alles wieder hinzuwerfen.
Mit großen Worten sagte sie mir, dass sie einen Neuanfang im Vatikan wollte. Anscheinend wollte sie zwar wirklich einen Neuanfang, ihr war aber egal auf welche Art und Weise das passierte.
Mist, eigentlich hätte ich ihr nichts von den Vampirclubs erzählen dürfen, wenn die anderen Vampire das wüssten, wäre das mein Ende.
Es ist uns nämlich verboten, uns vor den Menschen zu offenbaren, oder gar andere Vampire oder deren Verstecke auszuplaudern. Aber dieses Mädchen, sie hatte mich mit ihren Gerede so wütend gemacht, dass ich es einfach ausspuckte ohne groß nachzudenken.
Sie spielte außerdem mit dem Tod indem sie mich auf Knien anbettelte, sie zu verwandeln und somit unsterblich zu machen.
Ich kenne solche Menschen zur genüge. Diejenigen, die uns nicht hassen oder verachten, wollen so sein wie wir und würden auch alles dafür tun, damit ihr Leben ewig währt.
Egal, das Mädchen war Geschichte. Sie würde unweigerlich, nachdem sie erfahren hätte, dass es uns wirklich gibt, ihren Tod entgegengehen. Wenn ich bedenke, dass sie noch nicht mal offiziell aufgenommen worden war, und somit gehörte sie also auch gar nicht wirklich zum Vatikan.
Nicoletta war zwar noch nicht tot und doch war es für ihn an der Zeit, diese flüchtige Begegnung zu vergessen.
Er drückte nun den aufgerauchten Stummel der Zigarette auf dem Geländer des Balkons aus, aber nur um sich gleich wieder eine neue anzuzünden.
Angel beschäftige aber immer noch eine bestimmte Frage: „Wieso habe ich mich nur so einfach als das, was ich bin, vor ihr enttarnt?“
Vielleicht war es ja Neugierde, weil er wissen wollte wie sie reagieren würde, oder er wollte sie nur testen, schließlich musste es einen Grund dafür geben, dass ihr alle den Rücken kehrten. Doch war der Grund nun erstmal egal, er musste das alles vergessen, es ging ihn nichts mehr an.
Man hatte ihn in der laufenden Woche für keinen Auftrag eingeteilt und diese freie Zeit musste er nutzen um sich mal richtig auszuruhen.
Schließlich war er auch gerade erst vor ein paar Tage von seinem Auftrag in Berlin zurückgekehrt, wo er die Welt von einem ihrer größten Monster befreit hatte.
Auch wenn er seine Arbeit gerne tat, gab es doch auch diese Zweifel in seinem Inneren und das Missfallen darüber, dass die Vampire in dieser kleinen Festung richtig ausgenutzt wurden. Seine Artgenossen waren zwar die Einzigen, die im Vatikan über alles Bescheid wussten und hatten demzufolge eine hohe Verantwortung zu tragen, aber zu welchem Preis, sie waren gezwungen ewig im Vatikan ihrer Arbeit nachzugehen.
Sie waren alle Mitglieder der Spezialeinheit „refugium angelorum“, sie ist aber auch schlechthin als die Rote Garde oder als die Monsterjägergarde bekannt. Doch trug diese Einheit noch einen weiten Namen, sie war die Blutgarde, welche allein dem Papst unterstellt war, aber auch selbst- und eigenständig agierten konnten.
Ihre Hauptaufgaben bestanden hauptsächlich darin, übernatürliche Wesen, welche sich mit ihren Missetaten in die Öffentlichkeit drängen, zu jagen, aufzuspüren und zu töten.
Die restlichen menschlichen Soldaten des Vatikan teilten sich weiter in verschiedene Einheiten ein, doch jede war der ranghöchsten Roten Garde untergeordnet.
Die Rote Garde war also die Einheit die am höchsten stand, während die Schweizer Garde diejenige war, die den niedrigsten Rang hatte.
Sie war die Einzige, die nicht nach Farben benannt worden war. Ihre Angehörigen hatten nur die eine Aufgabe und zwar den Papst unter Einsatz ihres eigenes Lebens zu beschützen.
Über ihr wiederum stand die Braune Garde, sie war für den Schutz aller Bewohner des Vatikan zuständig.
Danach folgte die Weiße Garde, sie war eine Armee, die außerhalb des Vatikan agierte, ihre Aufgabenbereiche waren es in Katastrophen- oder Kriegsgebieten im Namen Gottes beim Wiederaufbau zu helfen. Ein weiterer ihrer Bereiche war es, im Kriegsfall oder Ausnahmezustand die italienischen Streitkräfte, auch bezeichnet als Forze Armate Italiane, zu unterstützen.
