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III. Bearbeitung der Beispielsfälle

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Die für den Strafverteidiger wichtigsten Gebührentatbestände finden sich in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses (Strafsachen). Dabei trägt Abschnitt 1 dieses Teils den Titel „Gebühren des Verteidigers“. Zur Abrechnung der in Fall 1 genannten Konstellation sind die Unterabschnitte 1-3 heranzuziehen. Unterabschnitt 1 enthält allgemeine Gebühren. So entsteht dem Rechsanwalt in Fall 1 eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. Weiterhin entsteht für die Tätigkeit im Ermittlungsverfahren zwingend (vgl. Nr. 4100 Anm. 1 VV: „neben“) eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV (Unterabschnitt 2). Die Gebühren für das gerichtliche Verfahren sind dem Unterabschnitt 3 zu entnehmen. Neben die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht, Nr. 4106 VV tritt schließlich die Terminsgebühr für den vom Verteidiger wahrgenommenen Hauptverhandlungstag beim Amtsgericht gem. Nr. 4108 VV. Für weitere Hauptverhandlungstage entsteht jeweils eine neue Terminsgebühr. Für seine Tätigkeit in Fall 1 kann der Rechtsanwalt somit vier verschiedene Gebühren abrechnen. Dazu kommen noch die Auslagen (Teil 7).

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Jeder dieser Gebührentatbestände enthält eine Mindest- und eine Höchstgebühr. So beträgt der Gebührenrahmen der Grundgebühr 40,00 € bis 360 €. Die konkrete Gebührenhöhe bestimmt der Rechtsanwalt nach billigem Ermessen gem. § 14 RVG, also unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Als Richtwert kann dabei die Mittelgebühr, in diesem Fall mithin 200 €, herangezogen werden.

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In Fall 2 ist die Haftsituation des Mandanten zu berücksichtigen. Nach Vorbemerkung 4 Abs. 4 VV entsteht die Gebühr mit Zuschlag, sofern sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet. Der erhöhte Aufwand für den Rechtsanwalt soll dadurch entsprechend abgegolten werden. Anstatt der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV entsteht nunmehr die Gebühr mit Zuschlag gem. Nr. 4101 VV. Ebenso verhält es sich bei den weiteren Gebühren (Nrn. 4105, 4107, 4109 VV anstelle von Nrn. 4104, 4106, 4108 VV). Die Gebühr mit Zuschlag weist jeweils eine erhöhte Höchstgebühr aus, was Auswirkung auf die im Einzelfall gem. § 14 RVG konkret zu bestimmende Gebührenhöhe hat. Darüber hinaus entsteht in Fall 2 noch die Terminsgebühr für die Teilnahme am Haftprüfungstermin, natürlich ebenfalls mit Zuschlag, Nrn. 4103 Ziff. 3, 4104 VV.

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Unterabschnitt 3 enthält die Gebührentatbestände für das Rechtsmittelverfahren. So entstehen in Fall 3 neben den bereits genannten Gebühren zusätzlich die Verfahrens- und Terminsgebühren im Berufungsverfahren, Nrn. 4124, 4126 VV sowie zumindest die Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren gem. Nr. 4130 VV. In Fall 4 hingegen erhält der Verteidiger mangels Tätigwerden natürlich keine Gebühren für die vorgegangenen Instanzen. Neben die Verfahrensgebühr für die Tätigkeit im Revisionsverfahren nach Nr. 4130 VV tritt indes die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV, da er sich zur Verteidigung im Revisionsverfahren erstmalig in den Rechtsfall einarbeiten musste. In Anbetracht der dortigen Gebührenrahmen wird besonders deutlich, dass eine kostendeckende Verteidigungstätigkeit im Revisionsverfahren nach gesetzlichen Gebühren selbst unter Heranziehung der Höchstgebühr nicht möglich ist.

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Die Gebühren im gerichtlichen Verfahren richten sich anhand der Ordnung des zuständigen Gerichts. So wird ein Verfahren vor dem Amtsgericht niedriger vergütet als ein Verfahren vor dem Schwurgericht. Für die Tätigkeit im Schwurgerichtsverfahren, Fall 5, ist die Verfahrensgebühr der Nr. 4118 VV (bei Inhaftierung Nr. 4119 VV) und die Terminsgebühr der Nr. 4120 VV (bei Inhaftierung Nr. 4121 VV) zu entnehmen.

