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II.

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»Sie glauben also, Ihnen hätte jemand zwei Morde gestanden, aber Sie sind sich nicht sicher, ob das auch stimmt. Ist das soweit richtig, Hochwürden?«

Bronstein ließ den Blick auf dem Geistlichen ruhen, der unruhig auf dem Besuchersessel hin und her rutschte. »Schauen Sie, Herr Kommissar, eigentlich hat mir der Mann seine Tat in der Beichte anvertraut. Also gilt das Beichtgeheimnis. Ich dürfte Ihnen ergo nicht einmal unter Androhung der Folter davon berichten, was der Mann mir gesagt hat. Aber andererseits war es ja gar keine vollständige Beichte, da ich nicht dazu kam, ihm die Absolution zu erteilen, und außerdem besteht immerhin die Möglichkeit, dass seine Opfer noch leben, sodass sie eventuell gerettet werden könnten. Und wer weiß«, fügte der Pater hinzu, »ob er es sich dann nicht doch wieder anders überlegt und sie ganz totmacht, falls sie noch am Leben sein sollten.«

»Nun, der Gedanke ist nicht abwegig«, konzedierte Bronstein. »Wann war der Mann bei Ihnen?«

»Ich würde sagen, vor einer guten halben Stunde. Sowie er aus der Kirche geflohen ist, habe ich vor dem Dom ein Taxi genommen und bin hierher gefahren. Die Tat, von der er sprach, müsste demnach vor knapp fünf Stunden begangen worden sein.«

Bronstein seufzte. »Aber Hochwürden, wie stellen Sie sich das vor? Wir können doch unmöglich ganz Wien durchkämmen, um herauszufinden, ob irgendwo jemand einer Gasvergiftung erlegen ist. Und solange nicht erwiesen ist, dass jemand einem Verbrechen zum Opfer fiel, gibt es für uns auch keinen Fall und daher auch keinen Verdächtigen. Es tut mir leid, aber ich wüsste nicht, wo ich hier zu einer konkreten Handlung ansetzen sollte.«

Die Miene des Paters gefror. »Ich habe mein Möglichstes getan. Ich habe das Beichtgeheimnis verletzt, um zwei Menschen zu retten. Wenn Sie nichts tun, dann liegt das in Ihrer Verantwortung. Nicht in meiner!«

»Beruhigen Sie sich, werter Herr Pfarrer«, begütigte ihn Bronstein, »niemand wird Sie irgendeiner Fehlleistung beschuldigen. Aber wir wissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ja nicht einmal, ob das überhaupt stimmt, was der Ihnen erzählt hat. Vielleicht ist das nur ein Gestörter, der sich das ausgedacht hat. Dann wäre es doppelt unangenehm, wenn wir hier mit der vollen Mannschaft ausrücken und ein Hornberger Schießen veranstalten würden. Nein, nein, Hochwürden, gehen Sie beruhigt nach Hause auf den Stephansplatz. Sollte uns wirklich ein Fall gemeldet werden, der den von Ihnen gemachten Beobachtungen entspricht, werde ich Sie natürlich sofort aufsuchen, denn dann können Ihre Ausführungen für uns von größter Wichtigkeit sein.«

Der Gottesmann zögerte noch eine kleine Weile, dann erhob er sich, nickte kurz und verließ Bronsteins Büro. Der seufzte noch einmal, schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seiner Zeitungslektüre zu.

Als Bronstein von der Mittagspause zurückkehrte, war er eben im Begriff, sich an seinen Schreibtisch zu setzen, als sich Pokorny vernehmen ließ: »Wir haben zwei Tote in der Beatrixgasse. Gasvergiftung. Aber der …« Bron­stein fuhr hoch: »Was sagst du da?«

»Beatrixgasse 7. Weißt eh, dritter Bezirk. Zwei Tote durch Gasvergiftung, Verdacht auf Fremdeinwirkung«, wiederholte Pokorny ungewöhnlich wortkarg. Bronstein war in der Zwischenzeit auf ihn zugestürmt, hatte ihn am Ärmel gepackt und Richtung Ausgang geschoben. Vor dem Präsidium sprang Bronstein überraschend behände in den eben einfahrenden Ringwagen und trieb Pokorny zur Eile an. »Ich versteh’ gar nicht, warum es dich auf einmal so pressiert. Ich mein’, die zwei sind in einer halben Stund’ auch noch tot. Da brauch’ ma jetzt nicht hetzen wie die wilde Jagd.«

»Doch, weil … ach was, ich erklär’s dir später.«

In der Beatrixgasse angekommen stürmte Bronstein förmlich die Treppe hinauf und kam erst zur Ruhe, als er in der genannten Wohnung die Bescherung mit eigenen Augen sah. Am Boden lagen ein ziemlich geckenhaft aussehender Mann von Anfang, Mitte 20 und eine grelle Blondine mit üppigen Brüsten, die sich in einem ähnlichen Alter befunden haben musste. Beide waren nackt, was Pokorny zu einem verlegenen Hüsteln veranlasste. Bronstein wandte sich an den Hausmeister, der den Beamten in die Wohnung gefolgt war.

