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Ein Erfinder in Nöten
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Während Pennyflax, Shirah und Luno sich der Raststätte am Rand der Straße näherten, rätselten sie über die merkwürdigen Erschütterungen, die vor wenigen Minuten den Untergrund des Mare Nubium hatten wackeln lassen. Luno konnte sich nicht entsinnen, auf der Vorderseite des Mondes jemals ein Beben erlebt zu haben und zermarterte sich darüber den Kopf. Dabei heraus kam jedoch seine Sorge, dass neben den Finsterlingen und ihrer düsteren Gebieterin eine weitere Bedrohung für die Mondbewohner am Horizont aufzog. Und zwar eine, von der noch niemand etwas wusste.
Mittlerweile waren die drei Freunde nur noch einen Steinwurf von der Raststätte entfernt und vermochten einen genaueren Blick auf ihr Ziel zu werfen: Es handelte sich um ein ovales Gebäude, das einem riesigen Kochtopf oder einer Fritteuse ähnelte und Metallwände besaß, in denen sich die Umgebung spiegelte. Zumindest musste das einst so gewesen sein, denn das Chrom der Wände war mit Fettspritzern und Bratöl verschmiert, eben wie ein Topf, der nie gereinigt wurde. Sogar die Fenster, die in einer Reihe das Gebäude umgaben, klebten vor schmierigem Braun. Schuld daran trugen die Rauchabzüge an den Dachkanten, die einem Dampfschiff Konkurrenz machten und einen höllischen Qualm und Bratgestank verbreiteten. Dazu passte der Name der Raststätte, denn auf ihrem Flachdach blinkten die Buchstaben des Neonschriftzugs »Rupert Ranzigs Brutzelbude« und in kleiner Schrift darunter »Freiheit für die Radikale!«.
Die Kobolde und der Mondmann erreichten die Straße, die sich wie ein bläulich schimmerndes Band durch die Landschaft schlängelte. Sie warteten, bis zwei Autos an ihnen vorbei gezischt waren und überquerten die Fahrbahn.
Pennyflax blickte den beiden torpedoförmigen Flitzern hinterher und zog die Brauen hoch. »Verzwurbeldingst, was ist denn mit denen los?«, wunderte er sich. »Die haben ja gar keine Räder!«
Luno nickte. »Ganz recht, mein Freund. Die meisten Fahrzeuge auf dem Mond rollen nicht auf Rädern, sondern erzeugen ein Energiefeld unter ihrem Boden, das sie schweben und über die Fahrbahn gleiten lässt. Wir nennen solche Vehikel deshalb auch ›Gleiter‹. Sollte uns einer der Gäste dieser Raststätte von hier aus in seinem Gleiter mitnehmen, erreichen wir Kosmopolis im Handumdrehen.«
Pennyflax und Shirah staunten erneut über die Wunder, die sie auf ihrer Reise zu sehen bekamen und erreichten mit Luno die andere Straßenseite. Auf dem Parkplatz vor der Raststätte parkten die verschiedensten Gleiter, und neben dem Gebäude entdeckten die drei eine Werkstatt, in der mehrere Fahrzeuge auf ihre Reparatur warteten. Eines von ihnen, ein schnittiges Fluggerät, erinnerte an einen Helikopter. Also musste es einen Mechaniker zu der Werkstatt geben, der die Maschinen in Gang setzen konnte, weshalb gewiss niemand für länger in der Einöde des Mare Nubium festsaß. Darauf deutete auch ein Plakat hin, das einen Gleiter zeigte, dessen Frontscheibe von Gesteinsbrocken zertrümmert wurde. Die Überschrift lautete: »Wir sind eine offiziell lizenzierte Star-Glas-Werkstatt und beheben jeden Meteoritenschaden in wenigen Minuten«.
