Читать книгу Der Schatz im Flaschenhals - Andreas Arz - Страница 14
ОглавлениеNeue Erkenntnisse
Eine Woche voller intensiver Aufräum- und Renovierungsarbeiten war vergangen. Arnold und seine Eltern, mit Unterstützung von Nachbar Willi, hatten einiges geschafft. Das ganze Weingut sah aus wie frisch aus dem Ei gepellt - so fasste Willi es treffend zusammen. Doch nun stand der unvermeidbare, große Abschied von Heidi und Paul an, denn in Mecklenburg auf dem eigenen Hof wartete ebenfalls viel Arbeit auf sie. Es war auch von vornherein klar gewesen, dass Arnold sein Weingutabenteuer allein bestreiten würde, und er hätte es auch nicht anders gewollt. Sein großer Ehrgeiz erlaubte ihm nicht, die Unterstützung seiner Eltern einzufordern, abgesehen vom ersten großen Reinemachen.
Willi hatte sich gestern Abend bereits von Heidi und Paul bei einem opulenten Abendessen verabschiedet und war deshalb nicht dabei, als die drei Jägers im Hof vor dem Lieferwagen standen.
Sie schauten sich schweigend an. Keiner wollte das erste Wort sprechen, da dies unweigerlich die Abschiedsszene einläuten würde. Paul ergriff nach einigen Minuten die Initiative.
»So, mein Junge, dann ist es soweit. Der Abschied naht.«
Heidis Augen füllten sich sofort mit reichlich Tränen. Sie schluchzte, trat auf ihren Sohn zu und nahm ihn ganz fest in den Arm. Selbst Arnold, der normalerweise nicht sentimental und nah am Wasser gebaut war, konnte sich die ein oder andere Träne nicht verkneifen. Paul legte ebenfalls einen Arm um Arnold und umfasste mit dem anderen seine Frau. So standen sie engumschlungen weitere Minuten da, als wolle keiner den anderen gehen lassen.
Arnold erlangte zuerst die Fassung und unterbrach die rührselige Szene. Er hob den Kopf und sagte scherzend: »Jetzt müssen wir uns aber loslassen. Die Nachbarn denken noch, was ich wohl für ein Weichei bin, bei Vater und Mutter im Arm stehen und rumheulen.«
»Auch ein erwachsener Mann darf ruhig mal weinen«, entgegnete Heidi mit weinerlicher Stimme.
»Der Junge hat recht, jetzt ist mal gut. Wir haben schließlich noch eine weite Fahrt vor uns«, brachte Paul wieder etwas Realismus in die Runde.
»Nach, auf dann«, schluchzte Heidi.
Das Gepäck war bereits eingeladen und auf der Rückbank lagen zwei Kisten Wein. Willi hatte es sich nicht nehmen lassen, den Mecklenburgern ein paar Souvenirs aus seinem Weinkeller mitzugeben. Jetzt, wo der Bub ein echter Lorcher Winzer war, müssten auch die Eltern immer mit gutem Wein aus dem Rheingau versorgt sein - so sein Wortlaut.
Heidi und Paul stiegen ein. Sie warf Arnold noch einen Kussmund entgegen, während der Vater den Wagen startete und rückwärts im Hof manövrierte. Beide kurbelten die Fenster herunter, und während Paul aus der Hofeinfahrt auf die Straße abbog, winkten sie ihrem Sohn zum Abschied. Arnold winkte mit einem gezwungenen Lächeln zurück. Als sie außer Sicht waren, rieb er sich die letzten Tränenreste aus den Augen und schnaufte tief durch. Natürlich freute er sich, dass es jetzt endlich losgehen konnte, doch der Abschied setzte ihm richtig zu. Arnold liebte seine Eltern über alles und war endlos dankbar für die großartige Unterstützung, die sie ihm entgegenbrachten. Jetzt aber erst realisierte er zum ersten Mal bewusst das Loslassen. Ihm wurde klar, dass heute seine neue Zukunft, fern von der Heimat, begann und eine große Aufgabe vor ihm lag. Aber er war Willens und guter Dinge, sie zu bewältigen.
Arnold ging ins Haus zurück und verzog sich in sein Wohnzimmer. Er ließ sich in seinen schweren Ohrensessel fallen, lauschte der Stille und versuchte, seine Gefühle zu verarbeiten.
