Читать книгу PENNYFLAX und das Uhrwerk der Sterne - Andreas Bulgaropulos - Страница 6
Countdown
Оглавление*** 2 ***
Luno hielt die beiden Regenbogen-Amulette von Pennyflax und Shirah in seiner silbrig-bleichen Hand und untersuchte die zwölfeckigen Scheiben mit größtem Interesse. Die drei Freunde saßen auf einer Bank vor Snagglemints Haus, in dem eben erst die Schattenpflanze geplatzt war, die Pennyflax in eine Wolke aus Dunkelheit gehüllt hatte.
Dem Kobold schwirrte noch der Kopf von der Attacke, er genoss es aber, sich von Shirah verarzten zu lassen. In ihrer Eigenschaft als Garstingens Heilerin hatte sie stets ihren Kräuterbeutel dabei und behandelte seine Frostbeulen mit einer Salbe.
Nachdem Luno die schimmernden und klingenden Amulette inspiziert hatte, gab er sie zurück. »Ich bin höchst beeindruckt, meine Freunde. Dass die Elfen euch die Klangsteine als Orden verliehen, grenzt an ein Wunder. Ist euch bekannt, woher sie ursprünglich stammen?«
»Logo!«, prahlte Pennyflax und hängte sich seinen Anhänger um den Hals. »Die Elfen bekamen die Klangsteine, wie du sie nennst, von den Göttlichen Erschaffern überreicht … irgendwann in grauer Vorzeit.«
Shirah nickte, was ihre geharzten Zöpfe zum Wackeln brachte. »Elfenprinzessin Candela hat uns erzählt, diese himmlischen Wesen kamen über einen Regenbogen vom Mond herunter und schenkten die Klangsteine den ersten Herrschern Eraluvias.«
»Ihr habt beide recht«, bestätigte Luno. »Die Göttlichen Erschaffer erschufen einst das Universum und mit ihm den Beginn der Zeit. Um dies zu bewerkstelligen, konstruierten sie das Uhrwerk der Sterne, das selbst heute noch die Zeit am Laufen hält. Anschließend sorgten sie für die Entstehung des Lebens auf einer Vielzahl von Planeten. Doch das Besondere ist, dass die Erschaffer nach getaner Arbeit beschlossen, sich auf dem Mond niederzulassen. Sie waren erschöpft und wollten eine letzte gute Tat vollbringen, indem sie ihre göttliche Kraft an die sterblichen Rassen weitergaben. Elfen, Zwerge, Menschen, Riesen, Drachen und alle anderen Völker, sollten ihre eigene Magie daraus entwickeln können.«
Pennyflax schnipste mit den Fingern. »Verstehe! Dann stammt die ganze Zauberei, die es in Eraluvia gibt, eigentlich von woanders her.«
»Im Grunde ja, geschätzte Freunde!«, bestätigte Luno und hob die Arme theatralisch zum Himmel empor. »Die zwölf Erschaffer formten aus ihrer Macht den ersten Regenbogen, den es je gab. Sie stiegen darüber vom Mond auf eure noch junge Welt herab und zerteilten den Regenbogen in zwölf Klangsteine, jeder für ein Volk Eraluvias. Die Steine besaßen damals noch die Größe von riesigen Säulen, aber mit der Zeit strömte ihre Magie in eure Welt aus, es wurden Bruchstücke entnommen und sie schrumpften. Nur so vermochten eure ersten Magiker die Zauberei zu erlernen und sie zu nutzen.« Der Mondmann deutete auf die beiden Amulette. »Und auch wenn eure Klangsteine nur Splitter der einstigen Säulen sind, so glüht in ihnen dennoch der göttliche Funke.«
Shirah hatte die Behandlung von Pennyflax’ Frostbeulen abgeschlossen. »Aber was haben die Erschaffer danach gemacht?«, erkundigte sie sich. »Ich meine … die haben sich doch nicht auf dem Mond zur Ruhe gesetzt, um sich in Luft aufzulösen, oder?«
Luno schüttelte den Kopf. »Nein. Nachdem die zwölf Göttlichen ihre Macht aufgegeben und sich auf den Mond zurückgezogen hatten, wählten elf von ihnen die Sterblichkeit. Mit anderen Worten, sie entschieden sich dafür, zu altern, um in Frieden sterben zu können. Vorher aber mischten sie sich unter die ersten Mondbewohner und gründeten Stammesgemeinschaften, deren Nachfahren sich zu meinem Volk entwickelten, den Lunari.«
Die Kobolde blickten sich an und staunten. »DU stammst von den Göttlichen Erschaffern ab?!«, riefen sie gleichzeitig.