Als sich die Freunde der Eingangstür von Rupert Ranzigs Brutzelbude näherten, zuckten sie vor Schreck zusammen: Zwischen dem Gebäude und der Werkstatt kläffte ein Hund los, der an seiner Kette zerrte und sie aus gelb glühenden Augen anstarrte. Er hatte einen Kopf, der einem Schwein ähnelte, eine haarlose, fleckige Haut und einen Ringelschwanz. Das Tier knurrte bedrohlich aus tiefster Kehle, kläffte erneut los und ließ seine messerscharfen Reißzähne aufblitzen.
Luno führte die Kobolde in einem Bogen auf die Tür zu und warnte sie: »Obacht! Es handelt sich um einen Schweinehund vom Jupiter. Kommt diesem äußerst aggressiven Tier niemals zu nah, denn es frisst den ganzen Tag nur Schweinefraß und ist noch gefährlicher als ein Dreckschwein oder sogar Pistenschwein.«
»Ooch, der ist doch ganz süß, mit seinen Schlappöhrchen!«, flötete Shirah und näherte sich dem Schweinehund, um ihn zu streicheln.
Pennyflax zerrte sie zurück. »Biste irre?!«, schimpfte er und fragte sich mal wieder, warum Frauen alles süß finden mussten. »Schau dir doch seine blutunterlaufenen Augen und das Gebiss an. Der zerfetzt dich, bevor du ›Schweinepriester sparen für Sparschweine‹ sagen kannst!«
Shirah maulte und ließ sich nur unter Protest durch die Tür der Raststätte schieben. Sie mochte es gar nicht, bevormundet zu werden, denn sie konnte gut auf sich alleine aufpassen. Trotzdem fand sie es irgendwie süß, wie Pennyflax sich um sie sorgte. Auch wenn er manchmal ein Besserwisser war.
Den Freunden schlug Musik, Stimmengewirr und ein stickiger Dunst entgegen, der nach Gebratenem und altem Frittierfett miefte. Die Inneneinrichtung wirkte mit ihren Aluminiumtischen, den roten Sitzbänken und dem verchromten Tresen einerseits nobel, klebte aber vor derselben bräunlichen Schmiere wie die Außenwände des Gebäudes. Ein paar Insekten krabbelten über die schmutzigen Fliesen des Fußbodens, und links, neben dem Durchgang zur Küche, flimmerte Werbung auf einem 3D-Bildschirm vor sich hin. In der Werbung war ein dicker Außerirdischer mit vier Stielaugen zu sehen, der an jedem seiner acht Tentakelbeine einen Gipsverband trug und zwanzig Zentimeter über dem Boden schwebte.
»Und denken Sie daran«, betonte der Außerirdische, »mit Schwerkraft ist nicht zu spaßen! Wollen auch Sie Ihrem Körpergewicht ein Schnippchen schlagen, Ihre Kinder vor aufgeschürften Knien schützen oder Ärger wegen ins Klo gefallener Handys vermeiden, kaufen Sie den neuen Gravo-Master! Denn nur Gravo-Master mit seinem antimateriellen Gravitationsfeld schützt Sie und Ihre Familie vor den Tücken der Schwerkraft!«
Ein Gerät schwebte ins Bild, das einem Armreif glich und von einem Feuerwerk an Farben umgeben war. Gleichzeitig erklang eine Melodie, zu der ein Frauenchor trällerte: »Gravo-Master! Mit Leichtigkeit geht’s meilenweit!«
Pennyflax und Shirah starrten noch wie gebannt auf den Bildschirm, als Luno sie auf einen freien Tisch in der Nähe der Tür zuschob. Es herrschte Hochbetrieb in Rupert Ranzigs Brutzelbude, trotz des Miefs und der verschmutzten Einrichtung. Daher legte der Mondmann für sich und seine Begleiter rasch ein paar Servietten auf die klebrigen Sitzbänke und ließ sich nieder, bevor eine Gruppe Sabberknilche vom Saturn den Platz stürmen konnte.
