Читать книгу Leben mit narzisstischen Eltern - Andrea Pirringer - Страница 5
Narzissmus
ОглавлениеDer Narzissmus in der Gesellschaft
Was ist Narzissmus? Narzissmus ist der Versuch, erlittene Kränkungen, Enttäuschungen und Entbehrungen auszugleichen, um sie besser ertragen zu können. – Dahinter steckt also in Wahrheit die Unfähigkeit, die Probleme zu benennen, sich ihnen zu stellen und sie zu bewältigen.
Der Narzissmus ist in der Gesellschaft weiter verbreitet, als man glaubt. Narzissten finden sich in allen gesellschaftlichen Schichten. Sie können Familienväter (oder –mütter), Arbeiter, Angestellte, Unternehmer, Politiker oder Manager sein.
Insbesondere in Deutschland und Österreich könnte man in diesem Zusammenhang – und vor dem Hintergrund des traumatisierenden Weltkriegs-Geschehens - von einer „gekränkten Gesellschaft“ sprechen.
Häuslicher (familiärer) Narzissmus
Narzissten treten oft in „Paaren“ oder in „Rudeln“ auf: auf wundersamen Wegen „finden“ sich Menschen, die eine ähnliche Vorgeschichte, ähnliche Lebenserfahrungen aufweisen.
So werden aus Schicksalsgenossen Lebens- bzw. Ehepartner. Gemeinsam meint man, die Probleme leichter bewältigen zu können. Leider ist es jedoch häufig so, dass sich die psychischen Belastungen noch weiter verstärken. - Ein Blinder kann keinen Blinden führen. Sie werden beide in die Grube fallen.
Sogar ganze Familienverbände können vom Narzissmus betroffen sein. Aus gemeinsamen Erfahrungen entwickeln sich gemeinsame Verhaltensmuster und Bewältigungs- (meist jedoch Verdrängungs-)Strategien. Es häufen sich bestimmte psychische und psychosomatische Erkrankungen, aber auch Erkrankungen, die auf den ersten Blick nicht damit in Verbindung gebracht werden.
Die moderne Gesellschaft wird zunehmend narzisstischer, daher wird der Narzissmus – bis zu einer gewissen Ausprägung – als normal, ja sogar als hilfreich betrachtet (insbesondere, wenn es um die persönliche Weiterentwicklung und die Karriere geht).
Über den problematischen häuslichen Narzissmus, mit dem sich dieses Buch befasst, wird dagegen wenig bis gar nicht gesprochen. Er wird weitgehend tabuisiert. Es ist die unschöne Seite, die sich im Privaten, in den Familien abspielt.
Man kann davon ausgehen, dass es tausende Fälle, tausende Betroffene, und somit auch viel unausgesprochenes Leid gibt. Nur selten kommen diese ans Licht, und nur wenige werden einer breiteren Öffentlichkeit – wie z. B. der Fall Fritzl in der jüngeren Vergangenheit – bekannt.
Narzissmus als Überlebens-Notwendigkeit
Neben dem krankhaften Narzissmus gibt es auch einen natürlichen, gesunden Narzissmus. Das narzisstische Verhalten des Kleinkindes ist ein Aspekt des Überlebens-Triebes. Das Kind kämpft um Aufmerksamkeit, fordert Liebe und Zuwendung von den Eltern. Diese Form des Narzissmus ist nicht egoistisch oder „böse“, sondern ganz normal.
Leider sehen viele NE dies nicht so. Sie deuten es als Bösartigkeit, Hinterhältigkeit, Verschlagenheit, Unaufrichtigkeit des Kindes. Sie fühlen sich angegriffen und reagieren entsprechend negativ und ablehnend. (→ Weitere Gedanken dazu im Kapitel: „Das „böse“ Kind“)