Das plötzliche laute Donnern eines vorbeifahrenden Güterzuges auf der nahegelegenen Bahnstrecke holte ihn zurück aus seiner Trance. Er atmete noch einmal tief und wiegte seinen Kopf hin und her, als wolle er die letzten wehmütigen Gefühle abschütteln, dabei fiel ihm das Tagebuch ins Auge. Er stand auf, ging zum Regal und zog das Buch heraus. Wieder schaute er ein paar Augenblicke nur auf den Ledereinband. Kurzerhand lief er zu seinem Schreibtisch und schaltete seinen Laptop ein. Über eine Suchmaschine recherchierte er die Öffnungszeiten des Lorcher Museums. Schnell hatte er sie gefunden. Er schaute auf die Uhr. »10:30 Uhr, das Museum hat jetzt geöffnet«, dachte er sich. Kurz entschlossen schnappte sich Arnold seine Jacke und seinen Rucksack, packte das Tagebuch ein und holte aus dem Weinkeller noch den schweren Becher, den er zusammen mit dem Tagebuch gefunden hatte. Mit den beiden Funden im Rucksack machte er sich auf den Weg zum Lorcher Museum. Es lag nicht sehr weit von seinem Weingut entfernt, sodass er die Strecke zu Fuß zurücklegen konnte. Das Museum befand sich auf dem Marktplatz und war an das Lorcher Rathaus angeschlossen. Daneben prangte die imposante Lorcher Sankt-Martins-Kirche. Arnold hielt kurz inne und schaute sich auf dem Marktplatz um. Er betrachtete seine neuen Mitbürger, die in den kleinen Geschäften ihre Einkäufe erledigten, und genoss einen Moment die friedliche Atmosphäre. Trotz der emotionalen Achterbahnfahrt in den letzten Stunden, die die Abreise seiner Eltern ausgelöst hatte, ließ die Wehmut mehr und mehr nach, und trotz der kurzen Zeit, die er erst in Lorch heimisch war, hatte er das Gefühl, angekommen zu sein. Der Anblick der fröhlichen Menschen, die sich auf dem Markt tummelten, erfüllte ihn mit einer Leichtigkeit, die ihm das Gemüt aufhellte. Er überquerte den Platz und blickte dabei in die Schaufenster der Geschäfte. Aus der Bäckerei drang ein herrlicher Duft nach frischen Brötchen und süßem Gebäck, dieser Geruch vermischte sich mit dem von Rosen aus dem Blumenladen. Arnold nahm eine tiefe Nase von den Gerüchen und setzte danach ein zufriedenes Lächeln auf. So falsch war es nicht, nach Lorch zu kommen‹, dachte er und erklomm die Stufen zum Rathaus, die an das angrenzende Museum führten. Er blickte zuerst durch die Scheibe an der Tür und erkannte einige Kunstgegenstände. Als sein Blick in die hintere Ecke des Raumes ging, schob sich plötzlich der Kopf eines älteren Herren hinter dem Fenster in sein Blickfeld. Erschrocken machte Arnold zwei Schritte zurück und stolperte dabei fast über einen Bordstein.
Der ältere Herr öffnete die Tür.
»Kommen Sie ruhig herein, keine Scheu.«
Arnold zögerte kurz und sagte dann: »Puh, Sie haben mich ganz schön erschreckt.«
»Ich bitte das zu verzeihen, das war nicht meine Absicht. Kommen Sie herein, von drinnen können Sie unsere Schätze besser bestaunen als durch die Scheibe.«
»Gerne, vielen Dank.«
Der ältere Herr lächelte ihn an und machte einen höflichen Schritt zur Seite, damit Arnold an ihm vorbeigehen konnte. Dabei wies er mit dem linken Arm den Weg hinein.
»Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Dr. Josef Meinhaus. Ich bin der Kurator hier im Lorcher Museum.«
»Angenehm, Arnold Jäger, frisch zugezogen aus Mecklenburg.«
»Ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Darf ich fragen, was einen Mecklenburger in unser beschauliches Lorch verschlägt?«
Arnold lachte. »Aber natürlich, die Liebe zum Wein hat mich hierhergeführt. Ich habe ein kleines Weingut vorne an der Rheinstraße gekauft.«
»Dann darf ich Sie zu Ihrer weisen Entscheidung beglückwünschen und herzlich willkommen in unserer Gemeinde heißen.«
Dr. Meinhaus reichte Arnold die Hand. Er erwiderte das freundliche Willkommen mit einer kleinen Verbeugung, während er Dr. Meinhaus die Hand schüttelte.