»Wir werden nichts bestellen«, eröffnete er den Kobolden, »da ich mein Geld beim Absturz unseres Raumschiffs verlor. Außerdem suchen wir nur eine Mitfahrgelegenheit und können die Gäste, die das Lokal verlassen, von dieser Position aus am besten fragen, ob sie uns mitnehmen.«
»Mist«, brummelte Pennyflax enttäuscht. »Hab echt Kohldampf und hatte mich schon auf die Leckereien des Mondes gefreut. Ich kann ja wenigstens mal ’nen Blick in die Speisekarte werfen …«
Da er auf ihrem Tisch nur eine durchweichte Getränkekarte entdeckte, stellte er sich auf die Sitzbank und schielte hinüber zum Nachbartisch. Dort hockte ein Außerirdischer, der eine rote Haut besaß, eine Hornbrille trug und auf dessen Kopf ein grünes Haarbüschel in die Höhe stand. Der Kerl wirkte wie ein Häufchen Elend und seufzte vor sich hin, reichte Pennyflax aber auf seine Nachfrage die Speisekarte. Nachdem er die Karte erhalten hatte, blätterte er die Seiten durch, auf denen ausschließlich Fleischgerichte in Riesenportionen angeboten wurden. Schon beim Betrachten der Bilder bekam er Magenkrämpfe, weil sie nicht nur vor Fett triefende sondern auch verkohlte Fleischklumpen zeigten. Als Empfehlung wurden einige Gerichte mit besonders vielen »Freien Radikalen« angepriesen.
Muss das Häufchen Elend am Nachbartisch mal danach fragen, beschloss der Kobold und beugte sich hinüber. »Garstigen Tag nochmal, du Rotling. Kannst du mir verraten, warum man diese Radikalen freigelassen hat? Und wie die schmecken?«
Der Außerirdische, der über der Tischplatte hing und fortlaufend seufzte, hob den Kopf, rückte seine Hornbrille zurecht und erwiderte: »Ich rate dir, besser wieder zu gehen, rosso. Sonst ereilt dich dasselbe Schicksal wie mich … ich Pechvogel bin nämlich hier gestrandet.«
Pennyflax wunderte sich über den komischen Kauz, brachte aber keine weiteren Informationen aus ihm heraus und vertiefte sich wieder in die Speisekarte.
Währenddessen entdeckte Shirah an der Wand ein Poster, das auf eine Musikveranstaltung hinwies. In blinkender Schrift stand da geschrieben: »Konzertereignis des Jahres! --- Live, im Großen Stadion von Kosmopolis! --- Teenie-Idol Stella Antenna stellt ihr neues Studioalbum vor!« Unter der Schrift war eine junge Lunari-Frau abgebildet, die, wie alle Angehörigen von Lunos Volk, eine schimmernde Haut und Flötenohren besaß. Sie trug ein Glitzerkleid, streckte grinsend die Zunge raus und zeigte dem Betrachter ihre Finger, die ein V-Zeichen formten. Obendrein hatte sie eine blonde Kurzhaarfrisur und zwei Reihen von Ohrringen, an denen winzige Duschvorhänge baumelten. Am stärksten aber fiel die Zahnspange der jungen Frau auf, die genauso wie die Schrift des Posters blinkte.
Shirah betrachtete das Poster wie hypnotisiert und erkundigte sich bei Luno: »Wer ist denn diese Stella Antenna? Und welches Studioalbum wird sie vorstellen? Ein Album vom Kochstudio oder Fitnessstudio?«
Luno war abgelenkt, weil er die Gäste beobachtete, bis er die Frage der Koboldin begriff. »Hm? Oh … nein, verehrte Shirah. Mit Studioalbum ist eine Musikaufnahme aus dem Tonstudio gemeint … also Lieder, die Stella Antenna vor einem Konzertpublikum singen wird. Sie ist unsere erfolgreichste Sängerin auf dem Mond, musst du wissen. Früher nannte sie sich übrigens Smiley Virus und war als Schauspielerin sehr berühmt. Bis sie von einer Abrissbirne getroffen wurde. Da hat sie plötzlich entdeckt, dass sie viel lieber singt.«
»Wahnsinn«, hauchte Shirah. »Ihr Album muss ich mir unbedingt ansehen!«
Die beiden wurden bei ihrer Unterhaltung durch einen Wutschrei unterbrochen: Vier Tische weiter brüllte eine außerirdische Frau mit langen blauen Haaren zwei Gäste an. Die Frau sah aus wie eine extrem dicke Robbe, trug eine von Flecken übersäte Schürze und schwang drohend die Faust. Sie entpuppte sich als Bedienung, die die beiden Gäste, zwei Echsenwesen, anschnauzte, das Lokal sofort zu verlassen.
