Читать книгу Das Enneagramm - Danny Hunter, Andreas Ebert W. - Страница 11
Durchbruch zum Ganz Anderen
ОглавлениеBeim Enneagramm geht es, vereinfacht gesagt, um die Frage: Weshalb stoßen wir Menschen bei unserer Auseinandersetzung mit dem Leben so häufig immer wieder nur auf unser Ego, anstatt durchzustoßen zum Ganzen, zum Ganz Anderen, zu Gott? In unserer heutigen egozentrischen Gesellschaft neigen wir in besonderem Maße dazu, in unseren eigenen Gedanken oder Gefühlen stecken zu bleiben. Deswegen ist Gott heute für viele Menschen des Westens, wenn sie ihn nicht ohnehin abgeschrieben haben, nichts anderes als ein Projektionsbild ihrer selbst: ein Gott, wie wir ihn brauchen, wollen oder gerne hätten. Die Begegnung mit dem Ganz Anderen, mit dem Nicht-Ich, findet nicht statt.
Die alten Meister und Seelenführer wollten, dass die Menschen ihre Blockaden und Vorurteile bzw. ihren „Wahrnehmungsstil“ erkennen, das heißt ihre Angewohnheit, das Leben aus einem fixierten Blickwinkel zu betrachten und zu gestalten. Im frühen Mönchtum nannte man solche Engführungen Passionen oder Leidenschaften. Sie führen dazu, dass ich jenen Teil des Lebens, den ich erkannt habe oder beherrsche, für das Ganze halte. Es geht darum, diese Leidenschaften zu identifizieren und zu überwinden, um zu lernen, die Wirklichkeit objektiv(er) wahrzunehmen. Es geht darum, zu Gott, dem ganz Objektiven, durchzudringen, dem Ganz Anderen, der für ChristInnen zugleich ganz der Unsere ist, indem er sich auf unsere Welt eingelassen hat und Teil von ihr geworden ist. Es geht darum, dass wir fähig werden, auf etwas anderes als auf uns selbst zu stoßen, auf jene „Macht, die größer ist als wir“ (Anonyme Alkoholiker).
Viele Kirchenfunktionäre treten leichtfertig im Namen Gottes auf und meinen, Gott verstanden zu haben. Dabei kann man meist sofort erkennen, dass sie nicht viel mehr ausstrahlen als ihr eigenes Temperament, ihre Vorurteile oder das, was sie sowieso schon wissen. Das ist einer der Gründe, weshalb die christliche Religion so sehr an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Viele Zeitgenossen können sie nicht mehr ernst nehmen. Sie erleben religiöse Menschen, die nicht authentisch sind und obendrein egozentrisch wirken, weil sie offensichtlich ihre ureigensten Ziele verfolgen, während sie einen frommen Jargon pflegen, als ginge es ihnen um nichts als um Gott und um Gottes Reich.
Das Enneagramm kann uns helfen, unsere Selbstwahrnehmung zu läutern, ehrlicher gegenüber uns selbst zu werden und immer besser zu unterscheiden, wann wir nur unsere eigenen inneren Stimmen und Prägungen hören und Gefangene unserer Vorurteile sind – und wann wir fähig sind, für Neues offen zu sein.
Ignatius von Loyola (1491 – 1556), der Gründer des Jesuitenordens, entwickelte eine geistlich und psychologisch hochsensible Methodik der geistlichen Menschenführung. Seine Exerzitien führen auf einen Übungsweg. Sie decken die Fallen auf, in denen die Seele gefangen ist, und leiten zur „Unterscheidung der Geister“ an, jener inneren und äußeren Stimmen und Impulse, die uns fortwährend beeinflussen. Die Unterscheidung vollzieht sich in drei Schritten: Es geht darum, 1. „die verschiedenen Regungen zu verspüren, die in der Seele verursacht werden“; 2. sie „zu erkennen“, das heißt ihre Herkunft und Zielrichtung zu verstehen und ein Urteil darüber zu fällen, ob sie mich konstruktiv auf das Sinn-Ziel meines Lebens hinlenken oder destruktiv von ihm wegführen; 3. zu diesen Regungen Stellung zu nehmen, das heißt sie anzunehmen oder abzuweisen.14 Ziel der Exerzitien ist es, das eigene Leben zu ordnen und Wege zur christlichen Freiheit zu finden. Sie wird durch eine personale Jesusbeziehung ermöglicht, in der wir fähig sind, den Anruf Christi an unser Leben zu hören, und bereit werden, in seinen Dienst zu treten.
Das Enneagramm ist ein verwandtes Hilfsmittel, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist einer der Gründe, weshalb eine Reihe von Exerzitienmeistern begonnen hat, neben den traditionellen ignatianischen Übungen auch das Enneagramm einzusetzen.