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4 Die Reisen des Herrn M. (Teil 1)

Herr M. pflegte, wann immer er auf Reisen ging, sich in aller Ausführlichkeit von seinen Pflanzen zu verabschieden. Dabei spielte es keine Rolle, ob er für mehrere Wochen verreiste, nur über’s Wochenende, oder gar nur mal schnell mit der Straßenbahn in die Stadt fahren wollte, um kurz ein paar Besorgungen zu machen. Jedes Mal veranstaltete Herr M. eine Abschiedszeremonie, als ob er nie mehr nach Hause kommen würde. Denn genau das war seine Befürchtung. Ihm könne unterwegs etwas zustoßen. Und dies könne genauso irgendwo in der Ferne auf einer Weltreise geschehen, wie direkt vor seiner Haustür. Herr M. würde nie in Ruhe sterben und seinen Frieden finden können, in der Gewissheit, er habe sich nicht angemessen von seinen Pflanzen verabschiedet. So machte er auch heute, kurz vor seiner Abreise nach Paris, seine gewohnte Runde durch den Wintergarten, entlang der kakteenbestückten Fensterbretter, bis hin zu seinem kleinen Gewächshaus auf dem Balkon. Für jeden seiner grünen Freunde nahm sich Herr M. gleichermaßen Zeit. Kein Farn wurde einer Yuccapalme vorgezogen, oder umgekehrt. Vor die Pflanzen, die auf dem Boden standen, kniete Herr M. sich hin. Bei Fensterbänklern und Gewächsen, die über einen Meter Höhe hatten, schob er einen Stuhl zurecht, auf welchem er vor den Daheimbleibenden Platz nahm. Liebevoll betätschelte Herr M. Blattwerk und Stängel, Knospen und Blüten.

An die hundertfünfzig Lieblinge aus der Flora hatten sich über die Jahre in der Altbauwohnung des schrulligen, alten Mannes angesammelt. Und jedem seiner Objekte schenkte Herr M. zum Abschied zirka zwei Minuten. Sein Zug sollte um 14 Uhr 37 den Bahnhof verlassen. Jetzt war es kurz nach zehn Uhr vormittags und Herr M. hatte gerade mal die ersten fünfzehn, zwanzig Pflanzen verabschiedet. Ein bisschen würde er sich sputen müssen, um seine Bahn nicht zu verpassen, dachte er, während er sich über einen Kaktus mit langen gelblichen Dornen beugte. „Leb wohl, mein Schatz.“, flüsterte Herr M. „Ich werde Dich vermissen. Sei nicht traurig…“

Und so weiter. Und so weiter.

Auf die Dauer ein ziemlich langweiliges Gewäsch.

Ich schlage vor, wir lassen Herrn M. erst mal allein und kommen wieder, wenn er am Bahnhof ist. Vorausgesetzt, er schafft es rechtzeitig.

Bis dann…


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