Zu guter Letzt gab es noch die Schwarze Garde, sie waren eine speziell ausgebildete Einheit die die Blutgarde unterstützte. Diese Spezialeinheit, konnte auch mit entsprechenden Befehlen allein, also ohne die Vampire, agieren.
Nachdem Angel sich die Hierarchie des Vatikan noch einmal vor Augen geführt hatte, kehrte er in die Wirklichkeit zurück, doch hatte diese Ablenkung nichts genutzt, er musste immer wieder an alles Denken, was heute passiert war. Er versuchte die Tränen nicht wiederaufkommen zu lassen, aber es war zwecklos.
„So ein Mist! Wieso machen mich Worte mehr fertig als körperlicher Schmerz.“
Tom, der sich eigentlich mit den anderen in die Stadt geschlichen hatte, um dort seinen Spaß ohne die Spielverderbern vom Vatikan zu haben, hörte in der Dunkelheit nur ein leises Wimmern.
Er fragte sich, ob er es sich in seinem etwas angetrunkenen Zustand nur eingebildet hatte, doch dann vernahm er es erneut. Diesmal machte er sich so seine Gedanken, wer wohl so mies drauf war, dass er allein vor sich hinweinte.
Nachdem er den Ursprung des Geräusches gefunden hatte, machte er sich auf den Weg dorthin. Er sprang ohne Anstrengungen auf den Balkon des trauernden Vampirs.
Angel bemerkte ihn und wandte sich von ihm ab. Er versuchte mit einem Lachen seine Tränen zu verbergen. „Na, hattest du keine Lust mehr dich zu amüsieren. Ich nehme euch das übrigens krumm, dass ihr mich heute im Stich gelassen habt.“
Tomoyuki wollte seinen Freund nicht bloßstellen und tat unwissend.
„Aber du warst doch nicht allein, Mike war doch bei dir.“
Angel, der plötzlich nicht mehr wusste, wieso er überhaupt geweint hatte, antwortete gefasster als zuvor: „Der ist dann auch, allerdings erst später am Abend, verschwunden.“
Tom wollte aber nun doch wissen was in dem anderen Vampir vorging.
„Was ist passiert, du siehst echt fertig aus. Hat jemand etwas Hässliches zu dir gesagt, oder hat dir jemand wehgetan?“
Der Junge schüttelte den Kopf, ihm war das Thema sichtlich unangenehm, er wollte eigentlich nicht antworten, aber er wusste, dass das nichts helfen würde, Tom würde doch nicht locker lassen.
„Wieso interessiert dich das, du bist zwar schon seit 80 Jahren bei uns, aber grundlegend müsstest du mich doch abgrundtief hassen. Ich habe versucht dich zu töten und habe darüber hinaus noch dein gesamtes Leben zerstört.“
Tom stützte sich mit den Armen auf die Brüstung des Balkons und blickte nachdenklich in den Himmel.
„Du hast vielleicht versucht mich umzubringen, aber wie ich damals drauf war, habe ich das förmlich provoziert. Vielleicht hatte ich den Tod sogar verdient und das du mein Leben zerstört hast, stimmt auch nicht. Ich war damals allein und völlig verstört.“
Tomoyuki lächelte seinen Freund sanft an.
„Ich bereue nichts von dem, was passiert ist. Mich mit euch anzufreunden war das Beste, was mir passieren konnte.“
Angel drehte sich verwundert, aber immer noch mit Tränen in den Augen, zu ihm um.
„Ich verstehe das nicht, ich, ich habe dir in Nagasaki soviel Leid angetan und du bist mir praktisch noch dankbar dafür?“
Tom trat zu ihm und streichelte ihm zaghaft über den Kopf.
„Manchmal merkt man wirklich, dass du noch ein Kind bist. Du hast Schuldgefühle für etwas was nicht sein muss.“
Angel schrak zurück als er die fremde Hand auf seinem Kopf spürte. „Lass das und geh in dein Zimmer, ich will allein sein.“
Der weißhaarige Vampir, der sich seine langen Haare zu einem geflochtenen Zopf gebunden hatte, machte nicht die Anstalten, auf ihn zu hören und zu gehen.