Nachdem die Robbenfrau-Bedienung kehrt gemacht hatte, stampfte sie auf den Tisch der drei Freunde zu. Wie eine Walze brachte sie ihr Körpergewicht unter Schnaufen zum Stehen, schüttelte ihr fettiges, blaues Haar aus dem Gesicht und fischte mit ihrem flossenähnlichen Arm einen Notizblock aus der Schürze. »Was darf ich euch ausgehungerten Sternreisenden bringen?«, krächzte sie und rang sich ein Lächeln ab, das so freundlich wirkte wie das eines Haifischs. »Heute kann ich unser Raststätten-Schnitzel ›Gleiterbahn-Polizei Viper 11‹ empfehlen, zum explosiven Preis von dreißig Orbits.«
Pennyflax konnte sich wegen des Essens noch immer nicht entscheiden und erkundigte sich stattdessen bei der Robbenfrau: »Was gab’s denn für einen Radau mit den Gästen da hinten?«
»Meinst du die zwei Komiker an Tisch sieben, Kleiner?«, schnaubte die Bedienung voller Verachtung und nickte zu den Echsenwesen hinüber, die gerade am Gehen waren. »Solche wie die werden hier nicht bedient!«
»Wieso?«, wunderte sich der Kobold.
»Siehst du nicht die grüne Haut von denen?! Die Kerle sind Vegetarier vom Planeten Vega-N. Mit denen hat man nichts als Ärger, wie mit allen, die aus dem Omega-3-System kommen. Die bestellen nur Rohkost und diesen ganzen Grünkram wie Chia-Salat, Matcha-Smoothies oder Algen-Kräcker.«
Pennyflax runzelte die Stirn. »Das ist aber ziemlich unfein, Leute wegen ihrer Herkunft oder Vorlieben auszugrenzen. Die können doch mögen was sie wollen, vor allem, wenn sie dafür bezahlen. Außerdem ist das mit dem gesunden Grünkram endlich mal ’ne gute Idee!«, freute er sich. »Den mögen wir in Garstingen auch! Ich hätte dann gerne einen faulen Apfel aus unfairem Handel und die Brechbohnen mit ordentlich Gewürge. Und dazu bitte eine Cola … eine Ru-Cola!«
Die Miene der Bedienung gefror zu Stein. Sie kniff die Augen zusammen und musterte den Kobold und seine Begleiter. »Hör gut zu Jungchen«, röchelte die Frau gefährlich leise. »Ich gebe euch Spaßvögeln in euren schicken Raumanzügen noch genau eine Chance, etwas von unserer Karte zu bestellen. Falls ihr das innerhalb der nächsten fünf Sekunden nicht hinkriegt, hole ich Rupert … der zeigt euch dann ganz schnell, wo es hinausgeht. Verstanden?!«
Shirah meldete sich. »Ich müsste vor meiner Bestellung zur Toilette.«
»Die kostet zehn Orbits!«, fauchte die Bedienung.