»Wissen Sie, wer die Toten sind?«

»Die Frau ist die Marie Oberhollerer. Sie ist … war, wenn S’ so wollen, Herr Inspektor, die Schwester vom Wohnungsmieter, dem Josef Oberhollerer. Den Herrn da, den kenn ich nicht. Der ist da fremd.«

Bronstein nickte kurz. »Und wann haben S’ die zwei da g’funden?«

»Ich?« Der Hausmeister gab sich erstaunt. »Ich gar nicht. Vor einer halben Stund’ hat mich der Oberhollerer aus der Wohnung pumpert und hat g’schrien, ein Unglück ist g’scheh’n. Na bin ich rauf, nachschau’n, ned? Und da hab ich das da g’seh’n.« Dabei deutete er auf die Toten. »Na, bin ich sofort wieder runter, doch da war der Oberhollerer schon nimmer da. Ich hab’ mir gleich denkt, da stimmt was nicht, weil sonst pascht der ja nicht einfach so ab, und drum bin ich zum Hirschen in der Ungargasse gangen, weil der ja ein Telefon hat. Na und von dort hab’ ich dann Sie ang’rufen.«

Bronstein blieb nur, seine ursprüngliche Kopfbewegung zu wiederholen. »Oberhollerer, sagen Sie?«, meinte er dann, Bestätigung heischend, in Richtung des Hausmeisters. Worauf dieser es Bronstein nachmachte und ebenfalls nickte. »Gut. Dann lassen wir einmal die Kollegen ran. Die sollen die zwei auf die Gerichtsmedizin bringen. Aber so, wie’s ausschaut, ist das Ergebnis eh klar. Und ein Geständnis hamma praktisch auch.«

»Ah, war das gar kein Unglück, war das ein Mord?«

Bronstein ärgerte sich insgeheim darüber, sich in Gegenwart des Hausmeisters verplappert zu haben, doch gelang es ihm, seinen Fehler rasch auszubügeln. »Na ja, wenn es ein Unfall gewesen wäre, dann wär’ der Oberhollerer ja ned abpascht, ned wahr?« Der Hausmeister gab sich mit dieser Antwort zufrieden.

Zwei Stunden später saß Pokorny bei Bronstein im Büro und referierte, was er bei den diversen Behörden über Oberhollerer in Erfahrung gebracht hatte. Polizeilich war der Mann zwar noch nicht aktenkundig geworden, aber es existierten Aufzeichnungen über ihn beim Bundesheer und beim Arbeitsamt. Demnach war Oberhollerer unmittelbar nach dem großen Krieg beim Heer geblieben, ehe er vor zwei Jahren aus dem Militärdienst entlassen worden war. Er hatte sich als Tellerwäscher in einem Restaurant, als Tischabräumer in einem Café und zuletzt als Brotschani in einer Buschenschank durchgeschlagen, war nun aber bereits seit einem Jahr arbeitslos und daher ausgesteuert. Von der Hausverwaltung der Beatrixgasse erfuhren sie weiters, dass Oberhollerer zuletzt mit der Miete in Rückstand geraten war, sodass seine Delogierung nur noch eine Frage weniger Wochen war.

Seine Schwester wiederum war seit einem Jahr in der Beatrixgasse gemeldet gewesen. Fast zehn Jahre jünger als ihr Bruder, dürfte sie keinerlei Beschäftigung nachgegangen sein. Der Hausmeister hatte jedoch bei der Befragung angegeben, dass sie wohl als ›Geheime‹ angeschafft habe, wenngleich er, der Hausmeister, natürlich nichts gesagt haben wollte. Ob nun der zweite Tote ein Freier oder aber der Liebhaber der Maria Oberhollerer war, ließ sich vorerst nicht sagen, da über seine Identität nichts in Erfahrung zu bringen war. Zwar gab es die Aussage des Paters, wonach der Mann Christoph geheißen hatte, doch Christophs gab es viele in Wien. Bronstein beschloss, diese Frage vorläufig außer Acht zu lassen. Stattdessen gab er Pokorny den Auftrag, eine Großfahndung nach Josef Oberhollerer hinauszugeben. Er war zwar mehr als skeptisch, dass der Mann auf diese Weise wirklich geschnappt werden konnte, doch schadete es auch nichts, die größeren Bahnhöfe überwachen zu lassen, wenngleich die Personenbeschreibung, die man geben konnte, mehr als vage war.

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