»Nun, mein lieber Herr Jäger, was darf ich für Sie tun? Kann ich Ihnen ein Rundgang mit persönlicher Führung in unserem Museum anbieten?«
»Sehr gerne!«, erwiderte Arnold, der ehrlich interessiert an den Stücken im Museum war.
Dr. Meinhaus ging voran und führte zu jedem Ausstellungsstück eine präzise kleine Expertise an. Arnold war beeindruckt von den vielen historischen Artefakten, die im Lorcher Raum gefunden worden waren und hier in der Ausstellung ein Zuhause gefunden hatten. Besonders die Statue der Traubenmadonna gefiel ihm sehr gut. Sie stellte die Muttergottes mit einem Kind auf dem Schoß und Weintrauben in der Hand dar. Dr. Meinhaus bemerkte Arnolds besonderes Interesse an der Statue, das er wohlwollend aufnahm. Selbstverständlich hatte er auch zu diesem Stück einen ganzen Fundus an Wissen, den er einfach so aus dem Ärmel zu schütteln vermochte.
Arnold war sich sicher, an der richtigen Adresse mit seinem Anliegen zu sein. Dr. Meinhaus war allerdings so tief in seinem Element, dass Arnold sich nicht traute, ihn zu unterbrechen. Geduldig nahm er sich vor, auf eine gute Überleitung zu seinem Anliegen zu warten.
»Sehr beeindruckend. Woher kommen die vielen tollen Kunstgegenstände?«, fragte Arnold schließlich.
»Nun, der Schwerpunkt unseres Museums basiert auf der Kunstsammlung des ehemaligen Pfarrers unserer Gemeinde, Anton Karl Pfaff. Er war gebürtiger Lorcher und hat im Jahr 1925, ein Jahr vor seinem Tod, die gesamte Sammlung seiner Heimatstadt vermacht.«
Arnold horchte auf. Im ersten Eintrag im Tagebuch schrieb Peter Baum von einem Pfarrer Pfaff, welcher gerufen wurde, um den Ermordeten die letzten Sakramente zu erteilen.
Arnold erklärte vorsichtig: »Das war aber sehr großzügig.«
»Durchaus. Unsere Stadt konnte sich glücklich schätzen, durch die großzügige Schenkung in Besitz eines so besonderen Schatzes gekommen zu sein. Das Jahr 1925 war de facto etwas ganz Besonderes für unser Museum. Es waren auch schließlich sehr schwere Zeiten damals.«
Das war Arnolds Stichwort. »Diese Zeiten, von denen Sie sprechen, hatten sie etwas mit Belagerung nach dem Krieg zu tun?«
»Belagerung ist ein gut gewähltes Wort. In der Tat war Lorch zu dieser Zeit belagert, beziehungsweise, zu diesem Zeitpunkt war die Belagerung bereits beendet«, erklärte Dr. Meinhaus und fuhr fort, »am 11. November 1918 wurde von den alliierten Siegermächten und dem Deutschen Reich das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne unterzeichnet. Im Zuge dessen wurde das linksrheinische Gebiet besetzt. Zu diesen Gebieten sollten auf der rechtsrheinischen Seite noch weitere, strategisch wichtige Gebiete folgen.«
»Wieso das Ganze?«, fragte Arnold interessiert nach.