Pennyflax fiel auf, wie stark die Robbenfrau wegen ihres Körpergewichts schnaufte und schwitzte. Ihr rundliches Gesicht und die Hängeohren, die durch ihre blauen Haarsträhnen lugten, ähnelten denen eines Mopses, der nach Luft japste. Weil sie ihm leid tat, schlug er vor: »Du solltest dir auch mal so ein dings, äh … Armband wie in der Werbung zulegen. Einen Gravo-Master! Dann kannst du deinem Gewicht ein Schnippchen schlagen und gehst mit Leichtigkeit meilenweit.«
Die Bedienung lief rot an, keuchte wie ein Dampfkochtopf und streckte ihren Arm aus. An ihrem Handgelenk blinkte ein Gerät.
Da ging ihm ein Licht auf. Die Gute trug bereits ein Gravo-Master-Armband. Wenn dies allerdings ihren »Schwebezustand« darstellte, war das Gerät mit ihrem Gewicht hoffnungslos überlastet. Damit sie keinen Herzanfall bekam, gab er sich einen Ruck. »Na gut, dann nehme ich halt eine extra große Portion von diesen freien Radikalen. Aber nur, wenn die nicht zu gewalttätig werden und ich Schokostreusel drauf bekomme.«
»Und ich hätte gerne einen Kichererbsen-Salat zum Totlachen«, ergänzte Shirah. »Oder wahlweise den Glasnudel-Salat ohne die Splitter. Hab aber keine Orbits für die Toilette.«
»Hm …«, überlegte Pennyflax. »Ich nehme vielleicht doch lieber ’nen Doofu-Burger mit BetaBeta-Sprossen. Oder … halt! Kriegt man auch Grünkern-Pupslinge?«
»Ähm, Verzeihung«, mischte sich Luno ein und wandte sich an die Bedienung. »Das ist alles ein Missverständnis … wir wollen gar nichts bestellen, da unser Geld abhandenkam. Eigentlich befinden wir uns auf der Durchreise und hoffen, in Ihrer Raststätte eine Mitfahrgelegenheit nach Kosmopolis zu fin…«
Die Robbenfrau explodierte förmlich. »RUPÄÄÄT!!!«, kreischte sie und stampfte Richtung Küche davon. »Hier sind schon wieder ein paar Schnorrer, die sich ohne Geld durchfressen wollen und vegetarische Sonderwünsche haben!«
Luno rollte hektisch mit den Telleraugen. Er flüsterte seinen Freunden zu: »Vielleicht war es ein Fehler, dieses Lokal ohne Geld zu betreten, meine Freunde. Lasst uns rasch jemanden ausfindig machen, der uns mitnimmt!«
Pennyflax kratzte sich unterm Schlapphut. »Nix lieber als das. Aber wen?«
In dem Augenblick tippte ihm jemand auf die Schulter. Am Nachbartisch hatte sich der Außerirdische mit der Hornbrille erhoben, von dem er die Speisekarte bekommen hatte. Der rothäutige Kerl, dessen grünes Haarbüschel wie ein Staubwedel in die Höhe ragte, beugte sich zu ihnen herüber und sprudelte drauflos:
»Entschuldigt, wenn ich mich in euer Gespräch einmische … aber unter Umständen können wir uns gegenseitig helfen, rosso. Ich bin Erfinder, mein Name ist Bernardo Maschinski, und ich sitze seit Tagen an diesem ungastlichen Ort fest. Vorgestern habe ich die Gegend aus Forschungszwecken mit meinem Helios-Copter überflogen, um der Ursache der Mondbeben auf die Spur zu kommen. Ich hatte jedoch eine Panne und musste hier an der Raststätte notlanden. Da ich mein Werkzeug zu Hause vergaß, versprach mir Rupert Ranzig, mein Fluggerät in seiner Werkstatt zu reparieren. Doch, oh rosso! Seit gestern behauptet der Schuft, mein Helios-Copter wäre nicht in Ordnung zu bringen, was eine glatte Lüge ist!«
»Jetzt mal langsam, Herr Maschi-dingsda«, beruhigte Pennyflax den Außerirdischen und hörte im Hintergrund, wie die Bedienung erneut nach Rupert kreischte. »Wie sollen wir uns gegenseitig helfen, wenn dein Fluggerät Schrott ist, und warum sollte der ranzige Rupert flunkern?«
