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3.2 Medizinische Mikrobiologie

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Die Vermehrung körperfremder Erreger in einem Organismus wird als Infektion bezeichnet. Diese muss nicht zwangsläufig für den Wirt schädlich sein. Von einer Krankheit spricht man, wenn der Erreger so starke Schäden verursacht, dass der Wirtsorganismus in seiner Funktion gestört wird. Krankheitsauslösende Erreger werden auch als Pathogene bezeichnet.

Ein pathogener Erreger muss in der Lage sein, von einem Reservoir (Infektionsquelle) zu seinem Wirt zu gelangen, in den Wirtsorganismus einzudringen und der Immunabwehr zu widerstehen, sodass er sich vermehren kann. Der infizierte Wirt kann dabei selbst als Infektionsquelle fungieren und den Erreger über die Atemwege (Schleimtröpfen), den Magen-Darm-Kanal (Faeces), die Harnwege, die Genitalien, die beschädigte Haut sowie über das Blut ausscheiden. Die anschließende Übertragung des Erregers von der Infektionsquelle auf einen neuen Wirt findet durch direkten oder indirekten Kontakt statt. Der so entstehende Kreislauf wird als Infektionskette bezeichnet.


Bild 8: Vereinfachte Darstellung einer Infektionskette

Eine direkte Übertragung von der Infektionsquelle auf den Wirt findet durch Tröpfcheninfektion während des Sprechens, bei Niesen und Husten, durch Hautkontakt beim Händeschütten, bei Sexualkontakten oder von der Mutter auf das ungeborene Kind statt. Bei der indirekten Übertragung ist ein Transportmittel notwendig. Dies können kontaminierte Lebensmittel und Wasser, Gegenstände, z. B. Wäsche, Toiletten, Türklinken oder Ausscheidungen (Urin und Kot, Schleimtröpfchen auf Oberflächen) von infizierten Menschen und Tieren, das Blut infizierter Lebewesen und kontaminierte Injektionsnadeln sein.

Häufig spielen Vektoren wie z. B. Insekten eine wichtige Rolle. Der Erreger wird dabei durch einen lebenden Organismus (ein Vektor) von einem infizierten Tier auf einen Menschen oder ein anderes Tier übertragen. Zu den Vektoren gehören z. B. die Steck- und Sandmücken, Zecken, Fliegen, Flöhe und Läuse. Zum Vektorübertragene Krankheiten gehören z. B. Malaria, Lyme-Borreliose, Pest, Denguefieber, West-Nil-Fieber, Leishmaniose und Trypanosomiasis. Aufgrund des Klimawandels ist zukünftig auch in Europa verstärkt mit vektorübertragenen Krankheiten zu rechnen, die bisher nur in südlichen Ländern auftraten.

Pathogene, die sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse wie Sonnenlicht oder Trockenheit reagieren, können nur durch direkten Kontakt übertragen werden. Erreger, die längere Zeit auch außerhalb eines Wirtes überleben, können sowohl direkt als auch indirekt übertragen werden.

Nach der Übertragung muss der Erreger in den Organismus des Wirts eindringen. Die Körperoberfläche bildet dagegen eine natürliche Barriere, die auf physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren, wie der mechanischen Barrierefunktion der intakten Haut, ihrem sauren pH-Wert und der Besiedlung der Körperoberfläche mit einer Vielzahl an Mikroorganismen basiert. Verletzungen, Insektenstiche (bei vektorübertragenen Krankheiten) oder mangelhaft desinfizierte Injektionsstellen erleichtern Erregern das Überwinden dieser Barriere. Viele Erreger benötigen spezifische Eintrittspforten, wie die Atemwege, den Magen-Darm-Trakt, die Schleimhäute, die Harnwege oder den Genitalbereich.