»Nach dem Krieg wollten die Siegermächte mit der Besetzung strategisch wichtiger Gebiete verhindern, dass sich das Deutsche Reich zu schnell von seiner Niederlage erholt und vielleicht noch einen Revanchekrieg anstrebt.«
»Kann ich verstehen, es waren ja sicher auch alle kriegsmüde?«
»Davon können Sie ausgehen. Allerdings ging es den Siegermächten, allen voran den Franzosen, ebenfalls darum, wichtige Gebiete für sich zu beanspruchen. So kam es dann, dass drei Brückenköpfe, sprich militärische Stellungen, benannt wurden, und um diese schlugen die Siegermächte auf der Landkarte mit einem Zirkel einen Kreis mit jeweils 30 km Radius. Genauer gesagt, um die Städte Köln, Koblenz und Mainz. Sie gingen davon aus, dass zwischen den Kreisen keine Freifläche entstehen würde. Doch da waren die Strategen einem Irrtum aufgesessen.«
»Lassen Sie mich raten, Dr. Meinhaus, Lorch fiel in keinen dieser Kreise.«
»Exakt! Ein kleiner Gebietsstreifen wurde von den Kreisen nicht erfasst und ging als Freistaat Flaschenhals in die Geschichte ein, und Sie stehen mittendrin«, sagte Dr. Meinhaus mit einem leicht stolzen Unterton in der Stimme.
»Das ist wirklich interessant, dann war Lorch quasi ein eigenes Land im Land?«
»Nicht ganz. Lorch, Kaub und eine weitere Gemeinde oberhalb des Rheins gehörten somit zum nicht besetzten Teil des Deutschen Reiches. Eigentlich eine schöne Sache, doch die Problematik war, dass die Menschen durch die angrenzenden besetzten Gebiete vom Rest des Landes abgeschnitten waren, was sich essenziell auf die Versorgung von Lebensmitteln und Brennstoffen auswirkte.«
Arnold nickte sehr interessiert.
»Sehen Sie, den Siegermächten war dieses Gebiet ein echter Dorn im Auge. Besonders die Franzosen waren sehr erpicht darauf, sich das Gebiet anzueignen, doch es widersprach den Vereinbarungen des Waffenstillstandsabkommens.«
»Die Menschen hatten mit Sicherheit große Sorge vor einer Invasion?«
»Absolut. Sie waren eingepfercht zwischen den Besatzungsgebieten der Amerikaner und der Franzosen. Von beiden Seiten rasselten die Säbel, wobei die Franzosen ein deutlicheres Interesse daran hatten, das Gebiet allein für sich zu beanspruchen. Einer der führenden Generäle, Jean Jules Henry Mordacq, ging sogar soweit, dass er im Falle einer Besetzung nicht einmal daran dachte, das Gebiet mit den Amerikanern zu teilen.«
»Das ist wirklich sehr interessant, was Lorch für eine bewegte Vergangenheit hat. Aber mit den Menschen von damals hätte ich lieber nicht tauschen wollen.«
Dr. Meinhaus stimmte ihm zu. »So sehr ich die Geschichte als meine Passion verehre, so wenig wäre ich erpicht darauf gewesen, zu diesen Zeiten hier zu leben.«
Es trat ein kurzes Schweigen ein. Arnold musste die Informationen einen Moment verarbeiten und Dr. Meinhaus ließ ihm diese Pause. Er war immer sehr dankbar für Menschen, die ihm zuhörten und der Vergangenheit einen gewissen Respekt zollten.
Nach einigen Sekunden ergriff Dr. Meinhaus wieder das Wort und fragte: »Konnte ich denn Ihren Wissensdurst etwas stillen oder kann ich noch weiter zu Diensten sein?«
»Ja, da wäre noch etwas. Sie erwähnten vorhin Pfarrer Pfaff.«
»Das ist richtig. Was ist mit ihm?«
»Ich habe seinen Namen in einem Tagebuch gelesen und das ist auch der Grund, warum ich heute hier bin.«
Arnold zog das Tagebuch aus seiner Umhängetasche und reichte es Dr. Meinhaus. Dieser griff zu und drehte es zunächst von einer auf die andere Seite. Dabei ließ er prüfende Blicke über den ledernen Einband gleiten. Er zog seine Lesebrille aus der Innentasche seines Sakkos und setzte sie auf die Nase. Dr. Meinhaus schlug das Buch vorsichtig auf und blätterte sich durch die ersten Seiten. Seine Augen wurden immer größer und es war ihm anzumerken, dass er wohl eine Ahnung bekam, was er hier in seinen Händen hielt. Er blickte auf zu Arnold und fragte aufgeregt: »Woher haben Sie das?«
»Ich habe es in einem geheimen Fach in meinem Weinkeller hinter einem schweren Eichenfass gefunden - zusammen hiermit.« Dabei zog Arnold den Becher aus seiner Tasche und reichte ihn Dr. Meinhaus.