Der Mondmann nickte und erhob sich von der Bank. Er streckte seinen blass schimmernden Körper und blickte auf sein Chronometer, eine Art Armbanduhr. »Die Zeit drängt. Ich werde euch alles ausführlicher erklären, sobald wir meine Heimat erreicht haben.«
So leicht wollte sich Pennyflax allerdings nicht zufrieden geben. »Wenn elf der Erschaffer ihre Unsterblichkeit aufgaben … was ist dann mit dem zwölften passiert? Und dieses … Uhrwerk der Sterne … ist das so was wie ein großer Wecker?«
»Du wirst bald alles begreifen«, beruhigte Luno ihn. »Doch nun solltet ihr euer Training abschließen, damit ihr für unseren Start morgen früh gewappnet seid.«
»Hast recht«, stimmte er zu und musste wieder an die Finsterlinge und Meister Snagglemint denken. Er sprang auf die Füße. »Das Sauerstofftraining haben wir abgehakt, und es hat gewirkt … ich war hinterher ganz schön sauer. Was steht als nächste Übung an?«
Shirah verkniff sich, auf die Ausreden ihres Freundes beim Hügellauf hinzuweisen. Sie schaute auf ihren Merkzettel und verkündete strahlend: »Schleudertraining!«
Pennyflax verzog das Gesicht. Die Hoffnung auf sein längst überfälliges Frühstück verdunstete wie der Herbsttau in der Vormittagssonne. »Also dann«, brummte er und hörte seinen Magen knurren, »bringen wir’s hinter uns. Wie soll die Sache laufen? Vorspeise, Hauptgang, Schleudergang?«
Fast wie auf Kommando erschien Schlonzo am Zaun des Grundstücks. Garstingens Tüftler klopfte sich einige Sägespäne von der Lederschürze und rief ihnen zu: »Kann losgehen … meine Zentrifuge ist fertig!«
»Zentri-was???«, wunderte sich Pennyflax und wurde von Shirah mitgezogen. Die beiden verließen Meister Snagglemints Grundstück und begleiteten Schlonzo, der strammen Schrittes zum Dorfplatz marschierte.
***
Die drei Kobolde folgten dem Rauschebach, der sich durch das Wäldchen schlängelte, in dem Garstingen lag. Entlang des Weges reihten sich Wurzelhöhlen, Gärten und Baumhäuser aneinander, die ihren kleinwüchsigen Bewohnern genügend Platz boten, oft für ganze Familien. Da sich der Oktober bereits seinem Ende zuneigte, fiel die Sonne nur schräg durch das orangefarbene Blätterdach der Bäume. Doch ihre Lichtstrahlen flirrten im Dunst und schufen eine zauberhafte Herbststimmung. Einige Insekten summten geschäftig umher, die Luft duftete nach Laub und der Waldboden war mit Eicheln sowie Bucheckern übersät.
Pennyflax, Shirah und Schlonzo erreichten den Dorfplatz. Hier, unter den Ästen der großen Eiche, hatte der Tüftler seine neueste Apparatur aufgebaut, die er nach Lunos Anweisungen konstruiert hatte: Es handelte sich um ein rundes Holzgestänge samt Speichen, das einem Hamsterrad von einem Meter Durchmesser ähnelte. Dieses stand jedoch nicht aufrecht, sondern lag am blätterbedeckten Boden. Damit sich die Konstruktion drehen konnte, steckte sie in der Mitte auf einer Achse, die unten mit zwei Zahnrädern und einer Querstange verbunden war. Und am Ende der zwei Meter langen Stange befand sich eine Kurbel.
Das, was jedoch Pennyflax’ Misstrauen erweckte, war der Doppelsitz, der auf der Innenseite dieses liegenden Hamsterrads montiert war. Auch die Garstinger, die sich neugierig auf dem Platz versammelten, trugen nicht gerade zu seiner Entspannung bei. Vor allem die Kinder des Dorfs waren aufgrund der Attraktion dermaßen aus dem Häuschen, dass sie um das Rad herumtobten, drüber und drunter durchkletterten und an dessen Mechanik herumspielten.
