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Der schicksalhafte Fund

Die wenigen Schritte hinüber zu seinem Hof kamen ihm endlos vor. Die frische Luft schien den Alkoholpegel in seinem Blut noch anzusteigen zu lassen. Er achtete auf jeden Schritt, damit er nicht Bekanntschaft mit dem Straßenbelag machte. Wenn Arnold in der geselligen Stimmung eines gelernt hatte, war es sicher die Erkenntnis, dass man in einer Weingegend seinen Durst im Zaum halten musste und sich nicht voll dem Genuss hingeben durfte. Nun denn, dachte Arnold und ging vorsichtig über die Straße zu seinem Hof. Im Hintergrund hörte er Willi ein fröhliches Liedchen trällern. Arnold grinste und freute sich, dass der Wein nicht nur bei ihm seine Spuren hinterlassen hatte. Wobei Willi jeden Ton des Liedes zu treffen schien und er selbst Schwierigkeiten beim Vorankommen hatte.

Endlich angekommen, steuerte Arnold in Richtung Weinkeller. Vorsichtig stellte er die Flasche ab und zog hochmotiviert an der schweren Eichentür. Mit lautem Knarren öffnete sich die schwere Tür und der modrige Geruch seines eigenen Weinkellers erfüllte seine Nase. Arnold schaltete das diffuse Licht an. Von unten hörte er es rascheln. Wahrscheinlich waren die Mäuse und Ratten in ihrer Nachtruhe gestört worden und machten sich auf, um ein Versteck zu suchen. Andere ließen sich wohl bei ihrer Mitternachtsmahlzeit nicht stören und verspeisten alles, was sich im Keller in den Ecken fand. Ein Mensch bei nüchternem Verstand würde sich jetzt sicherlich angesichts eines dunklen Kellers und der Geräusche gruseln. Arnold aber war zu betrunken, um sich zu fürchten.

Als er die nächste Tür geöffnet und das Licht angeknipst hatte, holte Arnold die Flasche, die er, wie von Willi angeregt, als ersten Wein in seinem Keller deponieren sollte. Leicht taumelnd machte er sich an den Abstieg, fing sich aber sofort wieder. Er griff die Flasche am Hals, hielt sie einen Moment dicht vor sein Gesicht und versuchte, das Etikett zu entziffern. Er war allein und es wäre doch ein schönes Ritual, jetzt einen Korkenzieher zu holen und das feine Tröpfchen direkt zu öffnen, anstatt es für Jahre in die Verbannung eines dunklen Weinkellers zu schicken. Arnold schüttelte den Kopf und wandte sich von dem Gedanken ab.

»Nein, nein, nein«, nuschelte er, »der Willi hat mir den Wein für den Keller geschenkt und da kommt er jetzt runter.«

Er bemerkte selbst, dass er lallte, und grinste amüsiert.

Arnold stapfte die Treppe hinunter. In der linken Hand hielt er die Weinflasche vor seiner Brust, damit ihr in dem engen Treppengang kein Schaden widerfuhr. Mit der anderen Hand fuhr er am Handlauf des Gangs hinunter und versuchte das Gleichgewicht zu halten. Unten angekommen, überlegte er, welcher Platz wohl der beste für sein Präsent war.

»Mmmmhhh, woll´n doch mal sehen, wo wir hier ein gemütliches Plätzchen für dich finden.«

