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I.
Оглавление»Was ist denn mit Ihnen los, Bronstein? Wieso sind Sie immer noch im Amt? Haben Sie kein Privatleben, oder wie seh’ ich das!« Bronstein sah verwirrt von seinen Akten auf und blickte direkt in die blauen Augen seines Vorgesetzten. »Äh, wie bitte?«
»Na ich bitt Sie, Bronstein, irgendein Pläsier werden S’ doch haben! Wenn schon nicht Frau und Kind daheim warten, dann vielleicht die alten Herren Ihrer Verbindung in der Bierklinik. Oder wenigstens der Briefmarkensammlerverein im Kaffeehaus. Irgendwo muss doch der Beamte in Ihnen enden und der Mensch beginnen.«
Bronstein blies gepresst Luft aus. »Wie Sie wissen, bin ich ledig und habe keine Kinder. Ich war nie in einer Studentenverbindung, und Briefmarken sammle ich auch keine mehr, seit ich die Blaue Mauritius habe.«
Die Augen des Vorgesetzten sprangen schier aus den Höhlen. Doch noch ehe er seine logische nächste Frage aussprach, dämmerte ihm, dass Bronstein gerade einen Witz gemacht hatte. Die Miene wandelte sich von Erstaunen zu Mitleid. »Bronstein, Bronstein! Bei mir sind Ihre Witzchen fehl am Platz. Die holde Weiblichkeit müssen S’ umgarnen damit. Sie sind 43, Mensch! Wann wollen S’ denn endlich zu leben anfangen?«
Eigentlich wollte Bronstein diese Worte souverän abschmettern, doch irgendetwas in ihm hielt ihn zurück. Eigentlich hatte der Chef ja recht. Ohne, dass er es gemerkt hätte, war er alt geworden. Das Leben zog an ihm vorbei. Seit Jahr und Tag bestand das Sein für ihn nur aus Aufstehen, zur Arbeit Gehen, Heimgehen und Schlafengehen. Wären alle Wiener wie er, Nachtlokalbesitzer, Kabarettisten, Theaterdirektoren und Kinobetreiber könnten umgehend Konkurs anmelden. Ohne es zu wollen, seufzte er.
»Schau’n S’, Bronstein. Ich geh jetzt ins Theater. Da entspannt man sich, tut etwas für seine Bildung, und unterhalten tut man sich auch. Schau’n S’ doch, dass Sie wieder einmal unter die Leut’ kommen, Bronstein! Sonst sind S’ am End genauso verstaubt wie Ihre Akten.«
»Ich werde Ihren Rat beherzigen, Herr Hofrat«, quälte sich Bronstein ab, während sein Chef mit einem nonchalanten »Machen S’ das, Bronstein, machen S’ das« seiner Wege zog.