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II.

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Was hatte er sich da wieder aufschwatzen lassen? Bronstein stöhnte still in sich hinein, ehe er wieder auf die Opernkarten blickte. Gleich am Morgen war der Hofrat bei ihm im Zimmer angetanzt und hatte ihm zwei Billetts für die Aufführung von Rigoletto am selben Abend auf den Tisch gelegt. »Meine Frau ist unpässlich, und ich muss ohnehin mit dem Herrn Präsidenten soupieren. Also ist das die willkommene Gelegenheit für Sie, endlich einmal wieder etwas Kulturluft zu schnuppern. Gehen S’ ruhig! Ist eine gute Oper. Verdi. Da ist immer etwas los. Und die Titelpartie wird von diesem jungen Rumänen gesungen, von dem alle sagen, er ist der neue Caruso. Der soll noch besser sein als der Kiepura.«

Natürlich sagte der Name Traian Grozavescu Bronstein rein gar nichts. Auch Jan Kiepura war ihm völlig unbekannt, und Caruso bedeutete ihm kaum mehr als ein fernes, fernes Klingeln in den hintersten Bereichen seines Gehirns, welches ein »da war doch was« umschrieb. Ja, er wusste nicht einmal, worum es in Rigoletto überhaupt ging.

»Nehmen S’ Ihnen ein fesches Mäderl mit, das können S’ mit den Karten da beeindrucken!«

»Aber Herr Hofrat, ich wüsste nicht, wen …«

»Ach papperlapapp! Die kleine Doleschal von der Registratur, die schaut Sie doch eh immer so sehnsüchtig an. Ich bin mir sicher, die sagt Ja, noch bevor Sie sie gefragt haben.« Bronstein bemühte vergeblich die Schatztruhen seines Gedächtnisses. Eine Doleschal kam da nicht vor. »Wer soll denn das sein? Die hagere Brünette? Die üppige Blondine? Die blade Schwarze?«

»Bronstein, wie reden S’ denn daher! Ich muss doch sehr bitten! So spricht man doch nicht über Damen. Obwohl, zugegeben, die Bruckner is scho ziemlich blad. Aber die is ja auch keine Dame, bitte schön. Na, na, die Doleschal. Das ist die Brünette mit den sinnlichen Lippen. Ich geb schon zu, ihr fehlt’s a bisserl an dem, was Männer wild macht, aber Sie sollen ja mit ihr auch in die Oper und ned ins Separee. Alsdern, Bronstein, fragen Sie sie. Sie wird ned Nein sagen.«

»Aber …«

»Sagen S’ jetzt nur ned, Sie haben heut Abend schon was vor, weil sonst werd’ ich fuchtig! Wissen S’ was, Bron­stein, das is eine Weisung.« Der Hofrat grinste breit, und Bronstein konnte nur noch nicken.

In der Mittagspause nahm er all seinen Mut zusammen. Er trank noch schnell einen Slibowitz, dann nahm er einen alten Akt, der schon lange auf Pokornys Schreibtisch verschimmelte, und ging unsicheren Schritts in die Registratur.

»Na so was, der fesche Herr Major Bronstein! Beehrt mich da mitten am helllichten Tag! Sie sind mir aber ein ganz Forscher. So schamlos die weibliche Schwäche ausnützen, das hamma schon gern.«

»Äh …«

»Sie kommen sicher wegen dem Akt, gell. Ich kenn aber einen viel besseren Akt. Soll ich Ihnen den zeigen, Herr Major? Soll ich?«

»Können S’ bitte ihre Bluse geschlossen halten, Frau Bruckner. Das wär’ echt zuvorkommend von Ihnen. Und den Akt habe ich, wie Sie vielleicht bemerkt haben, in der Hand und ned vor meiner Brust. Da suchen S’ also vergeblich nach ihm.«

Augenblicklich war das maliziöse Lächeln im Gesicht der Bruckner verschwunden. »Dann halt ned, depperter Itzig«, murmelte sie, während sie sich umdrehte. Bronstein hatte die Worte dennoch deutlich gehört. Er überlegte, ob und wie er regieren sollte, als plötzlich das Fräulein Doleschal den Raum betrat. »Da bin ich wieder, Sissi …, oh, der Herr Major Bronstein. Schönen guten Tag zu wünschen.«