Nach dem Eindringen in den Wirtsorganismus verbreiten sich verschiedene Mikroorganismen über die Blutbahn oder das Lymphsystem im Körper, während andere lokal wirken. Innerhalb des Wirtskörpers muss ein Pathogen dem Abwehrsystem des Wirts widerstehen können. Das Immunsystem richtet sich sowohl selektiv als auch unspezifisch gegen körperfremde Stoffe. Pathogene Mikroorganismen können dabei durch gegen sie gerichtete Enzyme biologisch abgebaut als auch durch Abschotten von anderen Körperbereichen unschädlich gemacht werden. Gegen die Immunabwehr des Wirtsorganismus haben Erreger verschiedene Methoden entwickelt. Rickettsien (Auslöser des Fleckfiebers) verstecken sich im Zytoplasma ihrer Wirtszellen. Verschiedene Viren verstecken ihr Erbgut durch Einschleusen in die DNA der Wirtszelle. Wird die Gastzelle durch äußere Einflüsse geschwächt, beginnt der Virus, die Zelle umzuprogrammieren (Herpes-simplex-Viren).

Das Vermögen eines Pathogens, nach einer Infektion tatsächlich eine Krankheit auszulösen, wird als Virulenz bezeichnet. Die Virulenz stellt dabei einen quantitativen Begriff der Pathogenität dar, der nicht an absolute Zahlen gekoppelt werden kann. Die Virulenz wird durch die Infektionsdosis ID50 (nicht zu verwechseln mit der handlungsunfähig-machenden Dosis (Incapacitating Dose, ID) bei chemischen Gefahrstoffen) ausgedrückt. Das ist die Erregeranzahl, deren Aufnahme bei 50 Prozent einer Population zu einem Krankheitsausbruch führt. Je kleiner die Infektionsdosis eines biologischen Agens, desto größer ist sein Vermögen, eine Krankheit auszulösen und damit seine Virulenz.

Tabelle 14: Virulenz verschiedener Infektionskrankheiten


MikroorganismusKrankheitInfektionsdosis ID50

Ein wesentlicher Faktor für die Infektionsdosis ist der Aufnahmeweg in den Körper. Beispielsweise ist bei Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt eine wesentlich höhere Infektionsdosis erforderlich als bei Inhalation. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Mikroorganismen durch den Kontakt mit der Magensäure abgetötet werden. Virulenz und Infektionsdosis stehen außerdem in Zusammenhang mit dem Abwehrsystem des Wirts. Die Funktion der körpereigenen Immunabwehr kann sowohl individuell als auch in Abhängigkeit von den Lebensumständen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Zu den Faktoren, die das Immunsystem beeinflussen, gehören Stress, Schlafmangel und Ernährungszustand. Daneben existieren Risikogruppen mit niedrigerer Widerstandskraft, wie Kleinkinder, ältere Menschen, und Menschen mit Erkrankungen des Immunsystems.

Die Zeit vom Kontakt des Erregers mit dem Wirt bis zum Auftreten erster klinischer Symptome wird als Inkubationszeit bezeichnet. Diese Zeitspanne kann in Abhängigkeit vom Erreger einige Stunden bis zu mehreren Jahren betragen. Innerhalb der Inkubationszeit kann der Wirt unbewusst als Infektionsherd fungieren, ohne selbst Symptome zu zeigen. Die Zeitspanne zwischen der Infektion und der Fähigkeit andere zu infizieren, ist die latente Periode.

Infektionskrankheiten, die direkt oder indirekt von Wirbeltieren auf den Menschen übertragbar sind, werden als Zoonosen bezeichnet. 60 Prozent der bekannten Infektionskrankheiten werden zu den Zoonosen gezählt, darunter die Pest, die Tollwut, Milzbrand, Borreliose und Ebola. Neben den bekannten Zoonosen besteht die Gefahr, dass bisher unbekannte Erkrankungen von tierischen Wirten auf den Menschen überspringen können. Eine tierische Population, in der ein Erreger dauerhaft vorkommt, wird als Reservoir bezeichnet. Das Auftreten von Ebola, dem Vogelgrippe-Virus H5N1 und zuletzt SARS-CoV-2 sind aktuelle Beispiele einer Virusübertragung von einem Reservoir auf den Menschen.

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