Bernardo Maschinski schnäuzte seine rote Knubbelnase, spähte ängstlich Richtung Küche und wisperte: »Das kann ich dir verraten. Ich sah, wie Rupert den Antrieb meines Fluggeräts ausbaute und seitdem dazu verwendet, seinen Bratofen, seine Fritteuse und die ganze Raststätte mit Strom zu versorgen. Es handelt sich um eine Solarbatterie, die aus Sonnenlicht Energie erzeugt und meinen Helios-Copter fliegen lässt. Aber für eine solche Belastung ist sie nicht gebaut! Ihr müsst mir einfach helfen, sie wiederzukriegen, bevor sie durchbrennt. Wenn uns das gelingt, nehme ich euch mit nach Kosmopolis. Rosso?«
Shirah tat der verzweifelte Erfinder leid. Er wirkte in seiner karierten Weste und der kurzen Hose, aus der seine Streichholzbeinchen herausragten, so verloren wie ein Tourist am Ende der Welt. Deshalb fragte sie nach: »Aber wieso hast du dir deine Batterie nicht schon längst zurückgeholt und den Abflug gemacht?«
»Weil Rupert Ranzig sie draußen neben dem Haus angebracht hat«, jammerte Bernardo Maschinski, »und zwar genau dort, wo der Wachhund angekettet ist!«
Luno wiegte nachdenklich seinen schimmernden Kopf. »Dies ist ein ernstes Problem, geschätzte Freunde. Sollte die Batterie wirklich dort sein, wäre sie praktisch verloren, denn Schweinehunde sind unmöglich auszutricksen.«
»Das lasst mal meine Sorge sein«, knurrte Pennyflax. »Dem Schwöter, halb Schwein halb Köter, spiele ich ’nen Streich mit einem Knochen, der an einer Schnur hängt, die ich ans Dach binde und hochziehe. Da glotzt der die ganze Zeit rauf und ich kann die Batterie stibitzen!«
»Nichts gegen deinen Einfallsreichtum«, gab Shirah zu bedenken. »Aber wenn Schweineöhrchen wirklich so streitlustig ist, zerreißt er dich zu Konfetti. Um den kümmere ich mich lieber … hab da genau das Richtige!« Sie grinste geheimnisvoll.
Pennyflax zog eine kritische Miene. Ihm passte es gar nicht, dass sich seine Freundin der geifernden Bestie ausliefern wollte. Andererseits vertraute er ihr und wusste, wie schlau sie war. Deshalb stimmte er nach einigem Überlegen zu. »Also gut. Bist aber vorsichtig, ja?!« Shirah nickte, und der Kobold fragte Bernardo, der inzwischen bei ihnen am Tisch saß: »Können Luno und ich auch helfen?«
Der Erfinder hob seinen Arm und deutete am Tresen vorbei zur Küche. »Rosso, ihr könnt. Seht ihr die Bildschirme, die im Dunst über der Fritteuse hängen? Rupert lässt sie niemals aus den Augen, denn sie zeigen die Bilder der Überwachungskameras innerhalb und außerhalb des Gebäudes. Während deine Freundin und ich die Batterie besorgen, müsst ihr beiden für Ablenkung sorgen, damit uns Rupert und seine Bedienung Roberta nicht auf dem Bildschirm sehen. Lasst euch irgendwas einfallen, wie zum Beispiel …« Bernardo Maschinski stockte, seine Augen weiteten sich hinter den Brillengläsern, und sein Finger, der noch immer Richtung Küche wies, begann zu zittern. Er stotterte: »Oh, nein! D… da k… kommt er! Da kommt Rrrr…rupert!«
In diesem Moment schälten sich aus dem Bratdunst, der im Gang zur Küche waberte, die Konturen eines mächtigen Außerirdischen. Er hatte vier Arme und vier Beine, die in scherenartigen Pranken endeten und ein Klappergeräusch produzierten. Auf seinem Kopf, der fast die Decke berührte, wippten zwei Fühler, und sein Körper wurde von Panzerplatten geschützt, die in einem Ozeanblau glänzten. Als er sich näherte, erkannten die Freunde, dass Rupert der Wirt einem Schalentier ähnelte – einem Hummer. Dennoch schien er beweglicher zu sein, da er das Restaurant in Windeseile durchquerte.