„Ich erinnere mich gerne an die Zeit von vor über 80 Jahren zurück. Damals bist du wegen eines übernatürlichen Killers in die Stadt Nagasaki gekommen. Ich zog bis dato von einem Ende Japans zum anderen, immer auf der Suche nach etwas, was ich selbst nicht kannte, glaube ich, aber dann stand so ein kleiner Vampir mit eisblauen Augen vor mir. Obwohl er sehr viel jünger war als ich, schaffte er es locker, mich nach einem kleinen Handgemenge zu Boden zu schicken. Er zog dann sein Schwert und versuchte mir den Kopf abzuschlagen. Er hatte meinen Hals mit seiner langen schwarzen Klinge schon angekratzt, hielt dann aber inne, weil er merkte, dass ich nicht der Mörder war, nach dem er suchte. Er ließ mich einfach, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zurück.“
Der Junge mit der Tätowierung auf der Wange und den goldenen Augen, sah Angel weiter an.
„Ich habe mich nie für die Gemeinheiten, die ich dir damals an den Kopf geworfen habe, entschuldigt. Ich habe die Menschen gehasst und hasse sie vielleicht auch heute noch. Ich war zwar früher nicht der Killer, den du gesucht hast, aber ich bin auch kein Kirchenknabe gewesen. Nachdem mich einer von Kaiser Akihitos Getreuen verwandelte und mich dann nach nur einem Tag völlig auf mich gestellt zurückließ, weil es ihm nicht gelang mich so zu manipulieren wie er wollte, war ich völlig überfordert mit dem was jetzt aus mir geworden war. Niemand sagte mir, wie ich überleben soll und was mit mir passiert war. Ich war wie ein Kind, verängstigt und allein. Erst versuchte ich mir selbst Schaden zu zufügen und habe mir diese Tätowierung in mein Gesicht einritzen lassen. Komischerweise ist diese Wunde, dann aber nicht mehr verschwunden, aber bei dir ist es genauso, deine Tätowierungen verheilen auch nicht mehr. Normalerweise verheilen ja all unsere Verletzungen. Nachdem diese Verstümmlung mir schließlich keine Erleichterung verschaffte, richtete sich mein ganzer Hass nur noch gegen die Menschen. Ich tötete bestimmt hunderte von ihnen und dafür wiederum hassten und jagten sie mich.“
Angel hatte sich vollständig beruhigt, dass was ihm sein Freund erzählte, war wichtiger als diese fremde Frau. Nach so vielen Jahren sprach er endlich einmal über seine Gefühle.
„Davon hast du mir noch nie erzählst. Du bist genauso selbstzerstörerisch wie ich. Nein, sogar noch mehr als ich, aber was ich mich bis heute frage ist der Aspekt, warum du dann mit mir gekommen bist.“
Tom hatte sich mittlerweile auf dem Boden des Balkons niedergelassenen.
„Ich bin mit dir gekommen, weil du der Erste und der Einzige warst, der mich in meine Schranken verwiesen hat. Du kamst nachdem du den wahren Killer erledigt hattest, noch einmal zu mir zurück. Du hast dann versucht, mich zu überreden mit dir zu gehen, aber ich war einfach zu sehr von meinen Überzeugungen geblendet. Ich griff dich an und versuchte dich mit meiner Peitsche, welche ich mir extra für diese Revanche besorgt hatte, zu töten. Es gelang mir sogar, dich einige Male zu treffen. Mit der Eisenspitze brachte ich dir tiefe Wunden in deinem schönen Gesicht bei. Aber dir gelang es trotzdem mich zu überwältigen. Du hast mir dann meine schönen langen Haare mit deinem Samuraischwert, welches du von deinem Meister hast, abgeschlagen. Davon war ich so beeindruckt, dass ich dir endlich zugehört habe. Ich war verdammt beeindruckt von dir. Also ich glaube, dass ich dir dann überallhin gefolgt wäre, selbst wenn es bis in die Hölle selbst gewesen wäre.“
Angel war beeindruckt, aber der Gedanke gefiel ihm irgendwie nicht und er lief an seinem Freund vorbei.
„Sage nicht so etwas, du Idiot und bezeichne diesen Mann von dem ich das Schwert habe, nie wieder als meinen Meister. Auch wenn ich dich genauso gerne habe wie du mich, muss ich dich jetzt doch bitten zu gehen.“
Tomoyuki zögerte: „Ja ich gehe, aber versprich mir, dass du dich nicht mehr so gehen lässt.“
Sein Gegenüber nickte etwas zögerlich und Tom sprang den Balkon wieder hinunter.
Angel sah ihm noch einmal kurz nach, bevor er in das Innere seines Zimmers zurückging: „Kann der nicht mal jetzt die Tür nehmen. Oh Mann! So gerne ich ihn auch habe, manchmal werde ich nicht schlau aus ihm.“