Schlonzo verscheuchte die Meute, prüfte, ob noch alles in Ordnung war und winkte Pennyflax und Shirah heran. »Nur keine Angst. Ihr müsst euch einfach in die Zentrifuge reinsetzen, und ich drehe euch so schnell im Kreis, bis euch die Gedanken aus den Köpfen fliegen!«
Der Kobold starrte ihn sekundenlang an. »Willst du mich veräppeln?! Freiwillig steigt doch keiner in so ein Kettenkarussell ohne Kette. Oder gewinnt man hinterher wenigstens einen Schleuderpreis?«
»Höchstens ’nen Schleudertraum«, kicherte Schlonzo und kurbelte das Rad in Position. »Komm’se näher, die erste Fahrt gibt’s gratis!«
Als Shirah bemerkte, wie sich Pennyflax vom Acker machen wollte, verdrehte sie die Augen und schob ihren widerspenstigen Freund auf die Zentrifuge zu. »Jetzt … stell dich nicht so an!«, ächzte sie und bugsierte ihn mit Schlonzos Hilfe auf einen der Sitze hinauf. Geschwind hatte sie ihn festgeschnallt und hockte sich neben ihn.
Dann konnte das Training beginnen.
Unter dem Jubel sämtlicher Garstinger begann Schlonzo, an der Kurbel seiner Konstruktion zu drehen. Behäbig setzte sich das große Rad in Gang, und zunächst wunderte sich Pennyflax über das angenehme Kitzeln in der Magengegend. Macht auf alle Fälle Spaß!, dachte er sich und fing an zu grinsen. Doch als sich das Rad immer schneller drehte und sein Körper in die Rückenlehne des Sitzes gequetscht wurde, fühlte er sich wie eine alte Socke in der Waschmaschine. Vor seinen Augen verwischte die Welt zu Schlieren, weshalb er nach der zwanzigsten Umdrehung äußerst dankbar war, noch nichts gegessen zu haben.
»Ver…zwurbeldingst!«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Wo…zu soll … die Übung ei…gentlich gut sein?«
Shirah, die sich am Sitz festkrallte und ein grünliches Gesicht bekam, krächzte: »Soll uns … auf die … Beschleunigung und Fliehkraft vorbereiten, die man beim … Flug eines Raum…schiffs spürt …«
Vergeblich versuchte Pennyflax, seinen Schlapphut festzuhalten. »Flieh…kraft?«, würgte er und sah den Hut davonwirbeln. »Ist ja klar … warum die Kraft bei dem Blödsinn fliehen will …«
Die Garstinger, die die Zentrifuge umringten, applaudierten begeistert, weil den beiden Testpiloten nun auch noch ihre Schuhe wegflogen. Was sie zum Glück nicht mitbekamen war, wie Shirahs geharzte Zöpfe an Pennyflax’ Backe kleben blieben.
»Heiliger Mac Gyver!«, staunte Schlonzo und kurbelte noch schneller. »Hätte nie gedacht, dass meine Salatschleuder so gut funktioniert. Bin ein Genie!«
***
Am späten Nachmittag, als der Sonnenuntergang den Himmel rot färbte, erreichten Pennyflax und Shirah erschöpft aber zufrieden ihr Zuhause. Sie hatten sich trotz der körperlichen Strapazen tapfer durch das Trainingsprogramm gekämpft. Vor allem Pennyflax, der anfänglich dagegen gewettert hatte, war vom Ehrgeiz gepackt worden. Bei der letzten Übung, dem Unterwasserhüpfen, das die Bewegung in der Schwerelosigkeit des Weltalls schulen sollte, hatte er sich selbst übertroffen: Am Grunde des Dorfteichs war er die von Luno vorbereitete Strecke in Rekordzeit gelaufen – natürlich mit Schilf-Strohhalm zwecks Luftholen und unter Aufsicht, damit nichts passierte. Und auch seine Freundin hatte sich gut geschlagen, obwohl sich ständig Seerosen in ihren Zöpfen verfangen hatten.