Er griff vorsichtig, fast schon ehrfürchtig nach dem Becher. Schnellen Schrittes drehte sich Dr. Meinhaus um und ging zu einem Tisch, auf dem eine Lupe lag. Er legte das Tagebuch auf den Tisch, griff nach der Lupe und betrachtete den Becher durch das Vergrößerungsglas. Arnold beobachtete etwas überrascht das Treiben. Er hatte nicht erwartet, dass Dr. Meinhaus so wissbegierig auf seine Mitbringsel reagieren würde. Offensichtlich hatte er etwas ganz Besonderes in seinem Keller gefunden.
Dr. Meinhaus war ganz vertieft in die Prüfung des Bechers.
Arnold versuchte vorsichtig, wieder die Aufmerksamkeit des Kurators auf sich zu lenken.
»Herr Dr. Meinhaus …«
Dieser blickte auf.
» … können Sie damit etwas anfangen?«
Dr. Meinhaus antwortete etwas zögerlich: »Ich bin nicht ganz sicher, aber wenn es das ist, was ich denke, könnte es sich hier um eine Sensation handeln.«
Arnold, der immer noch erstaunt war, weil er nicht damit gerechnet hatte, etwas Wertvolles gefunden zu haben, fragte nach: »Um was handelt es sich hier? Und voll allem, können Sie etwas dazu sagen, was in dem Tagebuch beschrieben ist? Da wurden Menschen ermordet und der Verfasser spricht von etwas, was da vor uns liegt. Können Sie sich einen Reim darauf machen?«
Dr. Meinhaus war sichtlich aufgeregt und vertröstete Arnold mit den Worten: »Ich habe erst ein paar Zeilen aus den Seiten aufgeschnappt, ich muss das erst komplett lesen, bevor ich etwas sagen kann. Doch eines ist sicher, der Becher und das Tagebuch gehören zusammen. Wenn ich das richtig interpretiere, wollen diese beiden Gegenstände uns etwas Wichtiges sagen.«
Arnold wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er hätte gern eine etwas aufschlussreichere Auskunft bekommen. »Wie wollen wir denn jetzt verbleiben?«, hakte er nach.
»Geben Sie mir ein paar Tage. Ich muss Ihre Funde erst genau untersuchen. Ich melde mich in ein paar Tagen bei Ihnen. Haben Sie Geduld.«
Mit diesen Worten schob Dr. Meinhaus Arnold in Richtung Tür. Er zog die Tür auf und ließ Arnold nach draußen.
»Ich bitte Sie um Entschuldigung, dass ich unsere sehr angenehme Konversation so rasch beenden musste, doch jetzt wartet Arbeit auf mich.«
»Okay, hier haben Sie meine Telefonnummer, ich würde mich freuen, wenn Sie mich anrufen, sobald Sie mehr wissen.«
Arnold überreichte Dr. Meinhaus seine Visitenkarten. »Natürlich, ich melde mich bei Ihnen.« Dabei schloss er die Museumstür und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Arnold blieb etwas verdutzt vor der Tür stehen und wusste nicht so recht, wie ihm geschehen war. Schließlich respektierte er den Wunsch von Dr. Meinhaus, sich jetzt erst einmal intensiv um seine Fundstücke zu kümmern, und ging nach Hause.
Auf dem Heimweg schossen ihm permanent Gedanken durch den Kopf, die sich um den Freistaat Flaschenhals drehten. Er blickte immer wieder auf den Rhein und auf der anderen Seite in die Weinberge. Dabei versuchte er, sich in die Menschen hineinzuversetzen, die in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gelebt hatten. Heutzutage, in seiner Generation, konnte man sich eine derartige Situation, wie Sie Dr. Meinhaus ihm geschildert hatte, in keiner Weise vorstellen. Er, seine Familie und Freunde waren privilegiert und in friedlichen Zeiten aufgewachsen. Seine Eltern waren in der DDR aufgewachsen, was für viele kein Zuckerschlecken gewesen war. Doch sie hatten immer Nahrung, Arbeit, ein Dach über dem Kopf und waren letztendlich glücklich. Es herrschten Friedenszeiten, nie musste jemand um sein Leben fürchten wie die Menschen zu Zeiten des Freistaates Flaschenhals.