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In Fall 6 entsteht zunächst nach den voranstehenden Grundsätzen die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV sowie die Gebühr im vorbereitenden Verfahren gem. Nr. 4104 VV. Da es aufgrund der Einstellung jedoch nicht zum gerichtlichen Verfahren kam, entstehen keine Gebühren aus dem Unterabschnitt 3. Dennoch soll der Verteidiger für seine Tätigkeit, die die Hauptverhandlung entbehrlich machte, vergütet werden. Einschlägig ist hier die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 VV. Wird das Verfahren erst nach Anklageerhebung eingestellt, so entsteht die Gebühr neben der Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren. Wird das Verfahren hingegen erst in einer Hauptverhandlung eingestellt, so ist die Tätigkeit des Verteidigers durch die entsprechende Terminsgebühr abgegolten, ohne dass noch die Befriedungsgebühr der Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 VV anfiele.

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Die gesetzliche Vergütung des notwendigen Verteidigers erfolgt grundsätzlich anhand derselben Gebührentatbestände wie beim Wahlverteidiger. Allerdings weist das Vergütungsverzeichnis für den beigeordneten oder den bestellten Verteidiger Festgebühren auf, so dass die Gebührenhöhe nicht vom Einzelfall abhängig ist. Dass der Verteidiger in Fall 7 erst in der Hauptverhandlung als Pflichtverteidiger bestellt wurde, spielt keine Rolle, da eine Erstreckung der Bestellung auf die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts stattfindet, § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG. Der notwendige Verteidiger erhält folglich eine Grundgebühr, die Verfahrensgebühren im vorbereitenden sowie im gerichtlichen Verfahren und eine Terminsgebühr. Darüber hinaus bekommt er – anders als der Wahlverteidiger – noch eine zusätzliche Gebühr, da die Hauptverhandlung länger als fünf Stunden dauerte, Nr. 4110 VV.

In den weiteren Unterabschnitten und Abschnitten des Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses werden weitere Tätigkeiten des Verteidigers aufgeführt, denen bestimmte Gebührenrahmen zugeordnet werden. Beispielhaft sei auf den Abschnitt 2 über die Gebühren in der Strafvollstreckung hingewiesen. So erhält der Rechtsanwalt in Fall 8 eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4200 Ziff. 3 VV sowie im Falle eines wahrgenommenen Termins eine Terminsgebühr gem. Nr. 4202 VV. Die Grundgebühr der Nr. 4100 VV fällt hingegen nicht an, da sie in Abschnitt 1 geregelt und in Abschnitt 2 nicht aufgeführt ist.

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Die Vergütung des Verteidigers in Bußgeldsachen ist in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses eigens geregelt. Die Gebührentatbestände sind jedoch weitgehend vergleichbar. In Fall 9 entsteht eine Grundgebühr nach Nr. 5100 VV, für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren eine Verfahrensgebühr, deren Höhe von der jeweiligen Geldbuße abhängig ist (Nrn. 5101 ff. VV) und für die Tätigkeit vor dem Amtsgericht eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr, die wiederum von der Geldbuße abhängt (Nrn. 5107 ff. VV). Ferner wird die Tätigkeit im Verfahren über die Rechtsbeschwerde durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 5113 VV abgegolten. Und schließlich entsteht nach Rücknahme der Rechtsbeschwerde die zusätzliche Gebühr gem. Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 4 VV.

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Zusätzlich zu den Gebühren können sowohl der Wahl- als auch der notwendige Verteidiger ihre Auslagen geltend machen. Neben den Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nrn. 7001 f. VV gilt dies für die Herstellung bestimmter Dokumente, insbesondere für die Anfertigung einer Kopie oder eines Ausdrucks der Ermittlungsakte, Nr. 7000 Ziff. 1a VV. Im Falle der Wahrnehmung eines auswärtigen Termins als Geschäftsreise, wie in Fall 10, kann der Verteidiger weiterhin seine Fahrtkosten geltend machen, Nrn. 7003 f. VV. Darüber hinaus erhält er ein Tage- und Abwesenheitsgeld, das der Höhe nach von der Dauer der Geschäftsreise abhängig ist, Nr. 7005 VV. Endlich wird auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen die Umsatzsteuer erhoben, Nr. 7008 VV.

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