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Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

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Unsere Sünde („unerlöste“ Weltwahrnehmung) ist paradoxerweise auch die Methode, die uns hilft, an unsere Antriebskraft zu kommen. Wenn wir unsere „Lieblingssünde“ begehen, sind wir „voll da“. Deswegen können wir sie nicht einfach „aufgeben“. Sie gehört ja zur Art und Weise, wie wir unserem Leben Ziel und Richtung geben. Sie gehört zur Überlebensstrategie, die wir uns als Kind zugelegt haben, sie gehört zu dem Raum, in dem wir daheim sind. Wir alle sind „Gewohnheitstiere“. Wir ziehen uns immer wieder dorthin zurück, wo wir uns zu Hause fühlen. Deshalb ist dort, wo unsere Sünde daheim ist, auch unsere Gabe zu finden.

Ich (Richard Rohr) gehe dabei von mir selbst aus: EINSer sind idealistisch und perfektionistisch. Sie wollen die Welt vervollkommnen. Sie ärgern sich – meist heimlich –, weil die Welt nicht vollkommen ist. Gleichzeitig sind sie Genies der Wahrnehmung: Deutlicher als andere sehen sie, was tatsächlich nicht in Ordnung ist. Es kann für sie selbst und andere die Hölle sein, mit dieser Gabe zu leben. Wenn EINSer in ihrer Fixierung bleiben, werden sie hyperkritische Nörgler, Leute, deren Gegenwart anderen mit der Zeit auf den Geist geht. Denn zu viel des Guten wird automatisch etwas Schlechtes. Das gilt für alle neun Typen: Das Zuviel des Guten macht jede Gabe zum Fluch. Deshalb geht es um die Frage: Wie können wir unsere jeweilige Energie so freisetzen, dass sie dem Leben und der Wahrheit dient? Als EINSer weiß ich nicht, wie ich an meine eigene Energie herankomme, es sei denn dadurch, dass ich mich darüber aufrege, wie dumm und absurd diese Welt ist. Durch den Zorn (meine Hauptsünde!) zapfe ich tatsächlich meine beste Energiequelle an. Aber gleich im Anschluss muss ich genügend Freiheit besitzen, um mir zu sagen: „Jetzt reicht’s wieder!“ Ich muss mich von mir selbst lösen können: „Ja – aber … Ja, das alles stimmt schon, aber du übertreibst! Du hast Recht – aber du liegst auch falsch.“ Das ist die Funktion des „objektiven Beobachters“: Ich kann etwas wahrnehmen, aber auch wieder loslassen. Bindung und Freiheit arbeiten auf diese Weise konstruktiv zusammen. Nur wenige Menschen haben diese Freiheit. Vor allem in religiösen Kreisen begegnen einem häufig Ideologen: Rechte, Linke, Liberale, Konservative. Sie alle kontrollieren das Leben von einem imaginären Kontrollturm aus, der sich in ihrem Kopf befindet. Irgendwann wird das ermüdend. Solange alle an ihren Vorurteilen kleben und sich mit ihren vorgefassten Ansichten und Gefühlen identifizieren, ist echte Gemeinschaft unter Menschen unmöglich. Du musst an den Punkt kommen, wo du dich auch von deinen Gefühlen lösen kannst, sonst hast du am Ende keine Gefühle mehr, sondern die Gefühle haben dich. Manchmal begegnet man Menschen, die frei sind von sich selbst: Sie drücken aus, was sie bewegt – und können dann gleichsam einen Schritt zurücktreten. Sie bringen sich ein, aber man merkt ihnen an, dass sie nicht meinen, die Wahrheit gepachtet zu haben. Ohne diese Art von innerer Arbeit, die darin besteht, dass ich mich zugleich einbringen und relativieren kann, ist Gemeinschaft zum Scheitern verurteilt. Wie viele Kirchengemeinden scheitern zum Beispiel an der Unfähigkeit ihrer Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte, so miteinander umzugehen! Das zu lernen bedeutet harte Arbeit! Das ist weit mehr als ein unterhaltsames Gesellschaftsspiel.

Das Enneagramm

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