Sofort verstummten sämtliche Unterhaltungen in der Raststätte. Stühle wurden aus dem Weg gerückt, und irgendwer murmelte: »Jetzt gibt’s Ärger … der stammt von der Venus … und Venusianer verstehen gar keinen Spaß!«
Während Rupert auf seinen vier Beinen heran stampfte, folgte ihm die Robbe Roberta und zeigte auf den Tisch der Freunde. »Das ist die Bande!«, keifte sie. »Die wollten Vegetarisches bestellen und haben gar kein Geld!«
Olle Petze!, dachte Pennyflax und musste den Kopf in den Nacken legen, als Rupert am Tisch stehenblieb. Der Kobold blickte hinauf in das Hummergesicht des Wirts, bemerkte dessen rabenschwarze Knopfaugen und die Reihe von Beißwerkzeugen in seinem Maul, die sich bewegten und knirschten. Statt einer Nase wölbten sich auf seiner feuchten Haut vier Höcker, aus deren Öffnungen ein Schnauben drang und die einen starken Fischgeruch verströmten. Eine seiner Scherenhände umklammerte einen Bratspieß, an dem Fleischreste baumelten.
Ob ich dem Grobian gleich mal klarmache, was Sache ist?, fragte sich Pennyflax. Er gab sich einen Ruck, lüftete seinen Schlapphut und begrüßte den riesenhaften Wirt. »Ranzigen Sterntag wünsche ich, Herr Rupert. Oder sagt man hier Sternstunde? Egal … ich habe mit meinen Freunden eine wichtige Angelegenheit in Kosmopolis zu erledigen, weil die Finsterlinge euch Mondbewohnern das Arkanos klauen. Weißt schon, das Lichtsilber, das da draußen so rumleuchtet. Und du könntest uns helfen, flugs in die Stadt zu kommen, indem du Bernardos Solarbatterie rausrückst. Zur Belohnung würden wir auch niemandem erzählen, dass du diese ganzen Radikalen an deine Gäste verfütterst. Soll ja schließlich keiner denken, du würdest in deinem Schuppen Essen für Menschenfresser anbieten. Oder gar die Hygiene schleifen lassen. Abgemacht?«
Rupert Ranzig beugte sich wie in Zeitlupe zu dem Gast hinunter und funkelte ihn mit seinen schwarzen Knopfaugen an. Seine Fühler bogen sich nach vorne und berührten fast die Schultern des Kobolds. Schließlich öffnete er sein Maul, ließ ein Knirschen vernehmen und gluckerte mit einer tiefen Stimme, die vom Grunde des Meeres zu kommen schien: »Du bischt alscho der Klugscheißer, der Grünkram bestellt, meine Bedienung beleidigt und keinen müden Orbit hat! Und jetzt glaubscht du scheinbar, du könntest misch mit deinem verdrehten Geschwätz erpressen, wasch?! Hattescht wohl Linguistik-Linguini zum Frühstück, wie?!«
»Äh … um genau zu sein, hatte ich Knusper-Floskeln«, stammelte Pennyflax kleinlaut und wollte seinem Gegenüber von der Attacke der Finsterlinge berichten.