Die beiden öffneten das Gartentor zu Shirahs Grundstück. Da sie erst seit kurzem zusammen wohnten, hatten sie vereinbart, abwechselnd ihre beiden Häuser zu nutzen. Deshalb war heute das Heim der Koboldin an der Reihe, ein Baumwurzelhaus, das dreieckige Fenster besaß. Sie durchquerten den Garten, in dem Shirah allerlei Unkraut angepflanzt hatte, stiefelten ohne Umweg in die Küche und griffen sich so viele Leckereien aus dem Vorratsschrank, wie sie tragen konnten. Mit Bergen von schimmligem Brot, Kompostsalat, Regenwurmpastete, Moderbeeren und einer großen Flasche Madensaft setzten sie sich auf die Veranda und holten sämtliche Mahlzeiten des Tages auf einmal nach.
Eine Stunde später lehnten sie sich gesättigt und zufrieden in ihren Stühlen zurück und besprachen bei Kerzenschein sowie einer Tasse Blödwurztee noch einmal ihr Trainingsprogramm, um Fehler darin zu entdecken. Schließlich wankten sie hundemüde nach drinnen. Sie hatten nicht einmal mehr die Kraft, das Geschirr zu spülen, weshalb sie es in der Küche stapelten, so wie sich das für anständige Kobolde im Alter von 145 und 122 Jahren gehörte. Danach fielen sie in die Betten.
Obwohl Pennyflax die Erschöpfung in allen Gliedern steckte, konnte er nicht einschlafen. Seine Gedanken kreisten um das Schleudertraining, aber nicht wegen der Übelkeit, die es dabei zu bezwingen galt, sondern aus einem anderen Grund. Er wälzte sich hin und her, bis Shirah schließlich wieder aufwachte und sich zu ihm umdrehte.
Sie blinzelte verschlafen, legte ihm den Arm auf die Schulter und flüsterte: »Was ist denn los? Bist du vom Tauchen noch seekrank? Oder aufgeregt wegen morgen?«
»Nee«, flüsterte er zurück. »Ist wegen Schlonzos Zentrifuge. Die hat mich an meine Kindheit erinnert … an die Zeit mit meinen Eltern. Mein Vater hat mich auch öfter an den Armen festgehalten und im Kreis rumgewirbelt. Dann haben wir gelacht … und …« Der Kobold schluckte. Er stellte fest, dass er lange nicht mehr an seinen Vater und seine Mutter gedacht hatte. Und wie sehr er sie noch immer vermisste.
Shirah setzte sich auf. »Du hast mir nie von deinen Eltern erzählt. Sind sie gestorben? Vielleicht wie meine Eltern an einer Krankheit?«
Pennyflax schüttelte den Kopf und setzte sich ebenso auf. »Ich hab ehrlich gesagt keinen Schimmer. Als ich noch ein Knirps war, bin ich eines Tages heimgekommen und sie waren weg. Ich weiß nur noch, wie ich heulend auf der Leiter unseres Baumhauses saß und irgendwann Meister Snagglemint vorbeikam. Weil ich ihm leid tat, durfte ich an dem Abend bei ihm bleiben, und wir machten uns am nächsten Tag auf die Socken, um nach meinen Eltern zu suchen. Doch wir fanden nicht die geringste Spur. Auch nicht die folgenden Tage. Niemand hatte sie gesehen. Später ging das Gerücht, sie wären einer gefräßigen Hydra-Schlange zum Opfer gefallen.« Er schluckte abermals den Kloß in seinem Hals runter und fuhr fort: »Tja, das ist jetzt fast hundertdreißig Jahre her. Meister Snagglemint hatte sich damals um mich gekümmert, bis ich allein klarkam. Wie ein Vater eben. Deshalb mache ich mir ja auch solche Sorgen um unseren alten Magiker. Wenn ihm die Finsterlinge etwas angetan haben, hätte ich auch ihn verloren, verstehst du?«
»Krass wie Brunnenkresse«, hauchte Shirah und machte Augen. »Hatte ja keine Ahnung, wie nah ihr euch steht! Aber wir finden ihn bestimmt. Und das mit deinen Eltern tut mir echt leid … kann’s gut nachvollziehen, wie das ist, plötzlich allein zu sein. Allerdings war ich schon größer, als meine Eltern an einem schlimmen Fieber starben. Deswegen bin ich ja Heilerin geworden. Doch wie du fand ich Freunde, die mich in der schwierigen Zeit getröstet haben.«
Pennyflax seufzte und fasste wieder Mut. Er blickte seiner Freundin in die grün-braunen Augen, umarmte sie und murmelte: »Gut, dass wir uns gefunden haben. Wir bleiben für immer zusammen, abgemacht? Und morgen wird schon alles schiefgehen … zumindest, wenn wir uns richtig in die Sache reinhängen.«
Zur Bestätigung gab ihm Shirah einen Kuss auf die Wange und strich ihm über die Wuselhaare. Dann schauten sie durchs Fenster und betrachteten den Mond, der am Himmel stand und zu dem sie ihre große Reise antreten würden. Ihre Amulette, die im Mondlicht auf dem Nachttisch lagen und leise klangen, hörten sie bereits nach kurzer Zeit nicht mehr, da sie eingeschlafen waren.