Arnold wankte durch den schmalen Kellergang. Der Boden war mit alten, hölzernen Weinkisten vollgestellt und er schob sie mit dem Fuß beiseite. Er ging immer tiefer in den verzweigten Weinkeller hinein. Der Geruch von den vergammelten Holzfässern wurde immer intensiver, je tiefer er in den Felsenkeller vordrang. Am Ende eines kleinen Nebenganges stand neben einem großen Eichenfass ein Weinregal mit ein paar wenigen leeren Flaschen. Arnold stellte seinen Wein vor dem Fass ab und wollte sie ausräumen, um Platz für sein Geschenk zu machen. Behutsam nahm er eine nach der anderen heraus und stellte sie auf dem Boden ab, als plötzlich die Lampen zu flackern begannen. Ein Surren ertönte, das von der Elektrik zu kommen schien. Mit einem Mal wurde es dunkel. Trotz des ordentlichen Alkoholpegels beschlich Arnold ein unangenehmes Gefühl. Die Dunkelheit verstärkte jedes schaurige Geräusch im Keller. Das Knarren des modrigen Holzes der Fässer wurde immer lauter und Arnold nervöser. Schlagartig wurden seine Sinne wieder klar. Arnold versuchte, einen festen Punkt zu ertasten, und seine Hände fanden das schwere Eichenfass. Sogar für einen gestandenen Norddeutschen wie ihn war diese Situation mehr als beängstigend. Er versuchte, sich langsam vorzutasten und sein Fuß erfasste die am Boden stehende Flasche. Durch diesen zusätzlichen Schreck kam Arnold aus dem Gleichgewicht, er fiel nach vorn und krallte sich dabei an das Fass. Dessen morsches Holz gab nach und die Stützen des Fasses brachen ein. So kam es in Bewegung und rollte zur Seite. Arnold versuchte, seine Gliedmaßen in Sicherheit zu bringen, und drehte sich in die entgegengesetzte Richtung. Es polterte und rumpelte in der Dunkelheit. Schützend hielt Arnold Arme und Hände über den Kopf, bis kein Laut mehr zu hören war. Als es wieder still war, surrte kurz die Elektrik und das Licht ging wieder an. Arnold ließ langsam die Hände wieder sinken und blickte erleichtert hoch. Das Fass war gute zwei Meter zu Seite gerollt. Er schaute nach Willis Weinflasche, die offensichtlich alles heil überstanden hatte. Arnold kroch auf sie zu, fasste sie und kontrollierte, ob sie nicht doch Schaden genommen hatte. Alles schien in bester Ordnung, was ihm ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Er erhob sich und wollte gerade die Flasche auf den auserkorenen Platz legen, da fiel ihm ein Loch auf, das hinter dem schweren Eichenfass zutage gekommen war. Er legte die Flasche ins Regal und trat auf das Loch zu, das einen knappen Meter über dem Boden in die Felswand geschlagen war. Arnold versuchte, etwas zu erkennen. Spinnweben zogen sich über die Öffnung. Sie waren ganz und gar von Staub bedeckt. Diese Öffnung hatte wohl Jahrzehnte lang kein Licht mehr gesehen. Mit der Hand strich er vorsichtig die Spinnweben beiseite und tastete vorsichtig in die Öffnung. Er spürte etwas Glattes, Schweres, womöglich Metallähnliches. Seine Fingerspitzen versuchten, den Gegenstand weiter zu identifizieren. Er umfasste den Gegenstand und zog ihn heraus. Es war eine Art Becher, verstaubt und verdreckt, sodass er die Beschaffenheit der Oberfläche nur schwer erkennen konnte. Arnold hielt den Becher ins schummrige Licht. Das Gefäß war richtig schwer, er konnte nicht richtig einschätzen, was er dort in der Hand hielt. Er stellte den Becher ab und griff erneut in das Loch. Am Ende ertastete er etwas, das sich wie Leder anfühlte. Er zog es heraus, und in der Tat handelte es sich um ein Buch in einem dicken Ledereinband. Arnold wischte den Staub von dem Einband und hielt das Buch ebenfalls ins Licht. Er konnte kaum etwas erkennen. Wie in einen Bann gezogen von seinem Fund, ging er in den vorderen Teil des besser ausgeleuchteten Kellers. Langsam hob er den Buchdeckel und blickte auf handgeschriebene Seiten in altdeutscher Schrift. Diese Schrift wurde schon lange nicht mehr verwendet und für jemanden, der dieser nicht mächtig war, war sie schwer zu entziffern. Arnold konzentrierte sich und versuchte, die ersten Zeilen zu lesen.

Der Schatz im Flaschenhals

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