»Bemüh dich ned. Der is stocksteif wie ein Stockfisch. Und ned an der richtigen Stell’, wennst mich fragst.«

Bronstein sah die Doleschal erstmals mit anderen Augen, als sie ob der herabsetzenden Aussage der Bruckner hold errötete. Sie blickte betreten zu Boden und scharrte verlegen mit den Füßen. »Fräulein Doleschal«, hörte sich Bronstein in die Stille sagen, »die Freude ist ganz meinerseits. Ob ich Sie vielleicht auf ein Wort unter vier Augen …« Dabei fixierte er die Bruckner, als wäre sie eine zum Angriff bereite Giftschlange. »Hab’ schon verstanden«, grollte diese und trollte sich. »Was wünschen Sie denn, Herr Major?«, fragte die Doleschal kaum hörbar.

»Ich hab’ da ein kleines Problem. Ich hab’ für heute Abend zwei Opernkarten, hab’ aber noch keine Begleitung. Ich mein’, ich hoff’, Sie versteh’n das jetzt nicht falsch … meine diesbezügliche Anfrage ist vollkommen honetter Art, und ich frag’ auch nur, weil man mir gesagt hat, dass Sie gern in die Oper geh’n … also … was ich sagen … äh fragen will, ist, ob Sie vielleicht …«

»Heute spielen sie ›Rigoletto‹«, hauchte die Doleschal ganz vergeistigt. »So eine wunderbare Oper. Ja, die tät ich sehr gern seh’n, Herr Major. Und natürlich weiß ich, dass dieses Angebot keineswegs anzüglich gemeint ist. Sie sind schließlich als absoluter Ehrenmann im ganzen Haus bekannt.«

Ohne es zu wollen, schlug Bronstein die Hacken zusammen und verbeugte sich dabei leicht. »Dann darf ich das gnädige Fräulein heute um halb sieben abholen?«

Die Doleschal kicherte verlegen. »Ja, das dürfen S’, Herr Major.«

»Bedanke mich höflichst. Man sieht sich!« Bronstein war ob der Doleschalschen Zusage ganz flau im Magen geworden. Er spürte, wie seine Beine zu zittern begannen, und so wollte er nur noch so rasch als möglich aus dem Zimmer fliehen. Er verbeugte sich, drehte sich um und strebte der Tür zu.

»Herr Major?«

Das war ja zu befürchten gewesen. Natürlich würde sie absagen. Was sollte eine junge Frau auch mit ihm alten Deppen in der Oper. Seine Frage hatte sie überfahren, und deshalb war es ihr nicht gleich möglich gewesen, nein zu sagen. Das aber würde sie jetzt nachholen. Er hielt sich krampfhaft an der Türschnalle fest und drehte seinen Kopf leicht nach hinten.

»Ja?«

»Wäre es nicht hilfreich, wenn Sie wüssten, wo ich überhaupt wohne? Oder haben S’ schon das zentrale Melderegister nach mir durchforscht?«

Ach, er hasste die Frauen! Dass sie immer so überlegen sein mussten! Jetzt saß er in der Patsche. Würde er behaupten, er kenne die Adresse, dann würde sie ihn für einen Unhold halten, der ihr bereits heimlich nachstellte. Gab er aber zu, die Adresse nicht zu kennen, dann war sie sicher der Ansicht, er interessiere sich ohnehin nicht für sie.

»Operngasse 14. Im vierten Bezirk. Gar nicht weit von der Oper, sehen S’.«

Vielleicht war die Doleschal doch nicht so böse. Sie hatte ihn eben vom Haken gelassen, ohne dass er sich irgendeine Blöße hatte geben müssen. Das sprach für sie, fand er. Er bemühte sich um ein freundliches Lächeln. »Danke schön«, flüsterte er, »bis heute Abend dann.«

»Ja, bis heute Abend.«

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