***
Am nächsten Morgen sprangen die beiden aus ihren Strohbetten, bevor die Sonne aufging, was im Herbst nicht allzu früh geschah. Dennoch schlangen sie gegen sieben Uhr ein Frühstück hinunter, packten ihre Sachen und liefen in die Kühle des vorletzten Oktobertags hinaus. Shirah warf noch einen Blick auf ihre Unkrautbeete und kontrollierte ihren Salben- und Kräuterbeutel, während Pennyflax einige Mühe hatte, seinen Schlapphut über seine besonders abstehenden Haare zu stülpen. Nachdem er endlich die kleine Flasche Holundersaft in der Hutkrempe verstaut hatte, die auf Abenteuerfahrten zu seiner Grundausstattung gehörte, traten sie durch das Gartentor auf den Weg hinaus.
Die zwei Kobolde staunten, wie viele Garstinger schon auf den Beinen waren. Vor allem über die ganze Gruppe ihrer Landsleute, die aus dem Dorf in Richtung Startplatz marschierte, um die Sternreisenden zu verabschieden. Da Shirahs Haus am Ortseingang lag, brauchten sie und Pennyflax lediglich den anderen zu folgen, überquerten die Rauschebachbrücke und erreichten kurz darauf die Stelle, an der Luno vorgestern mit seinem Raumschiff gelandet war.
Der Mondmann wartete schon auf der taufeuchten Wiese neben seinem Fluggerät und überprüfte die drei Landekufen. Das Schiff ähnelte einem riesigen Saphir, also einem blauen Edelstein, der die Form eines Tropfens besaß und dessen spitzes Ende nach unten wies. Gerade kämpften sich die ersten Sonnenstrahlen durch den Frühnebel und brachten die Oberfläche des Raumschiffs zum Glitzern, so dass es erst recht wie ein hausgroßes Schmuckstück wirkte.
»Miesepetrigen Morgen«, begrüßte Pennyflax seinen Freund und deutete auf das Schiff. »Alles Roger mit deinem Sternendüser?«
Luno, der nun seinen Raumanzug trug, stellte seine Flötenohren aufrecht und nickte. »In der Tat, meine geschätzten Begleiter, unsere Reise kann beginnen. Oh, und einen ebenso miesevollen Morgen wünsche ich euch … möge eure schlechte Laune auf ewig andauern.«
Der Kobold musste grinsen. »Nicht schlecht, verdingst nochmal. Wärst du ’ne Woche länger bei uns geblieben, wäre aus dir ein echter Einheimischer geworden!«
»Sehr gerne hätte ich bei euch verweilt«, erwiderte Luno und blickte auf sein Chronometer. »Aber die Zeit rennt uns davon. Vergangene Nacht entdeckte ich durch mein Teleskop weitere hässliche Flecken auf dem Mond. Ohne Zweifel rauben die Finsterlinge immer größere Mengen unseres Lichtsilbers, und gebieten wir ihnen nicht rasch Einhalt, versiegt die Lebensquelle meines Volkes, der Lunari.«
Pennyflax runzelte die Stirn, dann zog er eine grimmige Miene. »Wirst sehen, den Spitzbuben legen wir das Handwerk! Haben wir erst ihr Versteck aufgespürt und ihnen das Rauben ausgetrieben, glotzen die doof aus ihrer Schattenwäsche.«
Skeptisch wiegte Luno seinen Kopf. »Ich wünschte, ich könnte deine Zuversicht teilen, werter Freund. Ob wir tatsächlich der Bedrohung gewachsen sind, muss sich noch herausstellen.«
Shirah inspizierte währenddessen das Raumschiff und bemerkte ein sechseckiges Symbol auf der blauen Oberfläche. Das Symbol, das aus vier Buchstaben und dem Bild eines Planeten bestand, fiel ihr auch auf Lunos Raumanzug auf. Sie fragte ihn: »Welche Bedeutung hat das?«