Doch Rupert Ranzig donnerte dazwischen: »Ruhe! Dasch war eine rhetorische Frage, auf die isch gar keine Antwort haben will! Du nimmscht jetzt deine Freunde und siehst zu, dasch du Land gewinnscht, sonst lasse isch meinen Hund von der Kette. Und wehe, du hetzt mir die Lebensmittelkontrolleure vom Gesundheitsamt auf den Halsch!«
»Wir kommen hier aber nicht weg«, murmelte der Kobold und senkte seinen Blick, weil der Wirt ihm gehörig Angst einjagte. »Hatten ’nen Absturz, und …«
»Ischt mir sowasch von Wurst und Conchita, Jungchen«, blaffte der Wirt. »Sehe isch deine Visage hier nochmal, mache isch Astronautennahrung aus dir!« Nachdem er seine Worte hatte wirken lassen, wandte er seinen Hummerkopf Bernardo zu. »Immer noch da?!«, gluckerte er den Erfinder an und knallte fünf Münzen auf den Tisch. »Wie oft scholl isch dir noch erklären, dasch dein Fluggerät kaputt ischt? Hier hascht du fünfzig Orbits für dasch Altmetall, dasch der Schrotthaufen bringt. Zufrieden?!«
Pennyflax fragte sich, ob man überhaupt Gefühlsregungen im Gesicht eines Hummers erkennen konnte. Doch er glaubte, ein Lächeln des Triumphs über Rupert Ranzigs Züge huschen zu sehen, als der Wirt mit seiner Scherenhand den Stapel Münzen, den er eben auf den Tisch gelegt hatte, wieder einkassierte.
»Leider musch isch dir die fünfzig Orbits für den Sauerstoff bereschnen, den du mir seit vorgeschtern weggeatmet hascht. Und jetzt rausch. Alleschamt!«
Luno, Shirah und Pennyflax rutschten mit ernsten Mienen von den Sitzbänken, soweit es die verklebten Polster zuließen, und schlichen Richtung Tür. Bernardo Maschinski schlurfte hinterher, ließ den Kopf hängen und hörte, wie die Musik und das Stimmengewirr wieder einsetzen. Beim Hinausgehen bemerkte er aus den Augenwinkeln das hämische Grinsen von Roberta.
Wieder draußen an der kühlen Luft, atmeten die Freunde tief durch und schüttelten ihren Ärger ab, der sich in Rupert Ranzigs Brutzelbude angesammelt hatte. Eine erfrischende Brise wehte über die Graslandschaft des Mare Nubium, und die große Dreiviertel-Erde leuchtete nach wie vor am dunkelblauen, gesprenkelten Sternenhimmel.
Shirah fand als erste die Sprache wieder. »So ein gemeiner und unhöflicher Grobian!«, beschwerte sie sich und schnupperte angewidert an ihren Zöpfen, in denen der Bratmief hing. »Den müsste die Mondgarde mal verhaften, damit er Reisenden nicht mehr diesen Fraß vorsetzen und sie auch noch bestehlen kann!«
Luno nickte. »Ich bin deiner Meinung, geschätzte Shirah. Doch bedauerlicherweise sind unsere Sicherheitskräfte voll und ganz mit den Finsterling-Diebstählen beschäftigt.«
Auch Pennyflax’ Wut verrauchte, indem er nach einer Lösung für die vertrackte Situation suchte. »Höchste Eisenbahn«, verkündete er, »dass wir die Ungerechtigkeit beenden und unseren Plan in die Tat umsetzen! Während sich Shirah und Bernardo den Schweinehund vorknöpfen und sich die Helios-Copter-Batterie krallen, sorgen Luno und ich für Ablenkung, damit Rupi und Robbi nix davon mitkriegen.« Er ließ seinen Blick über das Gelände der Raststätte schweifen und hielt Ausschau, ob sich eine Gelegenheit bot.
Da stach ihm ein Bus ins Auge, der gerade von der Gleiterbahn abbog und zum Parkplatz schwebte. Auf der Seite des Busses prangte das Bild eines Hamburgers, der rot durchgestrichen war und unter dem »Gammelfleisch nein danke!« stand.
Pennyflax begann über beide Ohren zu grinsen – soeben kam ihm eine Idee.