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3. Perspektiven seit 1945

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Konzentration auf das Werk

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches war man ziemlich enttäuscht über die geistesgeschichtliche Methode, obwohl deren Vorstellungen noch durchaus virulent waren, wenn man etwa immer noch die Frage nach dem Realisten oder Idealisten Wallenstein diskutierte. Karl S. Guthke gelang dann so etwas wie eine Befreiung: „Nicht den reinen Realisten und reinen Idealisten stellt Schiller gegenüber, sondern zwei Gestalten, die, je verschieden, zugleich an beide Seinsbereiche grenzen und beide an dieser Doppelstellung tragisch scheitern.“ (Guthke 1958, 110f.) Man konnte nun eine dezidierte Gegenreaktion registrieren, indem man sich möglichst auf das Werk konzentrierte, um jede Ideologie und Weltanschauung zu vermeiden, man strebte nach größtmöglicher Objektivität. Obwohl die Schiller-Forschung sich nun vorgeblich allein dem Werk zuwandte, hielt dieses mit seinen ästhetischen, philosophischen und historisch-zeitgebundenen Inhalten im Sinn eines kaum zu bändigenden Eigenlebens dagegen. Von Wiese bemerkte in seinem Werk Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel, das 1948 veröffentlicht wurde:

„Die übersinnliche, im Geistigen gründende menschliche Person, die Freiheit zum Erhabenen, gerät in einen schrecklichen Kampf mit den als Geschichte anbrandenden irdischen Mächten, die sie niederziehen, verstricken und versklaven wollen, so daß ihr am Ende nur der tragische und zugleich heilige Schritt des Opfers bleibt: Zeugnis für die transzendierende ewige Kraft des Menschen in einer vom Bösen verschlungenen, irdischen Welt.“ (Oellers 1976, LII)

Hier wurde die Wiederentdeckung des Dichters der geistigen, wenn auch nicht unbedingt der politischen Freiheit deutlich.

Marxistische Interpretationen

Marxistische Interpretationen fand man im westlichen Teil Deutschlands in der unmittelbaren Nachkriegszeit kaum, dagegen im östlichen um so mehr: In DDR-Interpretationen des Don Karlos ging es um die Frage nach Posas Willen im Sinn eines Kampfes für den Fortschritt der Menschheit. In der DDR interessierte man sich besonders für den Wilhelm Tell, den man – auch in Überbeanspruchung einer vereinseitigenden Lesart – mit der Französischen Revolution in Verbindung brachte, obgleich dieses Stück mitnichten ein direktes Bekenntnis Schillers zur Französischen Revolution war.

Forcierte Einheitlichkeit im Werk

Überhaupt muss, wenn man die Forschungsgeschichte von Schillers Tod bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts insbesondere für die Dramatik rekapituliert, festgestellt werden, dass insgesamt durch die Fokussierung auf den Ideengehalt der Dramen eine Einheitlichkeit im Werk gesucht und dementsprechend auch gefunden wurde, die vom Autor so niemals intendiert war. Anders gesagt: Schillers Dramatik wollte nie die Einheitlichkeit erzwingen, welche die Interpretierenden gern als Ergebnis präsentierten und was letztlich auch durch die Untersuchungsthese des deutschen Idealismus befördert wurde. Natürlich verwies man in den Fünfzigerjahren oft, hauptsächlich was die Dramatik betraf, auf die „existenzielle Problematik“ und interessierte sich für soziologische und psychologische Interpretationen (Koopmann 1998, 825 und 829f.).

Nationalausgabe

Eine Besonderheit stellte die Weiterführung der Nationalausgabe Schillers Werke durch Benno von Wiese und Lieselotte Blumenthal dar, denn sie war in der Zeit der größten politischen und mentalen Differenzen zwischen der BRD und der DDR das einzige Editionsprojekt, das beide deutsche Staaten gemeinsam durchführten. Wichtig wurden sowohl im westlichen wie auch im östlichen Teil die Jubiläen nach Kriegsende: Schillers 150. Todestag 1959 und sein 200. Geburtstag im gleichen Jahr.

Neuentdeckung des Historikers

Hier war Norbert Oellers zufolge das wichtigste Buch von Benno von Wiese, Friedrich Schiller (1959), es kam einer Revolution gleich, auch weil es auf den früheren „Götzendienst mit Schiller“ (Oellers 1976, V) verwies, wobei Dichtung, Philosophie und Geschichtsschreibung in einen überzeugenden Zusammenhang gesetzt wurden. Überhaupt war es Benno von Wiese zu verdanken, dass Schillers historische Werke zum einen mehr beachtet, zum anderen in eine kenntnisreiche Beziehung zur Dramatik und Philosophie gesetzt wurden. Bisher hatte Schiller als schlechter Historiker gegolten.

Gerhard Storz gab 1959 sein Werk Der Dichter Friedrich Schiller heraus. Auch darin wurden die Widersprüche in Schillers Werk übergangen, der Autor setzte den Fokus dezidiert auf den Dichter und abstrahierte ihn aus dem gesellschaftspolitischen und konkret historischen Bereich, indem er ihn in die Sphäre der schönen Kunst hob.

Existenzialismus

Allgemein konzentrierte man sich in der Analyse auf werkimmanente Methoden und beachtete Formen und Strukturen. Mittels existenzialistischer Rhetorik entkam man der konkreten historischen Verortung (Albert 1998, 785). Gern wurde der Aspekt der Freiheit in Schillers Werk betont und mit den Freiheitsrechten des Westens kurzgeschlossen. Die Nachkriegsperiode endete 1967 mit Emil Staigers Überblickswerk Friedrich Schiller. Staiger argumentierte noch, kurz vor dem Aufstieg des Strukturalismus, existenzialistisch: „Schiller wohnt in der Fremde des Lebens. Die Götter leihen ihm kein Pfand, und nicht im Wechselspiel von Geben und zartem Empfangen leuchtet er auf, sondern in der Geduld und Würde verschwiegenen Leidens und in heroischem Kampf.“ (Staiger 1967, 9) Für Koopmann war dies eine verspätet auf den wissenschaftlichen Markt kommende Darstellung, die weder geografisch noch an einzelnen Werken orientiert vorging, sondern alle Erörterungen an die Frage knüpfte, „wie sich, so Staiger, die höchste Freiheit mit der gültigsten Dichtung vereinigen lasse“ (Staiger 1967, 9). Daran schloss sich dann die Forschung von Oellers an.

Neue Aufmerksamkeit für die Lyrik

In der Frühzeit der Schiller-Forschung ist die Lyrik kaum untersucht worden, vielmehr standen die Balladen beziehungsweise die geflügelten Worte, die kursierten, im Vordergrund. Erst von Wieses Buch hat Schillers Lyrik in ihrer ganzen Bandbreite zugänglich gemacht. Den Durchbruch in deren überfälliger Neuinterpretation initiierte Hans Mayer 1960 mit seiner Untersuchung Schillers Gedichte und die Traditionen deutscher Lyrik, überhaupt sind relevante Untersuchungen zu Schillers Lyrik erst seit Mitte der 1960er Jahre veröffentlicht worden (Koopmann 1998, 819ff.).

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