Der Mondmann betätigte einen Schalter am Schiff, woraufhin sich eine Luke öffnete und eine Rampe zu Boden klappte. »Nun, die Buchstaben des Symbols stehen für den Namen der Weltraumbehörde meiner Regierung. Diese Behörde entwickelt unsere Raumschiffe, sorgt für ihre Reparatur, bildet unsere Astronauten aus und baut die Raumhäfen auf dem Mond. Dort starten und landen vor allem die großen Schiffe von anderen Planeten. Es handelt sich also um eine technische Einrichtung, in der viele Leute für dieselbe Sache arbeiten, nämlich die Raumfahrt.«
»Aha«, entgegnete Shirah und las die Schriftzeichen laut vor. »N.A.S.E. Klingt lustig. Stellen die vielleicht auch Taschentücher her?«
Luno legte das Gepäck ins Schiff und blinzelte. »Nein, geehrte Shirah, die Behörde, die Taschentücher produziert heißt S.O.F.T.I. Doch nun sollten wir wirklich starten.«
Pennyflax war inzwischen dabei, sich von den Garstingern zu verabschieden. Er schüttelte Hände, klopfte Schultern und streckte einigen Koboldkindern die Zunge raus, weil sie ihm Klettenkraut an die Jacke geheftet hatten. Von Murksipfusch, dem Bäcker, bekam er drei große Stücke Pustekuchen als Reiseverpflegung überreicht, und auch Schlonzo hatte ein besonderes Geschenk für ihn und Shirah.
»Die hab ich schnell noch gestern Abend erfunden«, erklärte der Tüftler und hielt zwei Paar Schuhe hoch. »Schwerkraftstiefel! Luno hat mir nämlich erzählt, dass alles auf dem Mond viel leichter ist als bei uns. Auch die Leute. Und da hab ich mir gedacht, damit ihr beiden dort nicht bei jedem Schritt einen Hüpfer macht, solltet ihr zum unbeschwerten Laufen … beschwert laufen! Die Stiefel sind aus extra schwerem Kreuzworträtsel-Leder gefertigt und besitzen eine Sudoku-Sohle mit Gewichten drin.«
Die beiden bestaunten die schwarzweiß karierten Schuhe, nahmen sie dankbar entgegen und packten sie ebenfalls ins Raumschiff.
»Und was haste als Gewichte für die Sohlen genommen?«, erkundigte sich Pennyflax.
Schlonzo schaute sich um und flüsterte: »Da hab ich die eingesparten Kalorien vom Diätplan meiner Frau reingestopft. Aber verratet ihr das nicht, klar?«
»Klar wie Sumpfgeblubber!«, riefen Pennyflax und Shirah, winkten den versammelten Kobolden und stiegen mit Luno an Bord.
Auch der Mondmann hob die Hand zum Gruß und betätigte den Knopf, der die Rampe hochklappen ließ. Daraufhin schloss sich die Luke mit einem Schmatzen, so dass kein Spalt mehr in der tropfenförmige Schiffshülle zu sehen war.
Als das Triebwerk an der unteren Spitze zündete, zogen die Garstinger rundherum die Köpfe ein, denn der hellblaue Energiestrahl fegte den letzten Rest Nebel von der feuchten Herbstwiese. Begleitet von einem Zischen hob das Raumschiff ab, fuhr die Kufen ein und schoss mit dem dicken Ende voran in den Morgenhimmel hinauf. Und während das Schiff beschleunigte, waren die drei Freunde bereit, sich dem größten Abenteuer entgegen zu stürzen, das jemals zwei Kobolde und ein Mondbewohner erlebt hatten.