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IV.

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Es war ein Mörder in ihrem Haus, der schnitt Herzen aus den Leibern der Menschen, die darin wohnten, und warf sie ihr zu Füßen. Gisela fürchtete sich sehr, fürchtete um ihr Leben, fürchtete um ihr Sterben, fürchtete sich panisch, und ihr war unheimlich bange ums Herz. Sie lief durch das ganze Haus und kam in ein Zimmer, in dem alles üppig und extravagant in Samt und in Seide gehalten war. Gelb, orange und rosenrot donnerten ihr die Farben aus jeder Ecke und aus allen Richtungen entgegen, als wollten sie ihr spotten. Da waren Spitzengardinen am Fenster und Leuchter an der Zimmerdecke, alles war mit Goldstaub bedeckt. Und mit Perlen, überall waren Perlen, perlmuttern schillernde Perlen, lose lagen sie herum oder hingen, zu einer Kette geknüpft, an den Wänden und über den Lichtern im ganzen Zimmer. Und der Mörder saß zwischen all dem Gold und Glitter in einem großen Sofawiegestuhl, neben ihm ein wunderschöner und mit bunten Perlen bestückter Leuchter, der sein Licht über den Boden fließen ließ wie ein Wassersturz. In dessen Licht erblühten auf blaugrauem Untergrund weiße Wasserblumen, und karminrote indische Elefanten waren zu sehen, die über diese Wasserblumen wie über Wolken in einen Himmel hineinliefen. Daneben wiegte sich der Mörder im großen Sofawiegestuhl, wiegte sich hin und wiegte sich her. Gisela ging auf ihn zu, denn sie kannte ihn, wusste aber nicht, wer er war, er zog sie einfach magisch an, und der Duft an ihm roch hier in diesem Raum besonders gut. Er roch nach Rosenwasser.

Im Hintergrund spielte verhaltene Walzermusik. Der Mörder stand auf und nahm sie in die Arme, um mit ihr, butterblumengleich, zu tanzen. In seinen Armen fühlte sich Gisela plötzlich wieder jung und schön und ohne Sorgen, wie er sie so durch das Zimmer führte, zwischen all dem Samt und all der Seide hindurchführte, wie er sie entführte. Da blickte sie auf und sah ihm ins Gesicht, sah ihm ins Gesicht hinein, mitten ins Gesicht hinein, mittenhinein, und sie erschrak fürchterlich, als sie erkannte, wer er war.

Er war Nurit, ihr Kindchen, ihr Sommersonnenkind, das sie am Tag der Sommersonnenwende in ihrem schmucken kleinen Wochenendhaus am Land zur Mittagszeit unter größten Schmerzen und mit verhaltenen Schreien zur Welt gebracht hatte. Der Mörder in ihrem Haus, der Herzen aus den Leibern der Menschen schnitt und ihr zu Füßen legte, war Nurit. Die Erkenntnis traf Gisela wie ein Schlag, und mit einem lautstarken Schrei erwachte sie aus dem schrecklichen Traum.

Der Albdruck wirkte noch lange nach.

Narziss und Narzisse

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